Ziviltechniker haben unter der neuen Gesetzeslage bei Vergabeverfahren mehr Möglichkeiten.

Mit Jahresanfang hat der Gesetzgeber das Koalitionsverbot im Ziviltechnikergesetz aufgehoben. Ziviltechniker und ausführende Unternehmer dürfen nun gemeinsam als Bietergemeinschaft in Vergabeverfahren ein Angebot legen. Hintergrund der Gesetzesänderung ist ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH).

Bereits seit dem Ziviltechnikergesetz 1993 war die Bildung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen Ziviltechnikern und ausführenden Gewerbetreibenden (insbesondere ausführenden Baumeistern) verboten. Mit diesem "Koalitionsverbot" (geregelt zuletzt in § 23 Abs 3 ZTG 2019) sollten Interessenkonflikte zwischen Planern und Ausführenden ausgeschlossen werden und damit die Qualität der Planung geschützt werden. Bei Vergabeverfahren führte das Koalitionsverbot dazu, dass Angebote von Bietergemeinschaften bestehend aus Ziviltechnikern und Ausführenden wegen der Verletzung berufsrechtlicher Ausübungsbestimmungen auszuscheiden waren.

Europarechtskonformer Zustand

Nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH C‑209/18) die Beschränkungen des ZTG hinsichtlich Beteiligungen und Multidisziplinarität bei Ziviltechnikergesellschaften als unionsrechtswidrig beurteilt hatte, brachte der österreichische Gesetzgeber im Frühjahr 2021 eine Gesetzesnovelle des ZTG auf den Weg. Zur Herstellung eines europarechtskonformen Zustands müssen Ziviltechniker nicht mehr die über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile einer Ziviltechnikergesellschaft verfügen. Außerdem wurde die Bildung interdisziplinärer Gesellschaften von Ziviltechnikern mit Angehörigen anderer Berufe ermöglicht. Das Koalitionsverbot des § 23 Abs 3 ZTG 2019 für Gesellschaften bürgerlichen Rechts wurde in dieser Novelle allerdings nicht entfernt.

Im Frühjahr 2021, also noch während des Gesetzgebungsprozesses für die ZTG-Novelle, befasste sich der VfGH (E3131/2020) mit dem Koalitionsverbot und erkannte, dass auch dieses aufgrund des genannten Urteils des EuGH unionsrechtswidrig (und somit nicht anzuwenden) sei. Eine Änderung der bereits im Gesetzgebungsprozess befindlichen Novelle wurde nicht mehr vorgenommen, § 23 Abs 3 verblieb im ZTG. Ein unangenehmer Zustand, ist doch für Laien nicht klar, dass diese Gesetzesbestimmung aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrecht unangewendet bleiben muss.

Weitere Gesetzesänderung

Damit ist nun Schluss: Im Rahmen einer weiteren Gesetzesänderung (BGBl. I Nr. 240/2021) wurde das Koalitionsverbot des § 23 Abs 3 ZTG 2019 mit Inkrafttreten zum 1. Jänner 2022 ersatzlos gestrichen. Als Begründung verwies der Gesetzgeber auf das genannte Erkenntnis des VfGH. Damit ist nun endgültig klargestellt, dass Ziviltechniker und Gewerbetreibende (wie insbesondere Baumeister) sich an Vergabeverfahren auch dann als Bietergemeinschaft beteiligen dürfen, wenn Letztere zu ausführenden Tätigkeiten berechtigt sind. (Karlheinz Moick, 11.2.2022)