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Frankreich Präsident Emmanuel Macron bei seiner Ankunft im russischen Kreml am Montag.

Foto: AP Photo/Thibault Camu

Von dem Gespräch im Kreml wurden vorerst keine Einzelheiten bekannt. Allzu hoch waren die Erwartungen nicht: Wladimir Putins Sprecher Dmitri Peskow hatte schon im Voraus klargemacht, dass "mit einem entscheidenden Durchbruch nicht zu rechnen" sei. Der französische Präsident Emmanuel Macron rechtfertigte seine Reise nach Moskau mit den Worten: "Wenn man nicht miteinander spricht, regelt man keinen Konflikt." Es gehe auch nicht an, "andere in seinem Namen sprechen zu lassen". Damit bezog sich Macron auf jüngste russisch-amerikanische Direktkontakte über die Köpfe der Europäer hinweg. Macron wollte nach eigenen Worten die "Stimme Europas" vernehmen lassen. Die vielbeachtete Reise nach Moskau war für den Wiederwahlkandidaten auch eine Gelegenheit, sich in der laufenden Präsidentschaftskampagne in Frankreich als Staatsmann zu präsentieren, der über den Niederungen des Wahlkampfes steht. Die formelle Legitimation gibt ihm der EU-Ratsvorsitz, der im ersten Halbjahr Frankreich zufällt.

Hauptziel der französischen Diplomatie war eine "Deeskalation": Macron will die Logik des gegenseitigen Aufschaukelns hüben und drüben durchbrechen. Im Vorfeld des Treffens mit Putin führte er aus: "Wir müssen zuerst eine Verschlechterung der Lage verhindern; danach können wir Mechanismen des gegenseitigen Vertrauens schaffen." Im Jänner hatte Macron in Absprache mit dem neuen deutschen Kanzler Olaf Scholz bereits erreicht, dass sich Moskau und Kiew im Rahmen des Normandie-Formats erstmals wieder zu direkten Gesprächen getroffen haben. Ziel ist, Autonomiegespräche in der Donbass-Region voranzubringen, indem sie von der Frage des Truppenaufmarschs getrennt wurden.

Neue Sicherheitsarchitektur

Der russische Staatschef will aber viel mehr: Er verlangt die Einigung auf eine neue "Sicherheitsarchitektur" zwischen Europa und Russland. Dieses Thema liege auch dem Treffen mit Macron zugrunde, sagte der Kreml-Sprecher am Montag. Putin will damit vor allem die Aufnahme der Ukraine in die Nato verhindern. Putin behauptet, der Westen habe dies in einem Memorandum und zudem mündlich an Gipfeltagungen versprochen.

Macron hielt am Montag dagegen, man könne nicht völkerrechtliche Regeln mit militärischen Drohkulissen durchsetzen. Ohne Konzessionen wird Putin seinen Truppenaufmarsch aber nicht abblasen. Dass Macron unter der Hand etwas zu bieten hat, das mit den Nato-Instanzen, den EU-Partnern und der US-Administration abgesprochen war, ist aber nicht anzunehmen. Macron kann höchstens im Namen der EU, nicht aber für die Nato sprechen.

Keil in die westliche Einheit

Die Gefahr für Macron bestand darin, dass er sich von Putin über den Tisch ziehen lässt. Mit dem Treffen konnte der Russe erstens seine Bereitschaft zu einer diplomatischen Friedenslösung hervorheben – während er hintenrum die Ukraine zugleich mit Panzern und Soldaten so weit wie möglich umzingelt. Zweitens wollte Putin bei dem Treffen mit Macron einen Keil in die westliche Einheit treiben, indem er die EU auf Distanz zur harten Haltung der USA und Großbritanniens bringt. Deshalb sagte der Kreml-Sprecher, mit Europäern wie Macron könne man "vertieft" über die neue Sicherheitsarchitektur diskutieren. Der französische Präsident bemühte sich aber, seine Kritik an der Nato nicht zu erneuern. Frankreich ist für Sanktionen im Fall eines russischen Militärschlags und plant, eigene Truppen nach Rumänien zu schicken.

Französische Medien fragten sich im Vorfeld, ob Macron einem abgebrühten Gegenüber wie Putin gewachsen sei. In Paris erinnert man sich mit Schrecken daran, wie Frankreichs frischgekürter Präsident Nicolas Sarkozy 2007 am damaligen G8-Treffen den russischen Präsidenten wegen der Menschenrechte in Tschetschenien in die Mangel nehmen wollte – von Putin aber eiskalt abgeputzt wurde. Nach dem offenbar beinharten Gespräch torkelte Sarkozy wie nach einem K.-o.-Schlag groggy zur Pressekonferenz. Macron war nun vorbereitet, ja gewarnt. Auch weiß er in Gesprächen durchaus zu reagieren: Einen Handshake mit Donald Trump verwandelte er lächelnd in eine eiserne Faust, bis der frühere US-Präsident nachgab.

Am Dienstag will Macron nach Kiew zum ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj weiterreisen. Dort war am Montag schon Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock zu Besuch. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba bekräftigte sie die Bereitschaft Deutschlands, im Falle von Sanktionen gegen Russland "einen hohen wirtschaftlichen Preis zu bezahlen". Bei einer Eskalation im Ukraine-Konflikt habe Deutschland mit seinen Partnern "eine Reihe von harten Maßnahmen" gegenüber Russland vorbereitet. (Stefan Brändle aus Paris, red, 7.2.2022)