Greiderer läuft zu Bronze.

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Greiderer hat über die zehn Kilometer in der Loipe alles gegeben. Ihm wurde im Ziel schwarz vor Augen, er sprach von einer "Nahtoderfahrung".

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"I werd lafn, bis i speib." Lukas Greiderer kündigte an, sich komplett zu verausgaben. Es wurde nur eine "Nahtoderfahrung". Der Kombinierer gewann am Mittwoch in einem packenden Wettkampf bei seinem ersten Olympia-Auftritt seine erste Medaille. 500 Meter vor dem Ziel lag er auf Platz zwei. 400 Meter vor dem Ziel war er Vierter. Im Ziel war er platt – und Bronzemedaillengewinner.

"Es war ein scheißhartes Rennen", sagte Greiderer nach dem Lauf über zehn Kilometer in der Pressezone des Langlaufzentrums von Zhangjiakou. "Ich habe mich in meinem Leben noch nie so verausgabt. Die Medaille bedeutet mir alles. Ich könnte nicht glücklicher sein."

Selten war es zuletzt für Greiderer auf der Schanze so gut gelaufen wie am Mittwoch. Der Tiroler kam auf 103,5 Meter, er sprach vom "besten Sprung zum richtigen Zeitpunkt". Als Zweiter ging er in die Loipe, 38 Sekunden Rückstand auf den schwachen Läufer Ryota Yamamoto machte er schon in der ersten von vier Runden wett. Greiderer übernahm mit dem deutschen Duo Johannes Rydzek und Julian Schmid die Führungsarbeit. Immer wieder klopfte er sich auf die Oberschenkel. "Ich war eine Spur zu kalt angezogen." Seine Beine hätten sich "nicht ganz fit" angefühlt: "Mir ist extrem viel Laktat eingeschossen. Es hat sich gelohnt."

Kein Fischfutter

Der Deutsche Vinzenz Geiger und der Norweger Jörgen Graabak schlossen im letzten kurzen Anstieg den Abstand der Verfolgergruppe und gingen an Greiderer vorbei. "Das war eine Schrecksekunde", sagte Greiderer, der von den Konkurrenten überrumpelt wurde. Er dachte sich: "Bevor ich jetzt Vierter werde und alles für die Fisch war, hau ich mich noch einmal rein."

Greiderer zog noch einmal an, während Kontrahent Rydzek, mit dem er den Großteil des Rennens gemeinsam gelaufen war, einbrach. Völlig entkräftet ging Greiderer im Zielbereich zu Boden und blieb zwei Minuten liegen. Er habe lange schwarz gesehen. Teamkollege Franz-Josef Rehrl, der Neunter wurde, musste ihn stützen. Greiderer trocken: "Ich denke, es war ziemlich spannend zum Anschauen. Heute hat alles gepasst."

Dass Greiderer, der bisher in seiner Karriere dreimal auf das Weltcup-Podest gelaufen war, und nicht Johannes Lamparter für eine österreichische Medaille sorgte, ist eine Überraschung. Nach den Ausfällen des langjährigen Dominators Jarl Magnus Riiber und des dreifachen Olympioniken Eric Frenzel aufgrund von positiven Corona-Tests galt der Weltcup-Führende als Favorit. Er vergab jedoch mit einem mäßigen Sprung eine größere Chance auf eine Medaille. "Ob ich Vierter oder 21. werde, ist wurscht", sagte Lamparter. "Ich gehe heute leer aus, schade. Ich werde zurückschlagen."

"Cooler, junger Bursch"

Österreichs Sportdirektor Mario Stecher freute sich über ein "sensationelles Ergebnis" des gesamten Teams. Lamparter fehlten auf Bronze etwas mehr als drei Sekunden, Martin Fritz wurde Zwölfter. Stecher: "In den entscheidenden Momenten hatte Luki Steherqualitäten." Greiderer sei ein "cooler, junger Bursch", sagte Stecher über den 28-Jährigen. Und weiter: "Auf der anderen Seite ist er sehr sensibel. Er geht oft seinen eigenen Weg, hat seinen eigenen Kopf. So soll es auch sein."

Wenig später sagte Greiderer darauf angesprochen: "Ich bin ein grader Michl. Ich mag keine falschen Leute. Das war mir immer schon wichtig." Er spreche Dinge an, die sich viele womöglich nur denken würden. Nun besitzt er eine Medaille, die sich viele nur wünschen können. Österreichs Kombinierer holten seit den Winterspielen 2002 immer mindestens eine Medaille.

Als Kontaktperson des infizierten Frenzel musste sich Olympiasieger Geiger bis zum Wettkampf isolieren. Er durfte nicht mit dem Lift auf die Sprungschanze fahren. Zudem brachte ihn ein Taxi versehentlich zum Snowboard-Gelände, nicht zum Kombi-Training.

Glücklich schätzen

"Anscheinend haben mich diese Einschränkungen noch heißer gemacht. Ich habe beschissene Tage hinter mir, aber ich muss an meine beiden Kollegen denken, die in der Isolation hängen – da kann ich mich glücklich schätzen", sagte Geiger in Richtung Frenzels und des ebenfalls infizierten Teammitglieds Terence Weber.

Die Kombinierer haben nun einen Tag Pause, danach beginnt das Training für den Einzel-Bewerb auf der Großschanze am kommenden Dienstag. Zwei Tage später steigt der Teamwettkampf. (Lukas Zahrer aus Zhangjiakou, 9.2.2022)

Final-Ergebnisse der Olympischen Spiele in Peking am Mittwoch:

Nordische Kombination – Einzel, Normalschanze:
1. Vinzenz Geiger (GER) 25:07,7 Min.
2. Jörgen Graabak (NOR) +0,8
3. Lukas Greiderer (AUT) +6,6
4. Johannes Lamparter (AUT) +9,0

5. Johannes Rydzek (GER) +21,8
6. Ilkka Herola (FIN) +25,4
7. Akito Watabe (JPN) +32,4
8. Julian Schmid (GER) +5,2
9. Franz-Josef Rehrl (AUT) +1:09,6 Min.
10. Jens Luraas Oftebro (NOR) +1:42,5.

Weiter:
12. Martin Fritz (AUT) +1:45,7