Innenraum von JET mit darübergelegter Plasmaaufnahme. Der nun erzielte Erfolg stellt einen bedeutenden Schritt in Richtung Fusionskraftwerk dar.
Foto/Illustration: UKAEA

Europäische Forschende haben auf dem Weg zur Erzeugung von Energie durch Kernfusion einen entscheidenden Zwischenerfolg erzielt: In der weltgrößten Fusionsanlage JET im britischen Culham bei Oxford ist es gelungen, stabile Plasmen mit einer Energieausbeute von 59 Megajoule herzustellen. Das internationale Team nutzte dabei jenen Brennstoff, der bei künftigen Fusionskraftwerken zum Einsatz kommen soll. Es waren weltweit die ersten Experimente dieser Art seit mehr als 20 Jahren.

Fusionskraftwerke sollen nach dem Vorbild der Sonne die Wasserstoff-Isotope Deuterium und Tritium verschmelzen und dabei große Energiemengen freisetzen. Die einzige Anlage weltweit, die derzeit mit einem solchen Brennstoff arbeiten kann, ist das europäische Gemeinschaftsprojekt JET, der Joint European Torus. Die letzten Experimente mit dem Brennstoff künftiger Fusionskraftwerke liefen dort allerdings bereits 1997.

Weil Tritium ein sehr selten vorkommender Rohstoff ist, der zudem besondere Anforderungen bei der Handhabung stellt, nutzen Forschungsteams ansonsten meist Wasserstoff oder Deuterium für Plasmaversuche. In späteren Kraftwerken soll Tritium während der Energieerzeugung quasi nebenbei aus Lithium gebildet werden.

Zehnmal mehr Energie als investiert wird

"Die Physik in Fusionsplasmen können wir sehr gut erforschen, indem wir mit Wasserstoff oder Deuterium arbeiten, deshalb ist das der Standard weltweit", sagt Athina Kappatou vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP), die mit ihren Kollegen Philip Schneider und Jörg Hobirk wesentliche Teile der europäischen Gemeinschaftsexperimente am JET leitete. "Für den Übergang zum internationalen Fusionsgroßexperiment ITER ist es allerdings wichtig, dass wir uns auf die dort herrschenden Bedingungen vorbereiten." ITER wird derzeit im südfranzösischen Cadarache gebaut und soll unter Einsatz von Deuterium-Tritium-Brennstoff zehnmal so viel Energie freisetzen können, wie an Heizenergie ins Plasma eingespeist wird.

Die Fusionsanlage JET im britischen Culham bei Oxford von außen.
Foto: UKAEA

Um das JET-Experiment möglichst nahe an künftige ITER-Bedingungen zu bringen, wurde von 2009 bis 2011 bereits die frühere Kohlenstoff-Auskleidung des Plasmagefäßes durch eine Mischung aus Beryllium und Wolfram ersetzt, wie sie auch bei ITER geplant ist. Das Metall Wolfram ist widerstandsfähiger als Kohlenstoff, der überdies zu viel Wasserstoff einlagert. Allerdings stellt die nun metallische Wand neue Anforderungen an die Qualität der Plasmasteuerung. Die jetzigen Experimente zeigen die Erfolge der Forscherinnen und Forscher: Bei Temperaturen, die zehnmal höher sind als diejenigen im Zentrum der Sonne, wurden Rekordwerte an erzeugter Fusionsenergie erreicht.

Über 20 Jahre alter Rekord

Vor dem Einbau der metallischen Wand hatte JET 1997 den bis dato geltenden Energieweltrekord erreicht: Das Fusionsplasma erzeugte damals eine Energiemenge von 22 Megajoule. "In den jüngsten Experimenten wollten wir beweisen, dass wir sogar unter ITER-ähnlichen Bedingungen deutlich mehr Energie erzeugen können", erklärt Kappatou. Mehrere hundert Wissenschafterinnen und Wissenschafter waren an der jahrelangen Vorbereitung der Versuche beteiligt. Mit theoretischen Methoden berechneten sie vorab, mit welchen Parametern sie das Plasma erzeugen mussten, um ihre Ziele zu erreichen.

Video: Fusionsanlage JET stellt neuen Energieweltrekord auf.
EUROfusion

Die Experimente bestätigten Ende 2021 die Voraussagen und lieferten einen neuen Weltrekord: JET erzeugte mit Deuterium-Tritium-Brennstoff stabile Plasmen, die eine Energie von 59 Megajoule freisetzten. Bei dem Rekordexperiment setzten die Fusionsreaktionen in JET während einer fünf Sekunden langen Phase einer Plasmaentladung ihre Energie in Form von Neutronen frei. In der Einheit Leistung (Energie pro Zeit) ausgedrückt erreichte JET etwas mehr als 11 Megawatt im Durchschnitt über fünf Sekunden. Der bisherige Energierekord aus dem Jahr 1997 lag bei 4,4 Megawatt Leistung im Durchschnitt über fünf Sekunden.

Wichtiger Schritt Richtung ITER

Um Netto-Energie zu gewinnen – also mehr Energie freizusetzen, als die Heizungen liefern–, ist die experimentelle Anlage zu klein. Dies wird erst mit dem größer dimensionierten Experiment ITER in Südfrankreich möglich sein. "Die jüngsten Experimente im JET sind ein wichtiger Schritt hin zu ITER", meint Sibylle Günter vom IPP. "Was wir in den vergangenen Monaten gelernt haben, wird es uns erleichtern, Experimente mit Fusionsplasmen zu planen, die wesentlich mehr Energie erzeugen, als für ihre Heizung benötigt wird." (red, 9.2.2022)