Wien – Ein neues Phänomen geistert durch die Medien: Unter dem Schlagwort "Great Resignation" war zuletzt häufig die Rede davon, dass Millionen Beschäftigte in den USA ihre Jobs hingeschmissen haben. An die 30 Millionen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen haben innerhalb eines Jahres freiwillig ihren Arbeitsplatz verlassen – von insgesamt 150 Millionen.

Doch wie sieht es hierzulande aus? Zahlen, wie viele Menschen tatsächlich freiwillig das Weite gesucht haben, gibt es nicht, aber die Stimmung dürfte bei vielen Beschäftigten schlecht sein. Das legt der aktuelle – von Sora und Ifes im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich erhobene – Arbeitsklimaindex nah.


In Gastronomie und Hotellerie ist die Arbeitszufriedenheit traditionell nicht unbedingt überschießend. Derzeit ist sie auf dem Tiefpunkt.
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Nie zuvor in diesem Jahrtausend war das Unbehagen der Beschäftigten in Österreich so groß. Corona, Zeitdruck, Verdichtung – ständige Bedrängnis verleidet laut den Erhebungen den Job. In manchen Branchen ist die Arbeitszufriedenheit so gering wie seit Beginn der Erhebung im Jahr 1997 nicht. Auch hierzulande denken deswegen immer mehr Menschen über eine berufliche Veränderung nach, sagt Sora-Experte Daniel Schönherr bei der Präsentation.

Am Absprung

Waren es im Jahr 2015 noch durchschnittlich 16 Prozent und kurz vor der Corona-Pandemie ein Fünftel, so denken derzeit 26 Prozent der Beschäftigten – und somit mehr als ein Viertel – darüber nach, ob sie in eine andere Firma wechseln oder überhaupt einen ganz anderen Beruf ausüben wollen. Besonders hoch ist der Anteil der Wechselwilligen übrigens bei jenen, die sich gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt ausrechnen wie etwa bei Hochschulabsolventen und jungen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Aber auch Beschäftigten in Branchen, die schon lange unter hoher Fluktuation leiden wie Gastronomie und Tourismus, würde der Abschied vom aktuellen Arbeitgeber leichtfallen.

Wer will und wer kann

Der Anteil jener, die sich einen neuen Job suchen wollen, ist übrigens in den vergangenen zwei Jahren im Verkehrs- und Nachrichtenwesen am stärksten gestiegen – von knapp einem Fünftel auf ein Drittel. Berufsfahrer sowie Zusteller sind hier mit den am Arbeitsmarkt gefragten IT-Fachleuten zusammengefasst. Während Letztere ebenfalls auf eine Verbesserung ihrer Jobsituation hoffen, wollen Erstere vor allem der Plackerei und dem vor allem durch den Online-Boom während der Corona-Monate gestiegenen Stress entfliehen, sagt Schönherr.

Auch im Handel sind viele ausstiegswillig.
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Auch bei jenen, die in den vergangenen zwei Jahren oft an vorderster Front gestanden sind – im Gesundheits- und Sozialbereich sowie im Handel –, hat sich der Wunsch nach Veränderung in den Vordergrund gedrängt. Im Handel etwa zeigen sich 28 Prozent wechselwillig. Mehr als ein Drittel der Pflegekräfte klagt über ständigen Arbeits- und Zeitdruck, mehr als ein Viertel über eine emotional belastende Tätigkeit. Andere seien vom laschen Umgang mit den Corona-Maßnahmen im Betrieb frustriert.

Keine Überraschung gibt es bei einer Auswertung für Gastronomie und Hotellerie. 41 Prozent sind absprungbereit – damit ist die Branche Spitzenreiter. Die Arbeitszufriedenheit war aber schon vor der Krise mau, erinnert Ifes-Experte Reinhard Raml. 37 Prozent gaben an, den Job wechseln zu wollen.

Kaum Lichtblicke

Verstärkt hat sich die Unzufriedenheit mit dem Einkommen. Nur 40 Prozent sind mit dem Salär zufrieden. Den absoluten Tiefstand erhob man übrigens in der Tourismushochburg Tirol. Ifes-Forscher Raml findet "kaum bis gar keine Lichtblicke in den Daten". AK-OÖ-Präsident Andreas Stangl zieht ebenfalls seine Schlüsse: "Wenn Unternehmen klagen, dass sie keine geeigneten Fachkräfte finden, müssen sie die Gründe dafür im eigenen Haus suchen." (rebu, 10.2.2021)