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Nahezu jede zweite Ehe wird heutzutage geschieden. Damit Kinder gut damit zurechtkommen, brauchen sie Unterstützung. Streit, Konkurrenz und negative Kommentare über den anderen sind tabu.

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Gibt es Streit und die Eltern trennen sich, ist das für Kinder oft sehr hart. Das Leben ist nicht mehr wie zuvor, und das erzeugt bei ihnen große Unsicherheit. Sie haben vielleicht Ängste und fühlen sich wütend, traurig, hilflos oder alleine. Manchmal meinen Kinder sogar, schuld daran zu sein, dass Mama und Papa nicht mehr miteinander auskommen. Was das Ganze weiter erschwert, ist, dass sie ihre Sorgen meist noch nicht so gut ausdrücken können. Sie trauen sich oft nicht, Fragen zu heiklen Themen zu stellen, weil sie spüren, dass die Situation ohnehin angespannt genug ist.

Laut Statistik Austria waren 2020 in Österreich rund 17.200 Kinder von der Ehescheidung ihrer Eltern betroffen. Die Scheidungsrate lag in diesem Jahr bei rund 38 Prozent. Die Zahl der Trennungen wird statistisch nicht erfasst – doch es gehen wohl auch einige unverheiratete Eltern getrennte Wege, bevor das Kind 18 ist.

Die gute Botschaft gleich zu Beginn: Eine Trennung der Eltern hat nicht immer negative Auswirkungen auf die Kinder, sondern kann sie auch psychisch entlasten. In vielen Fällen ist sie daher förderlich für die kindliche Entwicklung. Die Frage ist immer, wie die Trennung verläuft und wie die Eltern mit dieser dennoch herausfordernden Situation umgehen.

Haben Eltern vor der Trennung viel gestritten und haben sich diese Konflikte zumeist negativ auf das Familienklima ausgewirkt, dann geht die Trennung oft auch mit Erleichterung bei den Kindern einher. Vor allem nach der räumlichen Trennung berichten Kinder wieder über mehr Lebensfreude. Haben Kinder im Gegenteil keinerlei Spannungen und Konflikte zwischen den Eltern bemerkt, dann trifft es sie häufiger wie ein Schlag. Sie können es kaum fassen, da sie sich davor keinerlei Gedanken über die Situation gemacht haben und nicht damit gerechnet haben.

Kein Paar mehr, aber weiter Eltern

Ganz generell gilt, dass Kinder möglichst viel Klarheit und Informationen benötigen. Denn sie spüren die Konflikte zwischen den Eltern. Mein Tipp ist: Sprechen Sie mit Ihrem Kind auf eine ehrliche, altersentsprechende Art und erklären Sie, warum Sie sich trennen. Bleiben Erklärungen aus, führt das lediglich dazu, dass sich das Kind seine eigenen Gedanken und Fantasien macht. Und diese sind meist beunruhigender als die Realität, da die Kinder oftmals die Schuld bei sich selbst suchen. Sie meinen zum Beispiel, dass sie zu schlimm waren– und Mama und Papa deshalb so viel gestritten haben. Nehmen Sie Ihrem Kind diese Angst und betonen Sie, dass die Probleme, die zur Trennung geführt haben, nur Sache der Erwachsenen sind.

Besprechen Sie auch den Alltag nach der Trennung, wo Sie wohnen werden, wann und wo das Kind den anderen Elternteil sehen kann. Vermitteln Sie Ihrem Kind aber auch, was gleichbleiben wird. Im Zuge einer Scheidung tauchen viele rechtliche Begriffe auf, die auch das Kind aufschnappt, mit denen es aber noch nichts anfangen kann. Erklären Sie ihm, was Alimente sind oder was Sorgerecht bedeutet.

Nicht über den anderen schimpfen

Machen Sie sich als Mutter oder Vater bewusst, dass ein regelmäßiger Kontakt des Kindes zu beiden Eltern sehr wichtig ist. Ihr Kind liebt sie immer beide und das für immer! Es braucht Sie beide, um diese Phase gut zu meistern. Es ist eine Umbruchsituation, daher müssen Sie sich gut überlegen, wie Sie den Kontakt zum anderen Elternteil so einfach wie möglich gestalten. Klare Abmachungen über Besuche, die Übergaben und die Kommunikation miteinander helfen Ihnen dabei, auch für sich einen guten Weg ins neue Leben zu finden.

Was ebenfalls entscheidend ist: Sprechen Sie vor Ihren Kindern immer respektvoll über den anderen Elternteil und vermeiden Sie diesbezügliche Gespräche mit Freunden und Verwandten vor dem Kind. Denn dabei rutschen oft unbedacht Aussagen heraus, die Kinder verunsichern können und sie in einen Loyalitätskonflikt bringen.

Nicht nur das Grundbedürfnis, geliebt zu werden, sondern auch "lieben zu dürfen" ist wichtig. Auch ein nicht anwesender Elternteil bleibt für das Kind ein unsichtbarer Begleiter. Kinder kommen in große seelische Not, wenn von ihnen erwartet wird, einen Elternteil abzulehnen. Es ist leichter, sich vom Partner zu trennen, als sich von einem Elternteil zu trennen.

Bei Mama oder bei Papa?

Besonders belastend ist es für ein Kind, wenn es ständig gefragt wird, ob ein Besuch stattfinden soll oder nicht, da es mit jeder Antwort einen Elternteil kränkt. Günstig ist eine Besuchsregelung, mit der alle zufrieden sind. Bitte bedenken Sie: Der Besuchstag ist nicht ein Geschenk für den anderen Elternteil, sondern eine Verpflichtung gegenüber dem Kind. Bestehen Konflikte über die Besuchszeiten, so sind Kinder verunsichert. Diese Unsicherheit kostet das Kind viel Energie.

Dass ein Kind vor, während oder nach dem Besuch anders ist als sonst, sollte Sie nicht irritieren. Ihr Kind braucht Zeit, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Haben Sie Verständnis für die Gefühle Ihres Kindes, denn sie sind gesund und wichtig. Helfen Sie ihm dabei, seine Gefühle auszudrücken. Kinder, die scheinbar nicht reagieren, haben übrigens die gleichen Gefühle, nur zeigen sie diese nicht.

Geben Sie dem Kind die Möglichkeit, in einer möglichst angenehmen Atmosphäre – etwa beim gemeinsamen Malen, Spielen oder beim Essen – Fragen zu stellen. Sprechen Sie gerne auch bewusst Gefühle an, die das Kind möglicherweise haben könnte, zum Beispiel indem Sie sagen: "Ich kann mir vorstellen, dass du manchmal ziemlich wütend auf uns bist, weil wir uns getrennt haben – das ist okay, ich ärgere mich auch manchmal darüber, dass nicht alles so geklappt hat, wie ich mir das vorgestellt habe", oder: "Ich kann mir vorstellen, dass du manchmal traurig bist, dass du Papa nicht so oft sehen kannst wie früher, willst du darüber sprechen?"

Sie können auch Bücher als Gesprächseinstieg nutzen. Es gibt tolle Kinderbücher zum Thema Trennung und zum Umgang mit den eigenen Gefühlen.

Allen Zeit geben

Veränderungen brauchen Zeit. Es wird Zeit benötigt, von einem gewohnten Leben in einen neuen Lebensrhythmus überzugehen. Auch Erwachsene brauchen dafür eine Weile, daher kann es auch leicht passieren, dass anfangs nicht alles glatt läuft. Das ist vollkommen okay und normal.

Besprechen Sie immer wieder die neuen Abläufe mit Ihrem Kind. Vielleicht gestalten Sie gemeinsam einen Wandkalender, auf dem das Kind immer sehen kann, von wem es betreut wird, wer es aus dem Kindergarten oder der Schule abholt. Somit können Sie auch spontane Änderungen gut erklären oder auch farblich oder symbolisch darstellen. Je mehr Orientierung das Kind in der neuen Situation bekommt, desto besser kann es damit umgehen.

Eine Trennung zu bewältigen kostet dennoch viel Kraft. Achten Sie daher gut auf sich selbst und sorgen Sie für Unterstützung. Jemanden für sich selbst zum Reden zu haben, kann entlasten. Nur wenn es Ihnen gutgeht, kann es auch Ihren Kindern gutgehen.

Großeltern, Verwandte, Freunde, Lehrerinnen und Lehrer können auch eine Unterstützung für das Kind sein. In erster Linie ist es einmal wichtig, dass es mit jemandem über seine Gefühle sprechen kann. Haben Sie den Eindruck, dass es sehr mit der Situation zu kämpfen hat, sollten Sie auch den Rat von Fachleuten einholen. (Patricia Zaccarini, 15.2.2022)