Langläufer Alexander Bolschunow hat sein erstes Gold.

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Möglich, dass im russischen Langlauflager Zaubertrank angerührt worden ist. Oder aber die Norweger haben ihre Asthmasprays vergessen. Wahrscheinlich ist aber schlicht alles mit rechten Dingen zugegangen. Das erste olympische Männerrennen wurde jedenfalls zum Desaster für die größte nordische Nation und ein Triumph für das Russische Olympische Komitee, vor allem aber für Alexander Bolschunow.

Der einst als "Ivan Drago der Loipe" verunglimpfte 1,85 Meter große Athlet aus dem Dörfchen Podywotje nahe Brjansk hart an der ukrainischen Grenze hatte nach dem Skiathlon über jeweils 15 Kilometer klassisch und Skating fast schon ausgeschwitzt, als sein schärfster Konkurrent, Norwegens Liebling Johannes Hösflot Kläbo, als 40., mit nahezu neun Minuten Rückstand im Ziel eintrudelte.

Ausraster

Mit dreimal Silber und einmal Bronze hatte sich Bolschunow vor vier Jahren in Südkorea zufrieden gegen müssen. Wesentlich reifer, aber höchst umstritten kam er im Vorjahr zur WM nach Oberstdorf. Einen Monat vorher hatte er beim Weltcup in Lahti nach einem verlorenen Staffelsprint um Rang drei den Finnen Joni Mäki per Bodycheck zu Boden gestreckt, weil er sich behindert fühlte. Bolschunow wurde auf Bewährung gesperrt und entschuldigte sich, wohl wissend, dass es der Konkurrenz zuweilen einfach zu leicht fiel, ihn zu provozieren.

Bei der WM im Oberallgäu holte er im Skiathlon sein erstes Gold, litt aber wie ein Hund darunter, dass er sich im abschließenden 50er im Kampf gegen vier Norweger Emil Iversen geschlagen geben musste. Schließlich hatte er davor schon zweimal en suite den Hochmut der Norsker mit Siegen über diese Strecke am Holmenkollen ob Oslo bestraft.

Papa als erster Trainer

In dieser Saison hat der Weltcupsieger von 2020 und 2021 Olympia alles untergeordnet. Lediglich ein Erfolg, in einem Teamsprint, stand vor Peking zu Buche, zu Gesamtplatz zwei hinter Kläbo reicht es aber, weil es die Spitzenläufer auch wegen der Unwägbarkeiten der Pandemie allesamt eher dezent angingen.

Bolschunows erster Trainer war der ehrgeizige Vater, Alexander Iwanowitsch Bolschunow, selbst ein passionierter Sportler. Als Entdecker des 25-Jährigen gilt Juri Borodawko, der die Generation vor dem neuen Superstar an die Spitze führte und nach und nach im russischen Dopingsumpf verlor – so er ihr nicht selbst den Weg hinein gewiesen hat.

Bolschunow ist jung genug, um nicht zwangsläufig ins System verstrickt zu sein, das Russlands Sport die Ächtung bis hin zum Namens-, Flaggen- und Hymnenverbot eingetragen hat. Asketischer Lebenswandel und extremer Trainingsfleiß werden nachgesagt. Und das mit der Reizbarkeit ist ein wenig besser geworden. (Sigi Lützow, 7.2.2022)