Es war ein ziemlicher Klescher: Ende vergangener Woche veröffentlichte die Laufplattform "Run Austria" einen Bericht, dem zufolge die einstige Spitzenläuferin und seither als Trainerin sehr umtriebige Elisabeth Niedereder wegen eines Dopingvergehens für vier Jahre gesperrt sei.

Die Vielfachstaatsmeisterin, stand da, sei rückwirkend und bis Ende Mai 2025 von der Teilnahme an allen Bewerben ausgeschlossen. Außerdem würden ihre Bewerbsergebnisse ab 2015 gestrichen: Österreich müsse deshalb sogar eine Goldmedaille rückwirkend zurückgeben.

Auf der Seite der österreichischen Anti-Doping-Organisation Nada wird die Sperre bestätigt. Und bei der Athletics Integrity Unit, quasi der internationalen Dachorganisation über der Nada, findet man den Grund: "Possession of a prohibited substance, use of a prohibited substance." Genauer: "Possession & use of EPO, Genotropin /Omnitropin & Testosterone."

Foto: imago/HJS

Dass derlei alles andere als ein Orden ist, ist klar. Doping ist kein Kavaliersdelikt (mangels einer etablierten weiblichen Form von "Kavalier" gilt hier die männliche Variante wohl geschlechtsneutral.)

Dementsprechend hoch schlugen die Wellen der Empörung.

In der Welt des Liga- und Elitesports ist das klar und nachvollziehbar. Nicht nur wegen der Verzerrung von Ergebnissen und Rankings, sondern auch wegen der Vorbildwirkung von Sportlerinnen und Sportlern. Und auch wegen des Generalverdachts, den ein Überführter – oder in diesem Fall eine Überführte – gegenüber allen Athletinnen und Athleten nährt: Leistungen, die für "Normalos" nicht nachvollziehbar sind, wirken so plötzlich "verständlich".

(Im Bild: Niedereder bei einer Videotalk-Aufzeichnung im Jahr 2021 – als sie noch "Everybody's Darling" war.)

Foto: ©www.wemove.at/steinacher

Deswegen gibt es auch drastische Regeln, die für Doperinnen und Doper neben Sperren, Titelaberkennungen und etwaigen Pönalen und Rückzahlungsforderungen ihrer Sponsoren und Partner schlagend werden: Wegen Dopingvergehen gesperrte Personen dürfen mit Sportlerinnen und Sportlern keinen beruflichen Kontakt haben. Auf Deutsch: Sie dürfen auch nicht als Trainerinnen oder sonst wie im Sportumfeld "betreuend" aktiv sein. Sind sie es doch, werden die von ihnen betreuten Personen ebenfalls (beinahe) wie Doper behandelt – und dürfen zum Beispiel nicht bei Bewerben antreten.

Und spätestens hier wird die Sache dann auch für Nicht-Elite-Sportler interessant: Elisabeth Niedereder hat in den letzten Jahren, nach dem Ende ihrer Leistungsportkarriere, mit Tristyle ein gut gehendes, in der Jedermensch-Lauf- und -Triathlonszene sehr präsentes Label aufgebaut. Auch mit den Adidas-Runners war sie immer wieder unterwegs.

Hoppla!

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In dem Moment, in dem der "Run Austria"-Artikel online ging, geschah, was in solchen Fällen immer passiert: In den sozialen Medien brach eine Welle der Empörung aus, die binnen kurzer Zeit auch in die "echte" Medienwelt schwappte.

Kein Wunder: "Lissi" Niedereder war in ihrer aktiven Zeit eine der erfolgreichsten Läuferinnen des Landes. Ihre selbstbewusste Art – egal ob im Wettkampf oder bei PR- und Medienauftritten – war nicht jedermanns Sache. Und so, wie sie Tristyle auf dem Markt etablierte und führte, trat sie etlichen etablierten "Playern" auf die Zehen. Die meisten Menschen in der heimischen Laufwelt – mich eingeschlossen – waren überrascht bis entsetzt, als die Sache nun publik wurde.

Aber auf Social Media geschah, was dort immer geschieht: Ein Shitstorm brach los. Und bekam jene Eigendynamik, die jeder Hexenjagd seit jeher innewohnt: Plötzlich hatte es eh jeder schon immer gewusst.

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Während es online "abging", fehlte doch eins. Oder eigentlich: zweierlei. Erstens: Elisabeth Niedereder selbst kam nirgendwo zu Wort. Nachvollziehbar: In solchen Fällen wirkt eine knappe Wortmeldung oft wie ein Brandbeschleuniger.

Aber auch in den "offiziellen" Artikeln stand nicht wirklich genau, was Niedereder wann genau wie getan habe. Und bei Nada und AIU war außer dem Verdikt wenig zu finden.

Wieso das nicht unwichtig ist? Laut Anti-Doping-Reglement wiegt der Besitz von Dopingmitteln ebenso schwer wie aktives Dopen. Etliche Dopingmittel sind rechtlich Drogen. Besitz oder gar Weitergabe sind Straftatbestände.

Und war da nicht irgendwo – zumindest kurz – gestanden, dass Niedereder neben der Sperre demnächst auch noch strafrechtliches Ungemach bevorstehen würde? Öha!

Foto: www.wemove.at/steinacher

Aus alledem ließe sich eine wunderschöne Raubersg'schicht basteln. Vom tiefen Fall des einst schillernden Sterns. Legitimiert durch die offizielle und amtlich veröffentlichte Sperre. "Possession & use". Steht ja sogar bei der AIU.

Trotzdem: Irgendwas passte da nicht.

Also schrieb ich Lissi an: "Bist du …?" und "Hast du …?"

Sie antwortete rasch – sagte aber zunächst nur, dass "das nicht so einfach sei". Und auch nicht in einem Halbsatz zu erklären.

Also plauderten wir länger. Online, mit ihrem Anwalt – Johannes Öhlböck – als "Beisitzer". Damit sich jeder und jede selbst ein Bild machen kann.

Selbst gedopt, betont Niedereder, habe sie nie. Dopingmittel besessen und gehortet aber sehr wohl: "Ja, das war dumm. Ein schwerer Fehler."

Alles andere soll sie aber selbst erzählen. (Tom Rottenberg, 9.2.2022)

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Update 10.2. 10:30 – eine Klarstellung von Tom Rottenberg:

- ich bin mit Elisabeth Niedereder weder befreundet noch habe ich sonst eine wie auch immer geartete private oder geschäftliche Beziehung zu oder mit ihr. Sie ist nicht meine Trainerin, ich bin kein Kunde von Tristyle und hatte und habe außer journalistisch-läuferisch keinerlei Kontakt zu und mit ihr.

- Standard-Autoren (und schon gar keine externen Autoren wie ich einer bin) haben keinen Zugriff auf die Posting-Löschtaste. Den hat ausschließlich die Forenmoderation – und das aus gutem Grund.

- im Artikel kommen sämtliche Vorwürfe gegen Niedereder vor. Es wird auf alle dafür relevanten Quellen und Medien verwiesen und auch verlinkt. In einigen dieser Quellen werden eventuell bevorstehende strafrechtliche Konsequenzen für Elisabeth Niedereder zumindest angedeutet. In keiner dieser Quellen wird präzisiert, ob Niedereder Konsum und Besitz nur vorgeworfen werden, und ob beides nachgewiesen wurde, oder ob lediglich einer dieser Umstände belegt oder eingestanden wurde. An der Deliktart "Dopingverstoß" ändert das nichts, hier nachzufragen entspräche aber aber dem journalistischen Sorgfaltsgebot.

- Elisabeth Niedereder sagt, sie sei vor dem Standard von keinem Medium diesbezüglich befragt worden.

- sie betont (und schickte dazu auch ein Dokument), dass alle strafrechtlichen Untersuchungen in diesem Zusammenhang bereits im Oktober 2020 eingestellt worden seien.

- sie beantwortet im Interview alle Fragen, respektive geht von sich aus auf von Postern als "fehlend" monierte Fragen (zB ihre Motivation Dopingmittel zu besorgen) ein.

- das Gespräch dauerte in der Langfassung über 30 Minuten

DER STANDARD

Update, 14.2.

Die Nada Austria hat uns eine Klarstellung zur Causa geschickt. (s.o.)

Foto: DER STANDARD