Einige Lebensbausteine dürften von auswärts gekommen sein.

Screenshot: LPIndie

Dass einige wichtige chemische Lebenskomponenten nicht nur auf der Erde vorkommen, ist mittlerweile durch zahlreiche Studien nachgewiesen. Forschende fanden Belege dafür, dass Teile des DNA-Gerüsts ebenso im Weltraum entstehen können, wie Aminosäuren oder andere komplexe organische Verbindungen. Nun hat ein Forschungsteam beobachten können, dass sich auch Peptide unter Weltraumbedingungen bilden.

Aminosäure-Ketten

Alles Leben, wie wir es kennen, besteht aus den gleichen chemischen Bausteinen. Dazu gehören Peptide, die im Körper völlig unterschiedliche Funktionen übernehmen: Sei es, um Stoffe zu transportieren, Reaktionen zu beschleunigen oder um in Zellen stabilisierende Gerüste zu bilden. Peptide bestehen aus Aminosäuren, die in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet sind. Die genaue Reihenfolge entscheidet darüber, welche Eigenschaften das Peptid am Ende besitzt.

Wie diese vielseitigen Biomoleküle entstanden sind, ist eine der Fragen nach dem Ursprung des Lebens. Dass dieser Ursprung auch außerirdischer Natur sein kann, zeigen Aminosäuren, Nukleobasen und verschiedene Zucker, die etwa in Meteoriten gefunden wurden. Damit aber aus einzelnen Aminosäure-Molekülen ein Peptid entsteht, braucht es ganz spezielle Umstände, die bislang eher auf der Erde vermutet wurden. Vor allen Dingen braucht es Wasser.

Essenzielles Wasser

"Bei dem herkömmlichen Weg, auf dem Peptide entstehen, spielt Wasser eine wichtige Rolle," erklärt Serge Krasnokutski vom Astrophysikalischen Labor des Max-Planck-Instituts für Astronomie an der Universität Jena. Hierbei verbinden sich einzelne Aminosäuren zu einer Kette. Damit das geschieht, muss jeweils ein Wassermolekül entfernt werden.

"Unsere quantenchemischen Berechnungen zeigten nun, dass die Aminosäure Glycin entstehen kann, indem sich eine chemische Vorstufe – ein sogenanntes Aminoketen – mit einem Wassermolekül verbindet. Vereinfacht zusammengefasst: In diesem Fall muss für den ersten Reaktionsschritt Wasser dazugegeben werden, für den zweiten muss Wasser entfernt werden."

Bedingungen wie in molekularen Wolken

Mit dieser Erkenntnis konnte das Team nun einen Reaktionsweg nachweisen, der unter kosmischen Bedingungen ablaufen kann und dabei ohne Wasser auskommt. "Anstatt den chemischen Umweg zu gehen, in dem die Aminosäuren gebildet werden, wollten wir herausfinden, ob nicht stattdessen die Aminoketen-Moleküle entstehen und diese sich direkt zu Peptiden verbinden können", beschreibt der Physiker die Grundidee der Arbeit, die nun im Fachjournal "Nature Astronomy" veröffentlicht wurde. "Und zwar unter den Bedingungen, wie sie in kosmischen molekularen Wolken herrschen: Also auf Staubpartikeln im Vakuum, bei denen die entsprechenden Chemikalien anwesend sind und dort reichlich vorkommen: Kohlenstoff, Ammoniak und Kohlenstoffmonoxid", ergänzt er.

Serge Krasnokutski untersucht die Bildung von Biomolekülen bei niedriger Temperatur im Vakuum.
Foto: Jens Meyer/Uni Jena

In einer Ultrahochvakuum-Kammer wurden Substrate, die als Modell für die Oberfläche von Staubpartikeln dienen zusammen mit Kohlenstoff, Ammoniak und Kohlenmonoxid bei etwa einem Billiardstel des normalen Luftdrucks und Minus 263 Grad Celsius zusammengebracht. "Untersuchungen zeigten, dass unter diesen Bedingungen aus den einfachen Chemikalien das Peptid Polyglycin entstanden ist", fasst Krasnokutski das Ergebnis zusammen. "Hierbei handelt es sich also um Ketten aus der sehr einfachen Aminosäure Glycin, wobei wir verschiedene Längen beobachtet haben. Die längsten Exemplare bestanden aus elf Einheiten der Aminosäure."

Quantenmechanischer Tunneleffekt

Auch das vermutete Aminoketen konnte das Team in diesem Experiment nachweisen. "Dass die Reaktion bei derart niedrigen Temperaturen überhaupt ablaufen kann, liegt daran, dass die Aminoketen-Moleküle extrem reaktiv sind. Sie verbinden sich miteinander in einer effektiven Polymerisation. Das Produkt ist dann Polyglycin."

"Dass die Polymerisation von Aminoketen unter solchen Bedingungen so einfach passieren kann, war dennoch überraschend für uns", sagt Krasnokutski. "Denn dazu muss eigentlich eine Energiebarriere überwunden werden. Allerdings kann es sein, dass uns ein besonderer Effekt der Quantenmechanik dabei zugutekommt. Denn in diesem speziellen Reaktionsschritt wechselt ein Wasserstoffatom seinen Platz. Dieses ist jedoch so klein, dass es als Quantenteilchen die Barriere nicht überwinden, sondern durch den Tunneleffekt gewissermaßen einfach durchqueren könnte." (red, 11.2.2022)