Peng Shuai wird nicht mehr auf die WTA-Tour zurückkehren.

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Die Geschichte um die zunächst verschwundene Tennisspielerin Peng Shuai hat am Wochenende eine bizarre Wendung genommen. Die 36-Jährige gab französischen Journalisten überraschend ein Interview. Darin sagte Peng, sie sei weder sexuell belästigt worden noch jemals verschwunden gewesen. Vor dem Interview mit der Sporttageszeitung L’Équipe hatte sich Peng noch mit Thomas Bach, dem Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), getroffen.

Peng Shuai, Siegerin der French Open im Doppel, hatte Anfang November im chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo schwere Anschuldigungen gegen den Parteifunktionär Zhang Gaoli erhoben. In dem Post, der innerhalb einer halben Stunde gelöscht worden war, hieß es wörtlich unter anderem: "Ich habe an jenem Nachmittag zuerst nicht zugestimmt. Ich habe die ganze Zeit geweint ... Du sagtest dann, du hattest mich in den vergangenen sieben Jahren nie vergessen, und du würdest dich um mich kümmern. Ich sagte dann Ja, weil ich Angst hatte und Panik bekam und immer noch Gefühle für dich da waren von vor sieben Jahren. Und dann, ja, hatten wir Sex."

Der Aufschrei

Kurz darauf verschwand Peng aus der Öffentlichkeit. Die Vorwürfe und ihr Verschwinden waren aber bereits an die Öffentlichkeit gelangt. Auf Twitter fragten Tausende nach ihr. NGOs, Athletinnenvertreter, aber auch die Frauentennisvereinigung WTA nahmen sich der Causa an. Die WTA stornierte trotz finanzieller Einbußen alle ihre Turniere in China.

Ende November kam es zu einem Videotelefonat mit IOC-Präsident Bach. Dabei waren auch die Parteifunktionärin Li Lingwei und Emma Terho, die Vorsitzende der IOC-Athletenkommission. Bach sagte nach dem Telefonat, er sei "erleichtert" über den Zustand der Athletin, und sie hätte "entspannt gewirkt". Menschenrechtsgruppen aber gehen davon aus, dass Peng vielmehr massiv unter Druck gesetzt worden ist.

Im Interview mit L’Équipe sagt Peng nun, sie sei niemals sexuell missbraucht worden. Alles handle sich um ein "großes Missverständnis". Sie plane zudem, nicht mehr in den Profisport zurückzukehren. Den Post habe sie Anfang November selbst gelöscht. Auch sei sie nie verschwunden gewesen, sie habe nur zu viele Nachrichten bekommen, die sie nicht hätte beantworten können.

Anwesend war bei dem Gespräch auch der Stabschef des chinesischen Olympischen Komitees, Wang Kan. Dieser ließ sich die Fragen der Journalisten vorab geben und übersetzte dann auch die Antworten. Peng sagte, sie könne kein Englisch. Dabei gibt es Aufnahmen von ihr aus dem Jahr 2013, in denen sie die fließend Englisch spricht.

Kopf in den Sand

IOC-Sprecher Mark Adams sagte in einer Pressekonferenz, man könne und wolle die Umstände des Interviews nicht weiter untersuchen. "Wir als Sportorganisation tun alles dafür, um sicherzustellen, dass sie glücklich und zufrieden ist. Es ist nicht unsere Aufgabe und nicht Ihre Aufgabe zu bewerten, wie ihre Position einzuschätzen ist."

Zhang Gaoli, den Peng der sexuellen Belästigung beschuldigte, war zwischen 2013 und 2018 Vizepremierminister – eines der höchsten Ämter in der Volksrepublik. Der heute 75-Jährige ist politisch nicht mehr aktiv. 2011 soll er mit Peng eine Art Beziehung gehabt haben. Die Vorwürfe beziehen sich auf ein Treffen im Jahr 2018.

Das "Verschwinden" aber hat in China Methode. Ähnlich erging es auch dem Multimilliardär und Gründer des Megakonzerns Alibaba, Jack Ma. Ma hatte sich im Herbst 2020 in einer Rede mit chinesischen Bankern angelegt. Kurz darauf verschwand Ma für einige Monate aus der Öffentlichkeit. Als er wieder auftauchte, war Ma sichtlich "geläutert". Er äußert sich nicht mehr politisch, hat sich aus der Konzernführung völlig zurückgezogen und soll sich jetzt ausschließlich seinem Hobby, der Seidenmalerei, widmen. Kommentar Seite 32

Ende November des Vorjahres telefonierte IOC-Präsident Thomas Bach mit Peng Shuai. Nun traf er sie in Peking persönlich. (Philipp Mattheis aus Schanghai, 7.2.2022)

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Causa Peng Shuai: Olympische Weißwäsche