Kritik an der Maskenpflicht ist laut OGH zwar legitim, aber keine "Weltanschauung", die besonders geschützt wird.

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Das Coronavirus sei "ungefähr so gefährlich wie das Influenzavirus", der Verfassungsgerichtshof habe zudem zahlreiche Maßnahmen der Regierung aufgehoben, betonte eine Pflegerin vor Gericht. Ihr Arbeitgeber, der Samariterbund Tirol, habe sie wegen ihrer Kritik an den Corona-Maßnahmen und ihrer Weigerung, eine Maske zu tragen, gekündigt – und damit aufgrund ihrer "Weltanschauung" diskriminiert.

Erfolgreich war die Frau mit dieser Argumentation allerdings nicht. In einer aktuellen Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof ihre Kündigungsanfechtung zurückgewiesen. Denn bloße Kritik an den Covid-19-Maßnahmen kann laut den Höchstrichterinnen und Höchstrichtern nicht als "Weltanschauung" gewertet werden, die vor Diskriminierung schützt. (OGH 25.11.2021, 9 ObA 130/21i)

Gleichbehandlungsgesetz

"Die Frau war als freie Mitarbeiterin in der Familien- und Jugendbetreuung tätig und wollte trotz wiederholter Aufforderung und Androhung von Konsequenzen keine Maske tragen", erzählt Jakob Widner, der den Samariterbund vor Gericht vertrat, dem STANDARD. Man habe zahlreiche Gespräche geführt, letztlich musste man das Arbeitsverhältnis aber beenden.

Unternehmen können ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an sich grundlos kündigen, sie müssen dabei nur die vorgesehenen Fristen einhalten. In bestimmten Fällen kann eine Kündigung allerdings vor Gericht angefochten werden – etwa dann, wenn das Arbeitsverhältnis wegen der Weltanschauung des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin beendet wurde. Rechtsgrundlage dafür ist das Gleichbehandlungsgesetz.

Sorge um Gesundheit

Darauf stützte sich auch die Mitarbeiterin im aktuellen Fall: Ihre Kritik am Maskentragen sei als "Weltanschauung" zu werten, ihre Meinung daher besonders geschützt. Sie habe nun mal die Ansicht, dass "Verfassungsgesetze eingehalten" werden sollten und sie nicht aufgrund der "Sorge um ihre körperliche Gesundheit" aus dem Dienstverhältnis entfernt werden dürfe.

Da die Frau als freie Mitarbeiterin beschäftigt war, konnte sie ihre Kündigung nur wegen Diskriminierung anfechten, erzählt Widner. Bereits das Tiroler Erstgericht wies die Klage ab: Die Aussagen der Frau seien zwar Argumente gegen das "Maskentragen", jedoch keine "Weltanschauung".

Ganzheitliches Lebensverständnis

Der Oberste Gerichtshof hat diese Entscheidung nun bestätigt. Denn der Begriff der "Weltanschauung" sei eng mit dem Begriff der "Religion" verbunden. Es handle sich dabei um eine "Sammelbezeichnung für alle ideologischen, politischen und ähnlichen Leitauffassung von der Welt als einem Sinnganzen". Es gehe um das "individuelle Lebensverständnis". Kritische Auffassungen über bestimmte Verordnungen oder Gesetze werden vom Begriff nicht erfasst. Das habe der OGH bereits in vergangenen Entscheidungen klargestellt. So sei etwa auch die Kritik an der Asylgesetzgebung keine Weltanschauung.

Dem Argument der Frau, dass "Verfassungsgesetze eingehalten werden sollen", pflichtet der Oberste Gerichtshof wenig überraschend bei. Auch die Sorge um die eigene Gesundheit sei nachvollziehbar. Mit einer Weltanschauung habe das alles aber nichts zu tun. Eine mögliche Diskriminierung musste daher gar nicht erst geprüft werden.

"Ungeimpft" ist keine Weltanschauung

Der Oberste Gerichtshof hat in der aktuellen Entscheidung zum ersten Mal klargestellt, dass bloße Kritik an Corona-Maßnahmen nicht als Weltanschauung zu werten ist. Das Argument der "Weltanschauung" wird insbesondere von Impfgegnern vorgebracht und dürfte auch bei der Bekämpfung der Impfpflicht vor dem Verfassungsgerichtshof eine Rolle spielen. Der EGMR hat eine Einstufung von Impfkritik als Weltanschauung in seiner Entscheidung zur Impfpflicht in Tschechien abgelehnt. (Jakob Pflügl, 8.2.2021)