Wendeten sich beide wiederholt in Personalfragen an ihren Kabinettschef Michael Kloibmüller: die ehemalige Innenministerin und jetzige niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und ihr Nachfolger im Innenministerium und heutiger Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka (beide ÖVP).

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Die Innenministerin war wieder einmal sauer. Damals, im Frühjahr 2016, ging es politisch gerade um die Flüchtlingskrise und die Reform des Staatsschutzes samt Überwachungspaket; beides sorgte für heftigen Zank zwischen ÖVP und SPÖ. Ihren Unmut tat Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) per SMS kund: "Rote bleiben Gsindl! Schönen Schitag!", wünschte sie ihrem damaligen Kabinettschef Michael Kloibmüller. Als der sie fragte, ob es stimme, dass die SPÖ auf die Ablöse von Außenminister Sebastian Kurz und eben Mikl-Leitner dränge, brach es aus ihr wieder hervor: "... unglaublich diese Sozis."

Wenig später war es aber so weit: Mikl-Leitner wechselte nach Niederösterreich, wo sie im April 2017 Landeshauptfrau werden sollte. Im Innenministerium in der Wiener Herrengasse änderte sich dadurch wenig. Für Kontinuität stand ohnehin ein anderer Name: Michael Kloibmüller. Der war jahrzehntelang das Machtzentrum in Innenressort, in dem er mit kurzen Unterbrechungen von 2000 bis 2018 gearbeitet hat.

Folgenschwerer Ausflug

Jetzt, vier Jahre nach seinem Abgang, rückt Kloibmüller ungewollt ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Grund dafür: Nachdem bei einem Kabinettsausflug im Jahr 2017 sein Handy im Wasser gelandet war, übergab es der damalige Referent Michael Takacs zur Reparatur an einen IT-Experten im Verfassungsschutz. Der soll laut Staatsanwaltschaft Wien eine Kopie des Smartphone-Inhalts angefertigt und diese verbreitet haben, es gilt die Unschuldsvermutung. Jetzt, rund um den ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss, kursieren zahlreiche Chats aus Kloibmüllers Handy.

Sie zeigen etwa die Beunruhigung einer Referentin darüber, dass am Server der Kabinettsmitarbeiter "unter Herr Bundesminister Sobotka eine Liste liegt, die Interventionen heißt und noch dazu alle Interventionen mit Stand anführt". Zwar wolle Sobotka das, aber "ist es (-> Aktenvorlage) gescheit?". Kloibmüller antwortete: "Na ist es net da muss i reden."

Wer verhindert werden sollte

Welche "Interventionen" dort angeführt waren, ist unklar – Personalinterventionen gab es im Ministerium aber zuhauf. Das zeigt ein Fall aus dem Jahr 2017: Damals wurde der Posten der Wiener Vizelandespolizeidirektorin vakant. Als Nachfolgerin bewarb sich Andrea Jelinek. Sie wurde zwar als sehr kompetent, loyal und als gutes Signal an Frauen beschrieben, aber zwei Monate lang wurden in der ÖVP alle Hebel in Bewegung gesetzt, um sie zu verhindern. Mit Erfolg. Am Ende hieß der neue Vizepolizeipräsident Franz Eigner.

Was war der Grund dafür, eine gut qualifizierte Frau zu verhindern? Jelinek wurde der roten Reichshälfte zugeordnet. Da war die Rede von einer "Katastrophe", wenn sie den Posten bekäme. "Jetzt haben wir den Salat", kommentierte man ihre Bewerbung. Die Qualifikation sprach Jelinek allerdings niemand ab. Die Juristin war 2003 zur ersten Leiterin eines Polizeikommissariats in Wien ernannt worden – und zwar ausgerechnet vom damaligen Innenminister Ernst Strasser (ÖVP). Dass Jelinek als SPÖ-nah gilt, schien damals nicht ausschlaggebend gewesen zu sein. Strasser sagte dem STANDARD über Jelinek einst, ihm habe imponiert, dass sie "ganz schön streitbar sein kann. Wenn sie von etwas überzeugt ist, dann sagt sie es entschieden – auch ihren Vorgesetzten."

"Ich mach mir Sorgen ..."

Aber 2017 engagierte sich nicht nur Kabinettschef Kloibmüller dafür, Jelinek zu verhindern. Involviert waren auch der einstige Landespolizeivizepräsident Karl Mahrer, der jetzt die Wiener ÖVP anführt, der heutige Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, und der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl selbst. Es wurde überlegt, Jelinek zu überreden, ihre Bewerbung zurückzuziehen.

Die anderen sollen sich um eine Gegenkandidatin oder einen Gegenkandidaten gekümmert haben. Lange war hier keine Lösung in Sicht, weswegen Mahrer im Jänner 2017 sogar vorgeschlagen habe, Kärntens Polizeipräsidentin Michaela Kohlweiß zu fragen, ob sie sich nicht für den Vizeposten in Wien bewerben möchte. "Ist verrückt", räumte er ein, "wär aber unschlagbar." Und vielleicht ziehe Jelinek bei so einer starken Gegenkandidatin ja zurück, schien die Hoffnung gewesen zu sein. Mahrer soll Kloibmüller jedenfalls mitgeteilt haben: "Ich mach mir Sorgen … LG Karl."

Kohlweiß sagt auf STANDARD-Anfrage, sie sei niemals auf diese Bewerbung angesprochen worden. Pürstl ist derzeit im Ausland und beantwortet deswegen keine aktuellen Fragen. Mahrer sagt, er habe "keine konkrete Erinnerung" und kenne die Unterlagen nicht. Sollte er aber eine Empfehlung abgegeben haben, sei diese "mit Sicherheit in Hinblick auf die persönlichen und fachlichen Kompetenzen erfolgt". Ruf gibt an, nicht in das Bestellungsverfahren eingebunden gewesen zu sein. Es sei aber möglich, "dass ich eine allgemeine Information, die mir bekannt wurde, persönlich bewertet und weitergeleitet habe".

"Den Sozen zeigen, wo der Hammer hängt"

Die Besetzung des Postens beschäftigte sogar Innenminister Wolfgang Sobotka. Was Kloibmüller von der Idee halte, Jelinek gewähren zu lassen und sich dafür vom damaligen Bürgermeister Häupl (SPÖ) einen Wunsch erfüllen zu lassen? Kloibmüller dachte selbst eine Zeitlang über einen Deal nach, hielt den dann offensichtlich aber nicht für notwendig: "Aber wie ich gesehen habe, dass wir unseren Mann durchbringen, dachte ich, den Sozen zu zeigen, wo der Hammer hängt."

Jelinek selbst sagt zum STANDARD, dass sie von all diesen Interventionen im Hintergrund nichts bemerkt habe: "Aber wenn jemand so intensiv daran arbeitet, dass jemand etwas nicht wird, dann kann diejenige offensichtlich etwas." Sie habe sich auf normalem Wege beworben und "nie ein Parteibuch (gehabt), von keiner Partei". Jelinek betont allerdings, dass sie dem ÖVP-Umfeld nie zurechenbar gewesen sei, sondern eher der anderen "Reichshälfte", aber da "wo auch immer". Von einer Partei sei sie daher nie besonders gefördert worden.

Keine Ausnahme

Jelinek will unterstrichen wissen, dass Pürstl sie nicht von ihrer Bewerbung abgebracht habe, wie Chats insinuieren. "Wir kennen einander seit vielen, vielen Jahren, und er weiß, dass das sinnlos ist", sagt sie. Aber es habe sie sehr getroffen, dass sie 2017 nicht Vizepräsidentin wurde. Welche Rolle spielt das Parteibuch bei Postenbesetzungen im Innenressort und der Polizei? "Schauen Sie sich die Besetzungen an, dann werden Sie es wissen", sagt die erfahrene Funktionärin, die seit 2013 die Datenschutzbehörde leitet.

Der Fall Jelinek ist keine Ausnahme – sowohl was die Involvierung der Spitze des Innenministeriums in Postenbesetzungen betraf, als auch was die Ablehnung von Personen angeht, denen SPÖ-Nähe nachgesagt wird. Die Recherchen zeigen zudem, dass Mikl-Leitner auch als Landeshauptfrau noch engen Kontakt zu Kloibmüller hielt. So erkundigte sich die ÖVP-Politikerin einmal bei ihm wegen eines Bewerbers für eine Kommandantenstelle in Niederösterreich – ihr Ex-Kabinettschef kümmerte sich prompt um die Sache und gab sein Okay. "Perfekt", freute sich Mikl-Leitner.

Mikl-Leitner entschuldigt sich

Schon kurz nach ihrer politischen Rückkehr nach Niederösterreich wandte sie sich sogar in einer familiären Angelegenheit an Kloibmüller. Ein Familienmitglied der ehemaligen Innenministerin suchte ein Praktikum im Innenministerium, Mikl-Leitner dürfte auf ihre Kontakte gesetzt haben. "Verlass mich auf euch", lautete die Schlussformel in ihrer Nachricht. Mikl-Leitners Büro betont, dass "laufend Sorgen, Wünsche und Anregungen an die Landeshauptfrau herangetragen" würden, darunter "auch Bewerbungen". Diese würde man an die zuständigen Stellen weiterleiten, "und dort müssen alle rechtlichen Bestimmungen eingehalten werden".

Am Montagabend meldete sich dann Mikl-Leitner selbst mit einer Entschuldigung zu Wort – dies hatte zuvor die SPÖ angesichts der "Beschimpfungen" gefordert. Per Aussendung ließ sie wissen, dass sie den genauen Wortlaut ihrer damaligen Nachricht nicht mehr überprüfen könne. Zudem sei damals die Stimmung in der Koalition bekanntlich sehr schlecht gewesen. Dennoch wolle sie betonen: "So sollte man weder miteinander noch übereinander reden. Und ich möchte mich ausdrücklich bei jeder und jedem Einzelnen entschuldigen, die oder der sich von dieser Nachricht aus der Vergangenheit angesprochen und beleidigt fühlt."

Mit den Vorgängen will sich nun auch der ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss beschäftigen, außerdem hat die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper zu Bestellvorgängen im Innenministerium parlamentarische Anfragen eingebracht. (Renate Graber, Lara Hagen, Jan Michael Marchart, Fabian Schmid, 7.2.2022)