Wien – Elf Ärzte der Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Klinik Hietzing haben eine Gefährdungsanzeige eingebracht, weil sie massive Personalengpässe in ihrem Bereich sehen. Man habe schon im Sommer darauf hingewiesen, aber es sei nichts passiert. Man wolle sich "nicht länger in Situationen bringen lassen, die letztendlich für alle Beteiligten fahrlässig sind", heißt es in einem Schreiben, aus dem der Kurier zitiert hat.

"Die Lage in der Klinik Hietzing ist sehr angespannt", pflichtet Helmut Krönke, Fachgruppenobmann der Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Wiener und der Österreichischen Ärztekammer bei. Er selbst ist Wahlarzt im niedergelassenen Bereich. Einerseits würden die Folgen der Pandemie die Situation verschärfen, weil man mehr Depressionen, Ess- und Angststörungen beobachte. Auf der anderen Seite sei die Kinder- und Jugendpsychiatrie der Klinik Floridsdorf nie in Vollbetrieb gegangen. Dieser Umstand erhöhe den Druck im Hietzinger Spital.

Eine Gefährdungs- oder Überlastungsanzeige dient dazu, Vorgesetzte über organisatorische Mängel in Kenntnis zu setzen, wenn mögliche Schäden zu befürchten sind. Dies kann in der Folge bei Haftungsfragen relevant sein. Nach Auskunft des Gesundheitsverbund Wigev ist der oder die Vorgesetzte dann verpflichtet, "entsprechende Schritte einzuleiten um die Situation zu verbessern". Die Überlastungs- und Gefährdungsanzeige bleibe im Unternehmen und diene der Verbesserung der internen Unternehmensstruktur.

Neuer Ausbildungsschlüssel

Zur Personalnot teilte der Gesundheitsverbund teilte mit, dass man sich des Fachärztemangels in der Kinder- und Jugendpsychiatrie bewusst sei. Dieser betreffe ganz Österreich. An der Klinik Hietzing seien in dem Bereich derzeit 2,5 Stellen vakant. Am Montag legte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) eine Novelle der Ärzte-Ausbildungsordnung vor, mit der der Ausbildungsschlüssel geändert wird. Zur Entlastung an der Klinik sei 2021 eine Aufstockung der Dienststellen in Bereichen erfolgt, welche die Kinder- und Jugendpsychiatrie entlasten können – unter anderem im Bereich der Pädiatrie und der Psychologie, hieß es weiter vom Wigev.

Druck in allen Bereichen

In den Krankenhäusern können aber ohnehin nur die ganz akuten Fälle Behandlungen erhalten, etwa wegen Suizid- oder Fremdgefährdung oder Psychosen, sagt Kinder- und Jugendpsychiater Krönke. Alles Weitere müsse im niedergelassenen Bereich aufgefangen werden.

Auf einen Therapieplatz auf Kasse bestehe aber auch dort eine Wartezeit von drei bis vier Monaten, selbst im Wahlarztsektor seien viele Praxen übervoll. "Das Problem ist, dass sich die Leiden der Kinder und Jugendlichen in der Wartezeit chronifizieren", sagt Krönke. Es brauche massiv Unterstützung von anderen Berufsgruppen, zum Beispiel mehr Psychotherapie auf Kasse. (Gudrun Springer, 10.2.2022)