Der Anzug von Daniela Iraschko-Stolz entsprach nicht dem Reglement.

Foto: AFP/LARS BARON

Das Podium: Slowenien ganz oben, daneben Russland und Kanada.

Zhangjiakou/Peking – Der olympische Mixed-Teambewerb im Skispringen ist am Montag zur Farce geworden. Bei vier Topnationen kamen Sprünge von Athletinnen nach den Materialkontrollen nicht in die Wertung. Das Ergebnis war davon maßgeblich beeinflusst. Auch Österreich war wegen eines nicht regelkonformen Anzugs von Routinier Daniela Iraschko-Stolz betroffen. Am Ende wurde es für das ÖOC-Team mit Iraschko-Stolz, Stefan Kraft, Lisa Eder und Manuel Fettner von der Normalschanze Rang fünf.

Gold holte sich überlegen Topfavorit Slowenien, der ohne Disqualifikation durchkam. Dahinter folgten die Mannschaft aus Russland und überraschend Kanada, das die erste Olympia-Medaille seiner Geschichte im Skispringen eroberte. Allerdings profitierten das Sensationsteam von Disqualifikationen bei Österreich, Japan, Deutschland und Norwegen.

Iraschko-Stolz war als Startspringerin im ersten Durchgang bei lediglich 85,5 Metern gelandet. Der Sprung kam aber gar nicht in die Wertung. Als Grund wurde bei der 38-Jährigen ein nicht regelkonformes Hüftband am Anzug angegeben. Dieses sei laut Iraschko-Stolz um einen Zentimeter zu weit gewesen. "Das soll nicht passieren, aber es ist passiert", sagte die Steirerin im ORF. "Es tut mir leid für die Mannschaft, die sind alle super gesprungen. Ich habe es auch mit meinen Sprüngen verhaut."

Kein Messspielraum

Beim Hüftband darf kein Messspielraum bestehen, es muss laut Reglement am Körper anliegen. Problematisch war die "Aktion scharf" der Kontrollore allerdings, weil gleich mehrere Spitzenathletinnen disqualifiziert wurden. Mario Stecher, der ÖSV-Direktor für Skispringen und Nordische Kombination, ortete einen "immensen Imageschaden" für das Skispringen – und das ausgerechnet bei der Premiere des Mixed-Teambewerbes im olympischen Programm.

Japan wurde Vierter, obwohl ein Sprung von Rekordweltcupsiegerin Sara Takanashi nicht in die Wertung kam. Bei Deutschland war die Olympia-Zweite Katharina Althaus betroffen, der Serienweltmeister im Mixed-Teambewerb scheiterte dadurch bereits im ersten Durchgang. Iraschko-Stolz und Takanashi durften mit korrigierten Anzügen zum zweiten Durchgang antreten, dort erwischte es dafür dann noch zwei Norwegerinnen.

Kurios: Beim Einzelbewerb der Frauen am Samstag waren die gleichen Anzüge im Einsatz, damals waren alle betroffenen Athletinnen in die Wertung gekommen. "Da hat es vielleicht gepasst, da habe ich mehr getrunken", wunderte sich Iraschko-Stolz. Die Skispringer müssen in China mit neuen Anzügen antreten, weil jene aus dem Weltcup allesamt Sponsorenaufnäher tragen. Diese sind bei Olympia allerdings verboten. Ein nicht regelkonformer Anzug war im Einzel bereits der Österreicherin Sophie Sorschag zum Verhängnis geworden.

Erboster Stecher

Stecher war ob der Vorgehensweise im Mixed erbost. Man hätte im Frauenbereich bereits während der Saison viel besser kontrollieren müssen, meinte der zweimalige Team-Olympiasieger in der Nordischen Kombination. "Man kommt sich vor wie beim Tiroler Zeltverleih, so groß sind die Anzüge. Und jetzt wird es auf einmal kontrolliert." Man hätte das ganze Jahr Zeit, Messungen durchzuführen und ein Reglement zu machen. "Sie greifen aber erst bei Olympia rigoros durch. Da muss man sich schon fragen, ob das der richtige Weg ist.

Deutscher Ärger

Die disqualifizierte Deutsche Althaus weinte bittere Tränen der Verzweiflung, dann machte sie ihrem grenzenlosen Zorn Luft. "Der Weltverband hat heute das Damenskispringen zerstört. Mit so einer Aktion machen die den Sport kaputt." Sie sei schon "so oft kontrolliert worden in elf Jahren Skisprung, und ich wurde kein einziges Mal disqualifiziert. Ich weiß, mein Anzug hat gepasst."

DSV-Funktionär Horst Hüttel sagte: "Wir sind alle stocksauer. Katha sagt, sie ist so lange durchgecheckt worden wie noch nie. Sie sagt: So lange, bis etwas gefunden wurde", erklärte er. "Die vier größten Nationen sind ja nicht alle bescheuert und wollen manipulieren." Der Trainer des deutschen Männerteams, Stefan Horngacher, sagte: "Das heute war Kasperletheater."

Kraft: "Ein Auf und Ab"

Der Sport geriet zur Nebensache. Dabei zeigten aus österreichischer Sicht vor allem Kraft und Fettner nach seiner Silbermedaille am Vortag starke Leistungen. Am Ende fehlten dem ÖOC-Quartett trotz eines Sprunges weniger in der Wertung nur 26,6 Punkte auf Bronze. "Es ist auf und ab gegangen, das tut sehr weh", schilderte der dreimalige Weltmeister Kraft die Gefühlslage. "Bei uns Männern wird heuer viel strenger kontrolliert als in den letzten Jahren." Die Situation im Frauenbereich kenne er nicht im Detail.

Betroffen waren von den Disqualifikationen nur Athletinnen – fünf an der Zahl. Zwischenzeitlich blickte im konfusen Treiben an der Schanzenanlage niemand mehr durch. Im bisher einzigen Mixed-Teambewerb in dieser Saison in Willingen war Österreich Dritter geworden. Nach dem Corona-Aus für Topfavoritin Sara Marita Kramer waren die Olympia-Chancen erheblich gesunken. Im Chaos von Zhangjiakou wäre am Montag aber fast alles möglich gewesen. (APA, sid, red, 7.2.2022)

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