Neben vielen mittlerweile in Wildnis lebenden Nilpferden gibt es nahe dem ehemaligen Anwesen von Pablo Escobar auch gezähmte Tiere. Jaikra (Bild) lebt im Zoo von Medellín.

Foto: APA / AFP

Pablos Escobars Nachkommen gelten seit Oktober in den USA als juristische Personen, dennoch schießt man ihnen mit Spritzenpfeilen chemisches Kastrationsmittel in den Körper. Oder gerade deshalb, handelt es sich bei den Erben des Drogenbarons, die nach dessen Tod auf seinem Anwesen verblieben, doch um eine Herde von mittlerweile knapp 150 Nilpferden. Sie hat sich 250 km nördlich der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá angesiedelt. Die chemische Keule soll das gelindere Mittel sein, um sie an einer weiteren Ausbreitung zu hindern. Via Gerichtsprozess und Verhütungsmittel wollen ihre zahlreichen Unterstützerinnen und Unterstützer vermeiden, was den tierischen Erben des Drogenbarons nun trotzdem drohen könnte: den Abschuss.

Dieser ist seit vergangenem Freitag womöglich nähergerückt. Da setzte die kolumbianische Regierung die Tiere auf eine Liste der invasiven Arten – also jener Tiere und Pflanzen, die nicht in den jeweiligen Lebensraum gehören und drohen, diesen nachhaltig zu verändern. Damit wäre auch eine Jagd auf die Dickhäuter wieder erlaubt.

Dass die Hippos nicht ursprünglich in die Gegend gehören, ist dabei offensichtlich. Escobar hatte vier Stück Ende der 1970er-Jahren gemeinsam mit Kängurus, Flamingos und Giraffen für einen Privatzoo angeschafft. Nach dem gewaltsamen Tod des Koks-Königs 1993 landeten die übrigen Tiere in einem Zoo. Für die Nilpferde aber fühlte sich niemand zuständig. Und das hatte Folgen.

Wiesen fressen, Flüsse düngen

2.250 Quadratkilometer beträgt laut einer Studie der Päpstlichen Universität Xaveriana in Bogotá und des Humboldt-Instituts mittlerweile der Bewegungsradius der Tiere. Das entspricht knapp der Fläche des Bundeslands Vorarlberg. Mit einer Vermehrung auf mehr als tausend Stück binnen weniger Jahrzehnte rechnete schon 2020 die Universität von San Diego in einer anderen Untersuchung. Folgen für das Ökosystem sind bereits jetzt feststellbar. Schon 2020 wurden bei Forschungen mehr Nährstoffe und Cyanobakterien im Wasser rund um die Herde festgestellt, als in den Jahren zuvor üblich war.

Dass Nilpferde das Ökosystem um sich herum verändern, weiß man auch aus Afrika: Sie grasen außerhalb des Wassers viel Flora ab und düngen dafür die Flüsse massiv. Nur: In Afrika gehören Hippos zum natürlichen Ökosystem. In Kolumbien nicht. Zudem bedrohen die Tiere andere Arten, etwa die seltenen Rundschwanzseekühe. Und auch für Menschen sind die schweren, oft aggressiven Tiere mit den scharfen Zähnen gefährlich. In Kolumbien gab es bisher zwar nur einen Fall eines Angriffs, in Afrika gehen aber bis zu 500 Tote pro Jahr auf ihr Konto, berichtete die BBC 2016.

Aufregung um Abschuss

Allerdings haben Escobars Nilpferde auch viele Fürsprecher. Zu ihnen zählen nicht nur Naturschützer, sondern auch die örtliche Wirtschaft. Die Tiere haben sich – auch wegen einer Fülle von TV-Dokus über ihr Schicksal – zu einem Magneten für Touristinnen und Touristen entwickelt. 50 Euro kosteten Bootstouren auf dem Río Cocorná und dem Río Magdalena im Jahr 2020, heißt es in einem dpa-Bericht. In der Gegend um Escobars einstiges Anwesen hat sich eine ganze Industrie rund um die Tiere gebildet, ein steinernes Nilpferd ziert die Verkehrsinsel in einem Kreisverkehr.

Der Abschuss eines Tieres namens Pepe sorgte 2009 in Kolumbien für einen Aufschrei in der Gesellschaft und für allgemeines Entsetzen. Auch deshalb versuchte es die Regierung bisher mit vergleichsweise sanften Methoden. Operationen, mit denen die fast zwei Tonnen schweren Tiere sterilisiert werden sollen, kosteten allerdings bisher rund 100.000 US-Dollar (87.000 Euro) und umfassten nur elf Tiere. Mit den ebenfalls eingesetzten Verhütungsmitteln müssen die Tiere dreimal getroffen werden – ein zweites Mal ein Jahr nach dem ersten Einsatz, ein drittes Mal nach neun Jahren. Der administrative Aufwand dafür ist groß, die Ergebnisse bisher schwer feststellbar. Die Jagd könnte daher auf längere Sicht "die einzige Methode sein, die uns bleibt", wird David Echeverri von der Umweltschutzstelle Cornare in einem AFP-Bericht zitiert. (Manuel Escher, 8.2.2022)