Wildcampen gehört für die meisten, die gerne auf vier Rädern schlafen, zu den ganz großen Freiheiten. Wer einmal an einem norwegischen Fjord komplett ohne nervige Nachbarn aufgewacht ist oder den Camper einfach irgendwo unter der schwedischen Mitternachtssonne geparkt hat, wird sich fortan nur noch fragen: Wo geht das denn sonst noch? Tatsächlich ist "freies Stehen", wie das Wildcampen korrekt auf Amtsdeutsch heißt, nur in einem kleinen Teil Europas strikt verboten. In Deutschland dagegen, in Belgien, im Baltikum und in Rumänien ist es sogar unter Auflagen weitestgehend erlaubt. Sie Sache ist nur: Außerhalb Skandinaviens ein hübsches, nichtprivates und ruhiges Plätzchen für sein rollendes Bettchen zu finden, ist ungemein schwer. Zudem hat das Wildcampen außerhalb Skandinaviens nirgendwo Tradition, weshalb Freiheitsliebende überall anders in Europa verständnislose Blicke von Sesshaften ernten werden.

Als Erstes beginnt man also zu recherchieren, in welchen Wüsten ein frei aufgestelltes Zelt vielleicht niemanden stören könnte. Sahara? Keine gute Idee wegen der vielen Entführungen. Gobi? Gar ein bisserl weit weg für den ach so nachhaltigen Campingurlaub. Vergleichsweise nah und ein sehr sicheres Reiseland ist dagegen der Oman im Südosten der Arabischen Halbinsel. Und das Beste dort: Es herrscht ein ähnliches "Jedermannsrecht" wie in Skandinavien, das Wildcampen gestattet.

Foto: Sascha Aumüller

Junge Omaner, vorwiegend aus der beschaulichen Hauptstadt Maskat (Bild), haben irgendwann mit dem Wildcampen am Wochenende begonnen. Dabei wollten sie einfach nur der Stadt entfliehen, packten eine Luftmatratze oder ein simples Zelt in ihre Autos und schliefen irgendwo vor einem Lagerfeuer am Strand oder in den kühlen Bergen. Irritiert hat das dort niemanden.

Foto: Sascha Aumüller

Es dauerte nicht lange, bis vor allem kleine deutsche Reisebüros wie Nomad Reisen damit begonnen haben, im Oman Jeeps mit Dachzelt anzubieten. Die Dinger sind geländegängig und so kompakt, dass darin nur eine Gasflasche samt Kocher, ein Wasserkanister, eine Kühlbox und ein paar Campingstühle und ein Campingtisch Platz finden. In dem schnell aufgestellten Zelt auf dem Dach finden zwei Erwachsene und ein Kind ihre Nachtruhe.

Foto: Sascha Aumüller

Obwohl das Straßennetz im Oman in einem hervorragenden Zustand ist, lohnt sich so ein Jeep. Viele Einheimische sind nämlich die halbe Zeit offroad unterwegs, nehmen Abkürzungen durch trockene Wadis, durch die Wüste oder düsen in den Bergen querfeldein. Wer das als Camper nachahmt, fällt deshalb nicht weiter unangenehm auf. Wo ein Motor in besiedeltem Gebiet stört, sagt einem hoffentlich der Menschenverstand.

Foto: Sascha Aumüller

Den ersten Platz für die Nacht zu suchen ist mit Unsicherheiten und Fragen verbunden à la: Darf ich hier wirklich stehenbleiben? Störe ich auch bestimmt niemanden? Und ist Wildcampen hier tatsächlich völlig gefahrenfrei? Völlig ungefährlich ist es zum Beispiel nur dann nicht, wenn man im Hajar-Gebirge zu nah am Rand einer 1.000 Meter tiefen Schlucht seine Zelte aufschlägt und nächtens bei Neumond Wasser lassen muss. Aber auch hier bleibt der Verstand ein heißer Tipp bei der Wahl des "Campingplatzes".

Foto: Sascha Aumüller

Schon nach der ersten Dezember- oder Jännernacht im Dachzelt – die beiden Monate gehören zur besten Reisezeit für den sonst so heißen Oman – packt Draußenschläfer die Erkenntnis: Temperaturen um den Gefrierpunkt in den Bergen erfordern gute Schlafsäcke oder die Bereitschaft, sich vor dem Schlafengehen eben nicht auszuziehen. Der Ausblick aus dem Bett entschädigt aber fast überall für das Frösteln. Wer nicht außerhalb von Siedlungen nächtigen will, sondern ...

Foto: Sascha Aumüller

... lieber im urbanen Gebiet, hat in der Regel auch kein Problem. Allerdings bietet es kaum Vorteile gegenüber dem Wildcampen in freier Natur. Vorräte einzukaufen ist einfacher in den riesigen Supermärkten am Ortsrand, und dezidierte Parkplätze, wo der Jeep niemandem im Weg ist, sind fast so selten wie Campingplätze – die gibt es im Oman nämlich gar nicht.

Foto: Sascha Aumüller

In Stadtnähe zu nächtigen kann aber da oder dort von Vorteil sein. In Nizwa etwa findet jeden Freitag ein großer Tiermarkt statt, der schon früh am Morgen beginnt. Wer noch eine weite Anreise vor sich hat oder ausschläft, muss damit rechnen, dass die agilsten Ziegen und Schafe schon den Besitzer gewechselt haben.

Foto: Sascha Aumüller

Apropos agile Tiere: Ziegen- und Schafherden kommen natürlich ebenso gerne zu den wertvollen Wasserstellen in den kargen Wadis wie Campierende. Es versteht sich von selbst, dort und überall sonst keinen Müll zu hinterlassen. Vor allem die Ziegen fressen Plastiksackerln oder Klopapierrollen nämlich fast genauso gern wie das Omelette direkt vom Klappfrühstückstisch des Autors.

Foto: Sascha Aumüller

Wen es grundsätzlich ans Wasser zieht, der oder die ist im Oman mit dem Indischen Ozean ganz gut versorgt. Das Meer erreicht zwar im Winter nur im Süden des Landes Warmduscher-Temperaturen, doch die Stimmung ist ab Freitagnachmittag fast überall besonders. Dann nämlich zieht es auch die Omaner (noch selten die Omanerinnen) an die Strände. Wer das Wildcampen in dem Land erfunden hat, lässt sich jedenfalls recht beschaulich bei einem der vielen lodernden Lagerfeuer in Erfahrung bringen.

Foto: Sascha Aumüller

Auch aus der ursprünglichen Überlegung, doch einfach wild in der Wüste zu campen, kann im Oman leicht etwas werden. Die östlichen Gebiete der feinsandigen Rub al-Khali sind dafür nicht nur groß genug, sondern auch ausreichend sicher. Vor allem in Nord-Süd-Richtung führen große Pisten durch die Wüste, in deren Nähe Abenteuerlustige immer bleiben sollten. Jede höhere Düne bietet hier Sichtschutz, ohne dass das Sicherheitsnetz der Zivilisation verlassen werden müsste.

Foto: Sascha Aumüller

Die sternenklare Nächte sind zwar recht still, aber nicht komplett einsam. Einheimische nutzen vielfach die Nacht, um in der Wüste größere Distanzen mit dem Auto zurückzulegen, weil die Fahrt dann angenehm kühl und der Untergrund feuchter und somit härter ist. Ein in der Rub al-Khali aufgeschlagenes Dachzelt riecht also ausreichend nach Abenteuer, ist aber kein fahrlässiges Unterfangen.

Foto: Sascha Aumüller

Wer sichergehen will, nicht vom Weg abzukommen, und landschaftlich lohnende Routen präferiert, ist übrigens mit dem Oman-Titel der "off-road"-Reihe von Explorer Publishing gut bedient. Ein einfaches Navi ist hier nur beschränkt hilfreich, weil eben die Offroad-Strecken nicht erfasst sind. Zusätzlich finden sich in dem großformatigen Buch auch enorm hilfreiche Serviceinfos. Oder hätten Sie gewusst, wie man möglichst schnell und unkompliziert Luft aus den Reifen lässt, um sicherer durch die Wüste zu kommen? (Sascha Aumüller, 13.2.2022)

Die Reise wurde zur Gänze vom Autor selbst finanziert.

Foto: Sascha Aumüller