Auch Round-Table-Gespräche finden pandemiebedingt im Hybridmodus statt. Vor Ort trafen einander Roche-Vertreterin Sigrid Allerstorfer, Austromed-GF Philipp Lindinger, Claudia Wild, GF Austrian Institute for Health Assessment, Thomas Pieber, CSO von CBmed und STANDARD-Redakteurin Pia Kruckenhauser (v. li.). Per Screen zugeschaltet war Susanne Schöberl von der NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft.

Foto: Regine Hendrich

Die Therapie einer Krankheit kann immer nur so gut sein, wie es die gestellte Diagnose zulässt. Das betrifft Covid-19 genauso wie kardiovaskuläre Probleme oder Krebserkrankungen. Läuft hier alles optimal, profitieren alle Beteiligten: Patientinnen und Patienten durch bessere Chancen auf Gesundung. Behandelnde, weil sie in einem frühen Stadium mehr Therapiemöglichkeiten haben – und auch die Volkswirtschaft, weil durch optimales Einsetzen aller Ressourcen ein besserer Output mit deutlich weniger Kosten möglich ist.

"Durch die Diagnostik können wir Krankheiten entdecken und einordnen", erläutert Thomas Pieber, CSO des Biomarker-Forschungsunternehmens CBmed. "Je nach Art der Krankheit und Stadium braucht es dafür unterschiedliche Mittel, Labordiagnostik, Bildgebung, die Erhebung von Nebenwirkungen, aber auch die Anamnese, also das Gespräch mit dem Patienten. Der Begriff ist nicht nur technisch zu interpretieren, das Gespräch ist mindestens so wichtig."

Folge-Entscheidungen

Tatsächlich gibt es sehr viele diagnostische Möglichkeiten, oft sind die Anwender aber zu wenig gut ausgebildet, um sie auch ideal einzusetzen. Verlässt man sich vorwiegend auf die Technik, werden etwa Tools zu oft und ohne besonderen Erkenntnisgewinn eingesetzt. Ansätze wie ein gutes Anamnesegespräch werden dagegen eher zu selten genutzt. Hier ortet Pieber klaren Verbesserungsbedarf.

Das Problem der Überdiagnostik sieht auch Claudia Wild, Geschäftsführerin der Austrian Institute for Health Technology Assessment GmbH: "Wird eine Diagnosemöglichkeit zu häufig oder auch beliebig eingesetzt, etwa eine Knie-MRT, gibt es keine klare Indikationsstellung. So eine Diagnose löst aber eine Kaskade an Folge-Entscheidungen aus. Deshalb muss man sie sinnvoll und angemessen einsetzen, überlegen, ob sie einen positiven Einfluss auf das Patientenmanagement bewirkt."

Entscheidungsbäume und klare Kriterienkataloge könnten die zuteilenden Ärzte in ihrer Vorgangsweise dabei gut unterstützen.

Richtig einsetzen

In diesem Zusammenhang weist Philipp Lindinger, Geschäftsführer der Austromed, auch auf die Wichtigkeit des Dialogs mit den Anwendern hin: "Der ist ein wesentlicher Treiber für Innovationen im Diagnosebereich. Wo ist weitere Unterstützung nötig, wie kann man die Methoden verbessern? Nur so kann man die unglaubliche Komplexität des Themas durchdringen." Die Industrie könne dann qualitativ hochwertige Produkte liefern, auf die sich Anwender verlassen können.

Was bei all dieser Potenz der Diagnostik aber nicht zu kurz kommen darf, ist der Blick auf die Patientin und den Patienten, betont Susanne Schöberl, Beauftragte der NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft: "Zu uns kommen viele, die sich mit ihren Beschwerden nicht ausreichend wahrgenommen fühlen. Dieses Nicht-gehört-Werden trägt tatsächlich immer wieder negativ zum Krankheitsgeschehen bei." Wobei es nicht unbedingt darum gehe, wie lange die Zuwendung dauert, vielmehr um die Qualität des Gesprächs, ob sich Arzt oder Ärztin auf das Gegenüber einlässt.

Die Diagnostik bietet aber auch ganz klare Vorteile für die Patienten, gibt ihnen Selbstwirksamkeit, bessere Gesundheit und mehr Lebensqualität. Ein Erfolgsprodukt einer Zusammenarbeit zwischen Pharmaunternehmen und Patientenbedürfnissen ist etwa die App mySugr, die die Firma Roche für Diabetes-Betroffene entwickelt hat.

Mehr Selbstermächtigung

Diese können mit einem Stich in die Fingerkuppe ihren Blutzucker selbst messen und so die ideale Einstellung ihrer Insulinpumpe steuern. Diese Entwicklung hat einige Jahre gedauert, im Zuge derer sowohl Ärzte als auch Patienten viel gelernt haben. "Als das erstmals auf den Markt kam, war diese Selbstbehandlung für viele Ärzte undenkbar", erinnert sich Thomas Pieber.

Über die Jahre hat sich die Anwendung gut etabliert, mittlerweile ist sie für viele selbstverständlich. Und es gibt weitere Innovationen, etwa eine App für Betroffene von Vorhofflimmern oder die eigenständige Messung des Kaliumwerts für Dialysepatienten. Setzt man diese Techniken im Versorgungsprozess richtig ein, enthalten sie viele Chancen. Das lässt positiv in die Zukunft blicken, sind sich die Diskutierenden einig. (kru, 11.2.2022)