Die Comiczeichnungen gelangweilter Affen sind zum Sinnbild aktueller Blockchain-Kunst geworden. Für sechsstellige Beträge kann man ein Tier des "Bored Ape Yacht Club" als NFT erwerben.

Foto: Yuga Labs/Bored Ape Yacht Club

Das sollte man sich nicht entgehen lassen: Wenn Sie zufällig gerade 280.000 Dollar lockermachen können, können Sie sich einen gelangweilten Affen kaufen – und damit Mitglied im elitären "Bored Ape Yacht Club" werden. Den Zirkel der fadisierten Affen gibt es zwar nicht physisch, aber der Besitz dieses NFTs zeichnet Sie als trendbewussten und engagierten Kunstsammler im Metaversum aus. Na bitte! Außerdem können Sie die Affen mutieren. Aber hallo! Sie haben keine Ahnung, wovon hier die Rede ist? Kein Problem, wir erklären es Ihnen.

Das Konzept der NFTs stammt aus der Welt der Blockchain- und Kryptoenthusiasten. Tokens kann man sich als eine Art digitale Jetons vorstellen, die verschiedene Funktionen wahrnehmen können. Der Knackpunkt ist, dass NFTs im Unterschied zu Bitcoins "non-fungible" sind. Zugegeben, das klingt für Neulinge immer noch reichlich kryptisch. Etwas anschaulicher erklärt Alfred Taudes vom Forschungsinstitut für Kryptoökonomie der WU Wien, was "fungible" ist: "Dinge, die unmittelbar austauschbar sind. Geld zum Beispiel. Ein 20-Euro-Schein lässt sich ersetzen durch jeden anderen 20-Euro-Schein oder vier Fünf-Euro-Scheine. Das Geld ist fungible, also teilbar."

Auch der österreichische Künstler Erwin Wurm macht NFTs: Die Animation eines schmelzenden Porsches zitiert seine Serie "Fat Cars".
Foto: Erwin Wurm/König Galerie

Daten mit Sammlerwert

Anders ist es, wenn man einen einzigartigen Gegenstand mit Sammlerwert leiht: An seiner Stelle kann man nicht einfach ein anderes Objekt retournieren. Und so ist es auch mit NFTs: Sie sind nicht teil- oder austauschbar, jedes ist einzigartig. Das prädestiniert NFTs dafür, den Besitz von Kunst und Sammelgegenständen digital abzubilden.

Für Digitalkunstschaffende war der Kunstmarkt lange ein hartes Pflaster. Dank NFTs ändert sich das. Nachdem die digitale Collage "Everydays – The First 5000 Days" des US-Grafikers Mike Winkelmann alias Beeple beim renommierten Auktionshaus Christie’s um unglaubliche 58 Millionen Euro versteigert worden war, brach ein regelrechter Hype los.

Seitdem gibt es NFT-Auktionen, große Kunstmessen gründeten neue Projekte für digitale Kunst, und bekannte Galerien vertreten plötzlich NFT-Künstlerinnen und -Künstler. Erste Museen nahmen NFTs in ihre Sammlungen auf, in Seattle wurde sogar ein eigenes NFT-Museum gegründet.

Analoge Schwergewichte stürmen Krypto-Space

Berühmte Künstler wie Damien Hirst oder Erwin Wurm machen jetzt auch Kunst-NFTs. Und das renommierte Magazin "Art Review" kürte die geschützten Dateien sogar zur einflussreichsten Kraft in der aktuellen Kunst. Immer mehr Museen und Ausstellungshäuser versuchen, selbst einen Fuß im Hype zu fassen, und digitalisieren analoge Meisterwerke, um sie als NFTs anzubieten: Die Uffizien in Florenz offerieren ein Werk Michelangelos, das British Museum ein Turner-Gemälde oder das Belvedere in Wien Klimts "Kuss".

Alfred Weidinger, Leiter des Oberösterreichischen Landesmuseums, sieht diese Form von NFTs allerdings kritisch: "Mit digitaler Kunst hat die banalste Form der Tokenisierung, nämlich die digitale Reproduktion von analogen Kunstwerken, rein gar nichts zu tun. Hier geht es um Merchandising, also Geldbeschaffung."

Masse statt Qualität

Weidinger gilt als Vorreiter auf dem Gebiet in Österreich. Für ihn haben sich Kunst-NFTs längst etabliert. Als erste museale Einrichtung hierzulande zeigte er 2021 in Linz eine Ausstellung, bei der digitale Kunstwerke in den analogen Raum geholt wurden. Es bestünde keine Notwendigkeit, zwischen den Kunstformen zu unterscheiden, meint er. Aber lässt sich eine Affenanimation wirklich mit einem Renaissancegemälde auf eine Stufe stellen?

Karl Lagerfeld geht posthum in der Blockchain weiter – als NFT der nach ihm benannten Modemarke.
Foto: Karl Lagerfeld

In der Kunstszene sind die Strukturen noch relativ jung. Die meisten NFTs werden auf großen Online-Plattformen wie Open Sea oder Nifty Gateway angeboten, mit denen auch Auktionshäuser kooperieren. Während sich diese als Online-Galerie präsentieren, gibt es mittlerweile unzählige andere Seiten, auf denen jeder beliebige User seine Dateien anbieten kann – eine unübersichtliche Fülle an Grafiken, Pixel-Collagen und Animationen, die zu dem Vorwurf beiträgt, dass gravierende Qualitätsmängel vorherrschen.

Ausstellungen in etablierten Galerien oder auf kuratierten Plattformen lassen hingegen das Potenzial erahnen: Erst kürzlich standen Menschen stundenlang Schlange, um die immersiven NFT-Werke des Künstlers Refik Anadol in Berlin zu sehen, die derzeit sowohl analog als auch im Web um die Welt touren.

Virtuelle Pferderennen

Alexander Valtingojer, hauptberuflich CEO des Krypto-Start-ups Coinpanion, hat auch als Privatperson in zwei NFTs investiert. Das erste ist Teil einer Sammlung namens Clone X. Wie auch beim "Bored Ape Yacht Club" handelt es sich dabei um virtuelle Sammelobjekte, die im besten Fall an Wert gewinnen – diese Wette ist für Valtingojer aufgegangen: Er hat sein NFT um ein paar hundert Euro gekauft, nun liegt der Wert im fünfstelligen Bereich.

Finanziell weniger beeindruckend, aber dafür technisch spannender ist das virtuelle Rennpferd, das er sich für rund 30 Dollar auf der Plattform Zed Run gekauft hat. Wie bei echten Pferderennen können die NFT-Pferde hier gegeneinander galoppieren. Außerdem können sie aber auch miteinander gepaart und weiterentwickelt werden. "Ich wollte vor allem sehen, wie NFTs im Games-Kontext genutzt werden", begründet Valtingojer seine Investition.

Denn auch Computerspiele werden als ein Anwendungsszenario für NFTs gesehen: So könnte eine in einem Spiel verwendete Waffe als NFT gekennzeichnet, unter Spielern weiterverkauft und als Sammelobjekt verwendet werden. Etliche Konzerne der Branche haben bereits Versuche gestartet, Objekte aus den Spielen in NFTs zu verwandeln – oft zum Ärger der Spielerinnen und Spieler, die darin keinen direkten Nutzen, sondern bloß Geldmacherei sehen.

Rechtliches Neuland

Neben ästhetischen und qualitativen Differenzen herrscht auch in Hinblick auf juristische Fragen viel Unsicherheit vor. Was darf man nun mit einem NFT machen, das man beispielsweise bei einer Online-Auktion ersteigert oder auf einer Plattform gekauft hat?

Der Wiener Jurist Arthur Stadler hat sich auf Kryptowährungen und NFTs spezialisiert. In seiner Kanzlei gehen Krypto-Holder und NFT-Sammlerinnen ein und aus – manche von ihnen sind nicht älter als 14 Jahre. Als wären NFTs nicht auch so schon komplex genug, wird es erst richtig kompliziert, wenn sie auf das nicht ganz triviale Zivilrecht treffen.

Auf die Frage, was man mit einem NFT nun tun darf und besser lassen soll, hat Stadler deshalb nur eine klassische Juristenantwort: "Es kommt drauf an."

Anlässlich des 200. Geburtstags von Louis Vuitton wurde ein Onlinespiel lanciert, in dem es 30 NFTs zu gewinnen gab.
Foto: Louis Vitton

Das Urheberrecht ist generell unveräußerbar – das ist in der virtuellen Welt nicht anders als in der realen. Was sich hingegen verscherbeln lässt, sind die sogenannten Nutzungs- und Verwertungsrechte. Wer sich ein NFT in dem Bestreben kauft, es millionenfach auf T-Shirts zu drucken, sollte sich zuerst genau ansehen, welche Rechte er da mitkauft. Oft geben auch die Nutzungsbedingungen der Verkaufsplattformen Auskunft darüber, was der Käufer oder die Käuferin mit dem NFT machen darf und was nicht.

Automatisch kauft man die Nutzungsrechte jedenfalls nicht mit, sagt Stadler. Das erfuhr kürzlich auch eine Kryptogruppe am eigenen Leib: Sie wollte den Science-Fiction-Klassiker Dune als Animationsserie umsetzen und kauften für knapp drei Millionen Dollar eine seltene Kopie des Drehbuchs. Dass man damit aber nicht die Rechte für eine Verfilmung erwarb, daran dachte offenbar niemand.

Was ist Kunst?

Dazu kommt, dass in der bizarren Kryptowelt auch einiges feilgeboten wird, das in der realen Welt wohl niemand kaufen würde. Die Website tzcolors.io bietet etwa über tausend Farben zum Preis ab 100 Dollar an. Bei N Project wiederum kann man sich seine Lieblingszahl für rund 4500 Dollar kaufen. Hier kommt der rechtliche Begriff der "Werkhöhe" ins Spiel: Ein Kunstwerk muss durch einen schöpferischen Akt entstanden sein.

Über 600.000 Euro erzielte das goldene "Dress from a Dream" – ein NFT des italienischen Luxuslabels
Dolce & Gabbana.
Foto: German Larkin

Weil sich Gerichte nicht zu sehr in die seit jeher ungeklärte Frage "Was ist Kunst?" einmischen wollten, wurde diese Werkhöhe bewusst niedrig angesetzt. Aber darf man nun eine Farbe, ein Wort oder ein einfaches Symbol besitzen und verkaufen?

Das müssen wohl Gerichte klären – wie so vieles, was sich derzeit in der Kryptowelt abspielt. Das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch aus dem Jahr 1812 stößt in der Ära der NFTs jedenfalls an seine Grenzen. Ganz umschreiben muss man es deshalb nicht, findet Stadler. "Aber rechtlich könnte man ein paar Klarstellungen machen."

Einzigartige Fälschungen

Wo Millionen hin- und herbewegt werden, sind auch Betrüger nicht weit. Wie kürzlich bekannt wurde, sind viele der angebotenen NFTs Fälschungen oder Plagiate. Unter den mit einer bestimmten Funktion beim Marktführer Open Sea erstellten Tokens sollen es sogar 80 Prozent sein. Aber Moment! Sollten NFTs nicht, wie ihr Name schon suggeriert, eigentlich einzigartig und unersetzbar sein?

Das sind sie – sofern man das richtige NFT erwischt. Doch jede Person kann mit wenigen Klicks ein NFT "minten" und frei bestimmen, was dieses NFT repräsentieren soll. Weil in der Blockchain eine zentrale Autorität fehlt, ist es möglich, einen Picasso, ein Banksy-Graffito oder die Werke eines anderen NFT-Artists zu minten. Und was technisch möglich ist, wird auch gemacht.

Immer wieder entpuppen sich NFT-Projekte auch als sogenannter "Rug Pull", ein Betrugsschema, bei dem sich die Initiatoren mit den eingesammelten Coins ins digitale Nirwana vertschüssen. So geschehen vergangenen Oktober: "Evolved Apes" war eine Sammlung von 10.000 NFTs, die Affen abbildeten. Käuferinnen und Käufer dieser Affenbilder hätten diese später in einem eigens entwickelten Videospiel gegeneinander antreten lassen können und sogar Krypto-Coins verdienen sollen. Doch dazu kam es nie: Sobald die NFTs verkauft waren, machten sich die Entwickler mit 2,4 Millionen Euro aus dem Staub. Auch Krypto-Wallets, auf denen teure NFTs gespeichert sind, werden immer wieder gestohlen.

Was weg ist, ist weg

Wer seinen NFT etwa aufgrund eines Hackerangriffs verloren hat, für den gibt es in der Regel wenig Hoffnung, denn Blockchain-Transaktionen sind anonym und endgültig. In letzter Zeit hätten Behörden aber durchaus schon Erfolge erzielt und gestohlenes Kryptovermögen wieder zurückgeholt. Spezialisierte Forensikunternehmen haben sich inzwischen darauf spezialisiert, die Transaktionen auf der Blockchain – die ja öffentlich sind – zu analysieren und den Weg des Diebesguts nachzuvollziehen. Ob es sich auszahlt, der Sache auch juristisch nachzugehen, hängt vom Wert des Tokens hab. "Wenn es um wenig geht, schmeißt man oft nur noch mehr Geld hinterher", sagt Anwalt Stadler.

Mason Rothschild hat NFTs aus der legendären "Birkin Bag" von Hermès gemacht. Das französische Luxuslabel klagt nun gegen die "Meta Birkin".
Foto: Mason Rothschild

Doch man muss nicht einmal gleich von Betrug reden, um Kritikpunkte zu finden. So liegt es etwa in der Natur der NFTs, dass sie unteilbar sind – und somit die Einstiegshürde, um an großen Investments teilzuhaben, enorm hoch ist. Den Besitz eines virtuellen Affen können sich nur wenige leisten – zugleich gelten die Bored Apes wegen ihrer Bekanntheit für Kenner eher als "sicheres" Investment als kleinere Projekte.

Auch die hohen Transaktionskosten – die sogenannten Gas-Fees, die in der Ethereum-Blockchain anfallen – sieht Taudes als Hürde. Denn diese schlagen nicht nur bei einem millionenschweren Beeple-Kunstwerk, sondern auch bei einer digitalen Fußballkarte zu Buche – und machen dort einen höheren Anteil am Gesamtpreis aus.

Schmutzige Kette

Und dann wäre da noch die Frage, ob man auf ewig behalten kann, was man gekauft hat – denn in der Blockchain ist nicht das eigentliche Kunstwerk, sondern bloß ein Link zu selbigem hinterlegt. Was das bedeuten kann, zeigte vergangenes Jahr Moxie Marlinspike, Gründer des Messengerdienstes Signal: Er verkaufte NFTs, die sich nach dem Kauf in Fäkalien-Emojis verwandelten – indem er einfach das unter dem Link hinterlegte Bild abänderte.

Die größten Kritikpunkte erzeugt aber das Thema Nachhaltigkeit. Denn die meisten NFTs werden auf der Ethereum-Blockchain erstellt, deren Kryptowährung Ether – so wie Bitcoin – nach dem Proof-of-Work-Konzept erstellt wird. Dieses belohnt jenen Server, der eine komplexe Rechenaufgabe zur Erstellung des nächsten Blocks gelöst und dabei entsprechend viel Energie verbraucht hat. Insgesamt soll das Ethereum-Netzwerk bereits so viel Strom verbrauchen wie kleinere Staaten. Mittelfristig will Ethereum auf das umweltfreundlichere Proof-of-Stake-Konzept umstellen, bei dem nicht mehr Rechenleistung, sondern Besitzverhältnisse zählen. Der Umstieg wurde bereits mehrmals verschoben. Andere Blockchains wie Solana oder Polygon arbeiten hingegen bereits mit Proof of Stake. Auch dort lassen sich NFTs handeln.

Auf der Monaco Yacht Show 2021 wurde eine NFT-Yacht vorgestellt,
als emissionsfrei deklariert und später für 13.000 Euro ersteigert.
Foto: 3deluxe

Hoffen auf den nächsten Beeple

Gleichzeitig verweist Taudes darauf, dass Sammeln – sei es von Kunstwerken, Sammelkarten oder Waffen in Games – längst nicht das einzige Anwendungsszenario für NFTs ist: "Was ein NFT ist, bestimmt der, der es mintet", sagt der Wissenschafter. So könnten künftig etwa auch Mitgliedsausweise als NFTs auf die Blockchain gelegt und mit einem Bonus verbunden werden – etwa die Berechtigung, mit einem Star pro Jahr eine halbe Stunde sprechen zu können. Für Künstler, dabei unter anderem auch Musikerinnen, ergeben sich laut Taudes dadurch gänzlich neue Möglichkeiten des Vertriebs und der Interaktion mit den Fans.

Die Liste an neuen Möglichkeiten, die NFTs bieten, ist ähnlich lang wie die der Probleme und ungeklärten Fragen dieser Welt. Wirklich verschwinden werden NFTs allem Anschein nach nicht mehr. In welcher Intensität sich das Phänomen etabliert, gilt es allerdings abzuwarten. Ob Käufer von NFTs wie dem "Bored Ape Yacht Club" einmal selbst auf einer Yacht sitzen dürfen oder ob sie sich unter dem Schutt einer zerborstenen Spekulationsblase wiederfinden, wird man erst im Nachhinein wissen. Derzeit kennt die Krypto-Community vor allem ein Motto: Kaufen, was das Zeug hält – und darauf hoffen, dass der nächste Beeple dabei ist. (Stefan Mey, Philip Pramer, Katharina Rustler, Michael Steingruber, 13.2.2022)