Ganz Europa steckt in einer gefährlichen Krise. Eine Eskalation in der Ukraine würde nicht nur angrenzende Staaten treffen, sondern den Kontinent, fast vier Dutzend Länder, weit mehr als eine halbe Milliarde Menschen. Die Folgen eines russischen Angriffs gegen die Ukrainer wären verheerend. Eine Flüchtlingswelle droht. Die USA wären weniger involviert, die Europäische Union voll.

Daher stellt sich wieder einmal die Schlüsselfrage, wenn ein Problem globaler Dimension auftaucht, ob Klimawandel, Krieg oder Pandemie: Wo bleibt eigentlich die EU?

Wo bleibt die EU?
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Präsidenten, Regierungschefs, Außenminister der Nationen düsen kreuz und quer zwischen Hauptstädten hin und her, verhandeln in Moskau und Kiew, versuchen Russlands Präsident Wladimir Putin zu besänftigen. Aber die Vertreter der Gemeinschaft aller EU-Länder sind abgemeldet. Kommissionschefin Ursula von der Leyen, Ratspräsident Charles Michel, EU-Außenbeauftragter Josep Borrell – bloß Randfiguren.

So lobenswert es ist, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für die EU einspringt, das gehört geändert. Die EU braucht endlich ein Gesicht, eine Stimme, ein "Unionsoberhaupt", das mit Putin und US-Präsident Joe Biden auf Augenhöhe agiert. Das geht nur, wenn es eine tiefe EU-Reform und eine weitere Demokratisierung gibt – und wenn die Direktwahl einer Präsidentin oder eines Präsidenten der EU kommt. Pläne dazu gibt es schon lange. Es wird Zeit, das umzusetzen. (Thomas Mayer, 10.2.2022)