Dem Badespaß am schönen Cottesloe Beach bei Perth stand bisher keine Covid-Welle im Wege. Das, fürchtet Westaustraliens Premier Mark McGowan, könnte sich ändern, wenn der Bundesstaat nun die Grenzen öffnet. Er zögert daher.

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Canberra/Perth – Am Sonntag war es so weit: Der australische Bundesstaat Westaustralien musste die "High Caseload"-Regelungen ausrufen, die für den Fall ausufernder Corona--Infektionszahlen gedacht sind. Astronomische Ausmaße hat die Omikron-Welle freilich eher aus lokaler und nicht aus europäischer Sicht: 26 tägliche Neuinfektionen waren es in dem 2,6 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner großen Bundesstaat, der rund ein Drittel der australischen Landfläche bedeckt. In zwei Fällen war nicht zu eruieren, wo die Betroffenen sich angesteckt hatten. Die zwischen Zero und Low Covid angesetzte Politik der Lokalregierung, die den Premierminister von Westaustralien, Mark McGowan, in den vergangenen Jahren in lichte Umfragehöhen geführt hat, ist damit aber in Bedrängnis – zum denkbar ungünstigsten Moment.

Denn gerade erst hatte McGowan sich mit einer Entscheidung den Zorn großer Teile der australischen Wirtschaft zugezogen. In der Hoffnung auf eine Fortführung des westaustralischen Pandemiewunders trat der Sozialdemokrat am 20. Jänner in der Hauptstadt Perth vor die Presse und verkündete ziemlich überraschend eine Kehrtwende in Bezug auf seine bisherigen Pläne: Eine schon angekündigte Öffnung der seit rund zwei Jahren streng überwachten und geschlossenen Grenze werde es vorerst nicht geben, sagte er – und meinte damit nicht nur internationale Ankünfte, sondern auch Reisende aus anderen australischen Bundesstaaten.

Strenge Regeln

Während das restliche Land also, wie soeben verkündet, ab 21. Februar seine Pforten für internationale Besucher öffnet, gilt in Westaustralien eine andere Regel. Sogar wer aus anderen Bundestaaten einreisen will, muss nicht nur eine Handy-App installieren, dreimal geimpft und vor weniger als 24 Stunden getestet sein, sondern nach der Ankunft auch 14 Tage lang in Quarantäne. Diese gilt auch für alle anderen Personen, die sich im gleichen Haushalt befinden. Einreisen darf aber ohnehin nur, wer sich etwa zu einem Familienbesuch angemeldet oder innerhalb Australiens enge Angehörige besucht hat.

Die Quote für genehmigte Einreisen aus anderen Ländern liegt weiterhin bei 265 Personen pro Woche. Für sie gelten die gleiche Bedingungen, zusätzlich müssen sie die Hälfte ihrer Quarantäne aber in einem Hotel verbringen.

Wie in Nordkorea?

Kein Wunder also, dass der australische Tourismus über die Entscheidung nicht gerade frohlockt. Qantas-Chef Alan Joyce verglich das Vorhaben des Bundesstaates gar mit der Abschottungspolitik Nordkoreas. Und auch die sonstigen Wirtschaftsverbände in Westaustralien gaben sich nicht begeistert. Sie fürchten, den Anschluss an das restliche Land zu verlieren. Und sie kritisieren, dass der Premier keinen Zeitrahmen genannt habe, in dem nun seinem Plan zufolge eine Grenzöffnung anstehe.

McGowan allerdings argumentiert ebenfalls mit den Schäden für die Wirtschaft, die bei einer schnellen Infektionswelle zu befürchten seien. Der "Albtraum aus dem Osten" dürfe sich nicht wiederholen. Dort, also in den anderen Bundesstaaten Australiens, hat sich nach langer Zero-Covid-Politik und Lockdowns in Marathonlänge nun trotzdem Omikron ausgebreitet. Teils gab es in dem ohne Westaustralien etwa 23 Millionen Einwohner zählenden Land bis zu 100.000 Infektionen pro Tag. Zwar sinken diese Zahlen mittlerweile wieder, doch sind in Australien bereits 4.248 Menschen an Corona verstorben. Das ist ein geringer Wert im Vergleich zu den mehr als 14.200 Toten im viel kleineren Österreich, aber ein hoher im Vergleich zu Westaustralien. Dort sind es nur neun. McGowan fürchtet für den Fall einer Grenzöffnung eine Explosion der Infektionszahlen in seinem Bundesstaat.

Neue Spielregeln

Das Omikron-Virus, so heißt es in Westaustralien, habe die Spielregeln geändert, die man noch mit Blick auf die Delta-Variante ausgearbeitet hatte. Zwar sind in Westaustralien mittlerweile rund 92,5 Prozent der über 16-Jährigen zweimal geimpft – doch reicht dies angesichts der Eigenheiten von Omikron nach Sicht des Premiers nicht mehr aus. Erst wenn 70 bis 80 Prozent der Menschen auch eine dritte Impfung hinter sich gebracht haben, will McGowan wieder über Öffnungsschritte reden. Bisher haben in Westaustralien 43,5 Prozent der Impfbaren auch einen dritten Stich erhalten.

Ob der Premier sein Covid-Wunder aufrechterhalten kann, steht angesichts der Ausbreitung in den vergangenen Tagen nun aber in Zweifel. Bisher hatten es ihm die Menschen in seinem Bundesstaat gedankt. 53 von 59 Sitzen gewann seine Labour-Party bei Wahlen 2021, das entspricht 59,9 Prozent aller Parteistimmen (und 69,7 Prozent im komplizierten, aber in Australien entscheidenden Instant-Runoff-Wahlsystem). Auch der nun verschobenen Grenzöffnung stimmt eine Mehrheit im Bundesstaat laut Umfragen zu. Australiens konservativer Premier Scott Morrison, der zuletzt auf Öffnungen setzte, ist wohl auch angesichts der hohen Infektionszahlen in ein Umfragetief gestürzt. Es ist ein womöglich kostspieliges Abrutschen – denn bis Mai müssen in Australien auf Bundesebene Wahlen abgehalten werden. (Manuel Escher, 7.2.2021)