Die Weltgesundheitsorganisation mit Sitz in Genf steht finanziell schon länger auf wackeligen Beinen. Die Pandemie hat die Schwächen sichtbar gemacht.

Foto: imago images/GFC Collection

So mancher Verschwörungstheoretiker fühlt sich durch die Finanzstatistik der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bestätigt: Derzeit finanziert die Bill-Gates-Stiftung rund zehn Prozent des gesamten Budgets und ist damit nach den USA der zweitgrößte Geldgeber der Organisation – genug Stoff für groteske Theorien über Microchips und "Plandemien".

In Zukunft will die WHO ihr Budget nun breiter aufstellen – Gates allein ist allerdings nicht der Grund dafür. Vielmehr hat die Pandemie bestehende Schwächen der Finanzierung sichtbar gemacht. Rund 85 Prozent des Budgets werden mit freiwilligen Beiträgen von Ländern, Privatpersonen und internationalen Organisationen gedeckt. Die traditionellen Pflichtbeiträge der Mitgliedsstaaten machen nur noch rund 15 Prozent aus.

Problematisch ist das deshalb, weil die freiwilligen Beiträge großteils zweckgebunden sind. Dazu kommt, dass Geldgeber oft zu spät bezahlen. Eine Arbeitsgruppe des Exekutivrates der WHO hat nun Vorschläge präsentiert, um die Finanzen gesünder zu machen. Ziel ist es, den Anteil der Pflichtbeiträge wieder auf 50 Prozent zu erhöhen. Im Mai wird die Weltgesundheitsversammlung darüber abstimmen.

Historische Gründe

Der Anteil freiwilliger Beiträge am Gesamtbudget war nicht immer so hoch, sondern hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend vergrößert. Die Ursachen dafür sind vielseitig, erklärt Politikwissenschafter Julian Eckl von der Universität St. Gallen, der die WHO-Finanzen analysiert hat. "In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Länder freiwillig mehr geleistet, damit die WHO zusätzliche Aufgaben übernehmen kann", sagt Eckl. Später, als durch die Entkolonialisierung immer mehr Länder unabhängig wurden, sei der Geldbedarf insgesamt gestiegen.

Große Staaten wie die USA wollten diesen zusätzlichen Bedarf aber nicht mehr über Pflichtbeiträge stemmen. Sie griffen daher vermehrt auf freiwillige, zweckgebundene Spenden zurück. "Dadurch hatten sie Einfluss darauf, was mit dem Geld passiert", erklärt Eckl. In den letzten Jahren standen auch aufstrebende Volkswirtschaften wie China und Brasilien einer Erhöhung der Pflichtbeiträge eher kritisch gegenüber.

"Freiwillige Beiträge sind an sich nichts Negatives", sagt Eckl. Dass die Beiträge meist zweckgebunden seien, schränke aber den Spielraum der WHO ein. Die Geldgeber sind zudem unzuverlässig. Oft kommt das Geld zu spät oder gar nicht.

Auch der Anteil der privaten Spender hat sich in den letzten fünf bis zehn Jahren stark erhöht, darunter etwa die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung oder Rotary International, deren Gelder zu einem Großteil für den Kampf gegen Kinderlähmung eingesetzt werden. Ein Vorteil daran sei, dass staatliche Gelder stattdessen für andere Zwecke verwendet werden können, sagt Eckl. Gleichzeit entstehen aber Abhängigkeiten.

Pandemie als Anstoß

"Ins Zentrum der Kritik sollte man die Staaten rücken, die sich gegen höhere Pflichtbeiträge wehren", betont Eckl. In den vergangenen Jahren habe man versucht, die Spender dazu zu bringen, ihre Beiträge nicht mehr an bestimmte Zwecke zu binden. Genauso solle man sich aber die Frage stellen, warum aufstrebende Länder wie China und Brasilien weder die Pflichtbeiträge noch ihre eigenen freiwilligen Beiträge erhöhen wollen.

Dass nun Schwung in die Debatte kommt, hat laut Eckl auch mit Corona zu tun. Für viele Beobachterinnen und Beobachter sei offensichtlich geworden, dass die WHO auf wackeligen Beinen steht. Dazu kommt, dass die Pandemie das Bewusstsein für eine gemeinsame, globale Verantwortung gestärkt hat.

Derzeit gebe es viele Staaten, die den Vorschlag zur Anhebung der Pflichtbeiträge auf 50 Prozent unterstützen – unter ihnen der Großteil der europäischen und afrikanischen Länder. Dagegen sind etwa die USA oder Brasilien. Zwar würden die Ziele im Vorfeld der Weltgesundheitsversammlung im Mai möglicherweise noch etwas abgeschwächt, sagt Eckl. "Aber die Reform wäre ein fundamentaler Neuanfang." (Jakob Pflügl, 8.2.2022)