Multitalentiertes Unikat in der Sportwelt: die Tschechin Ester Ledecká.

Foto: imago images/CTK Photo

Ticken die Uhren in Tschechien anders? Hat der Tag an der Karlsbrücke mehr als 24 Stunden? Es muss so sein. Wie sonst ließe sich die Karriere von Ester Ledecká erklären? Bei den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang gewann die Sportskanone Gold im Super-G der Skirennläuferinnen und im Parallel-Riesenslalom der Snowboarderinnen. Das ist im Grunde nicht zu glauben, ein absolutes Ding der Unmöglichkeit. Und schon gar nicht lässt sich so ein historischer Erfolg vier Jahre später wiederholen. Oder doch? Teil eins hat Ledecká am Dienstag mit Bravour erledigt, in Zhangjiakou gewann die 26-Jährige auf dem Snowboard erneut Gold im Parallelrennen. Der Super-G auf zwei Brettern folgt am Freitag, die Abfahrt am kommenden Dienstag. Wetten Sie besser nicht gegen diese Frau.

Die Schneekönigin wurde 1995 in Prag geboren, der Sport wurde ihr sozusagen mit dem Fläschchen gegeben. Mutter Zuzana war Eiskunstläuferin, Großvater Jan Klapáč wurde 1972 Weltmeister mit dem tschechoslowakischen Eishockeyteam. Vater Janek passt nicht ganz ins Konzept, er ist Sänger und Komponist. Seine Umsetzung von Shakespeares Hamlet als Rockoper ist tatsächlich eine Tragödie.

Vom Trotzkopf zur dreifachen Olympiasiegerin

Im Riesengebirge lernte die kleine Ester den Rennsport kennen. Das Multitalent des Stöpsels war nicht zu verkennen, schien auf dem Weg zu großen Erfolgen aber zunächst hinderlich. Trainer wollten dem Teenager die Flausen austreiben, sie zum einen oder anderen Sport bringen. Aber so eine 14-Jährige lässt sich einfach nichts sagen, weiß alles besser, will in zwei Sportarten Weltklasse werden. Die wird schon sehen.

Mittlerweile ist der Trotzkopf nicht nur dreifache Olympiasiegerin, sondern auch zweifache Snowboard-Weltmeisterin (2015 am Kreischberg und 2017 in der Sierra Nevada) und viermalige Gewinnerin des Parallel-Weltcups (2016 bis 2019). Zwanzig Weltcuprennen hat Ledecká auf dem Snowboard gewonnen, zwei bei den Alpinen. "In beiden Disziplinen geht es den Berg runter. Unterschiedlich ist nur die Ausrüstung", sagt die Ausnahmekönnerin, als gäbe es nichts Leichteres auf der Welt, als wären Snowboard und Ski nicht zwei Paar Schneeschuhe.

"Ich weiß, dass ich nach vorn schauen muss, viel Zeit bleibt nicht", sagt Ledecká im Genting Snow Park. Während sie 2018 in Pyeongchang immerhin eine Woche Zeit zur Umstellung zwischen den Disziplinen hatte, bleiben ihr diesmal heiße zwei Tage. Nein, auf Unikate wird bei den Spielen keine Rücksicht genommen, das Programm wird durchgepeitscht. Ledecká: "Ich will einfach Spaß haben und zeigen, wofür ich vier Jahre lang trainiert habe. Ich bin ja schon froh, dass die Bewerbe nicht am selben Tag stattfinden." (Philip Bauer, 8.2.2022)