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Janine Flock ist zweifache Gesamtweltcupsiegerin und dreifache Europameisterin.

Foto: REUTERS/Edgar Su

Janine Flock wird beim ersten von vier Läufen am Freitag (2.30 Uhr, ORF 1) einen österreichischen Rennanzug tragen. Okay, jetzt denken Sie vermutlich: Danke, Captain Obvious, was soll die Tiroler Skeletoni denn sonst anziehen? Nun ja. Bei der Generalprobe auf der Olympiabahn in Yanqing im Herbst trat Flock in einem deutschen Rennanzug an.

"Ein paar Hoppalas"

Der Reißverschluss ihrer geplanten Kleidung zerriss, und ausgerechnet diesmal hatte sie keinen Ersatz dabei. Eine deutsche Kollegin half aus. "Der Testevent verlief eigenartig", sagt Flock dem STANDARD. Ihr Team habe erst danach herausgefunden, dass die Liegeposition am Schlitten falsch eingestellt war. Auch deswegen sei Platz 17 nicht überzubewerten. "Es sind ein paar Hoppalas passiert."

Auch danach. Anfang November erlitt die 32-Jährige einen Bandscheibenvorfall. Der Weltcupauftakt verlief mühsam. Die Formkurve stimmt aber. Zu Silvester gewann sie in Sigulda, Lettland, zwei Wochen später mit Silber in St. Moritz das zehnte EM-Edelmetall in Folge. Natürlich peile sie ihre erste Olympia-Medaille an, sagt die Athletin. "Aber ich möchte einfach mein bestes Potenzial abrufen." Sie sehe den langen Prozess dahinter.

Need for Speed

Flock wurde 1989 in Hall geboren und lebt in Rum. Ihr Hauptschullehrer hat sie 2004 erstmals zu der Sportart gebracht, die Eisbahn im nahen Innsbruck-Igls ans Herz gelegt. Beim zweiten Mal musste ihre Mutter sie überzeugen, sie zögerte.

Verständlich: Die Sportlerinnen sausen mit bis zu 145 Stundenkilometern durch den Eiskanal. Kopf voran, nur wenige Zentimeter über dem pickelharten Eis. Bäuchlings auf dem Schlitten – vielleicht trifft Flock deshalb gern Bauchentscheidungen. Sie beschreibt sich als schüchtern, aber als "kontrollierter Adrenalinjunkie. Die Kombination von Geschwindigkeit und der Fähigkeit, diese optimal zu kontrollieren", fasziniert sie.

Janine Flock bestreitet ihre dritten Olympischen Spiele. 2018 verpasste sie Bronze um zwei Hundertstel. Diese verpasste Medaille will sie diesmal nachholen.
Foto: APA/EXPA/JOHANN GRODER

Flock mutierte rasch zum österreichischen Aushängeschild, ist dreifache Europameisterin und hat drei WM-Medaillen. Einzig Olympia-Edelmetall fehlt noch. 2014 sorgte ein Drohbrief gegen sie für Unruhe. 2018 war sie nach dem dritten Lauf vorn, nach dem vierten Vierte, zwei Hundertstel hinter Bronze. Erfahrungen, die sie prägten. "Zweifel sind ein ständiger Begleiter", sagt sie. Nach Pyeongchang überlegte sie, aufzuhören. Sie fühlte sich vom Bob- und Skeletonverband nicht ausreichend unterstützt.

Teamwork

Heute sagt sie: "Ich habe eine gute Gesprächsbasis mit dem ÖBSV, aber ich habe mich freigekämpft. Ich verlasse mich eigentlich auf nichts." Sie habe ihr eigenes Umfeld kreiert. Im Mittelpunkt: Matthias Guggenberger, ihr Trainer und Freund. Eine Herzensentscheidung. Der Ex-Olympia-Skeletoni ist Nationaltrainer von Lettland, so entstand eine Trainingsgemeinschaft mit Martins und Tomass Dukurs.

Das ist die sportliche Seite. Dann gibt’s noch die finanzielle. Eine Skeleton-Saison ist teuer. Zahlen seien schwer zu nennen, aber mit 5.250 Euro für den Gesamtweltcupsieg 2021 komme man nicht weit. Wie kann man in einer Randsportart mit den Topleuten mithalten? Als Heeressportlerin erhält sie ein Grundgehalt. Sponsoren decken den Rest ab. Deren Geld fließe postwendend in das Material, das sich in den vergangenen Jahren rasend schnell entwickelt hat. Wer sich etwas damit beschäftigt, fühlt sich an die Tüfteleien in der Formel 1 erinnert.

"Wir haben härter arbeiten müssen als andere Teams", sagt Flock. "Matthias’ Job müsste man normalerweise auf vier Leute aufteilen." Es gelte stets abzuwägen, welche Innovation sich auszahle und welche nicht. Und man müsse kreativ sein: "Unsere Heimwerkstatt steht im Keller meines Elternhauses." Hier fallen Kopfentscheidungen.

"Bissl dort, bissl da geht nicht"

Freizeit bleibt wenig übrig. "Wir sind recht unsozial", sagt Flock und lacht. Abschalten kann sie mit Bruder oder Schwester beim Waldbaden oder auf der Slackline. Ihre Trainerinnenausbildung hat die Bürokauffrau abgeschlossen, ihr Bachelorstudium Business und Management auf Eis gelegt. "Bissl dort, bissl da geht nicht." Der volle Fokus liege auf dem Sport.

Also zurück dorthin: Flock fährt seit 2018 auf einem selbstentwickelten Schlitten. Die Firma Rathgeber, ein Spezialist für Formen- und Anlagenbau, hilft bei der Ideenumsetzung. Im Herbst testete die Tirolerin noch im Windkanal, konnte die Karbonschale, die das Gefährt umrahmt, aerodynamischer gestalten. Im Abschlusstraining am Mittwoch war sie Dritte. "Und jetzt kann ich eh nur noch schauen, was passiert." (Andreas Gstaltmeyr, 10.2.2022)

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