Johann Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, vor dem U-Ausschuss

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Für die Kanzlei Ainedter & Ainedter war es ein PR-Erfolg. Stolz gab sie Ende November 2021 bekannt, die Staatsanwältin Linda Poppenwimmer von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) angeworben zu haben. Sie dürfte schwere Zeiten hinter sich gehabt haben, wie sich aus einer Pressemitteilung der Kanzlei ablesen ließ: "Die staatsanwaltschaftliche Arbeit" werde "zunehmend durch ein vergiftetes und von Freund-Feind-Denken bestimmtes Klima überlagert", wurde sie darin zitiert, und deshalb könne sie der Justiz nicht mehr "guten Gewissens mit der notwendigen persönlichen Überzeugung dienen".

In ihrer Zeit in der WKStA dürfte Poppenwimmer dieses "Freund-Feind-Denken" jedoch selbst nicht ganz fremd gewesen sein. "Ich hoffe, dass du weißt, dass du dich zumindest auf meine Loyalität immer verlassen kannst", schrieb sie in einer von 390 Chatnachrichten, die sie mit dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, Johann Fuchs, austauschte. IT-Experten der Justiz haben die Kommunikation der beiden für die Staatsanwaltschaft Innsbruck ausgewertet und festgestellt, der Chat lege nahe, dass Poppenwimmer "Informationen, welche Verfahren sowie Behördeninterna der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft betreffen (…) an den Beschuldigten" Johann Fuchs weitergegeben habe.

Fuchs und Christian Pilnacek, einst Chef der Strafsektion im Justizministerium, wird ja vorgeworfen, Interna weitergegeben und dadurch vorab eine Hausdurchsuchung bei einem Beschuldigten verraten zu haben. Beide bestreiten das, es gilt die Unschuldsvermutung.

"Updates" zu Ermittlungen

Zurück zu Poppenwimmer: Sie hat ihrem Vorgesetzten bei der OStA Wien nicht nur Nachrichten geschickt, sondern auch Fotos. Auf denen sind zum Beispiel Kalendereinträge ihrer Kollegen zu wichtigen Besprechungen oder handschriftliche Vermerke der Ermittler im sogenannten Tagebuch des Akts zu sehen. Immer wieder lieferte sie ihm abseits des Dienstwegs mittels Whatsapp "Updates" zu aktuellen Ermittlungen, aber vor allem auch zur Stimmung innerhalb der WKStA.

Die war damals gar nicht gut. Die Staatsanwälte der Antikorruptionsbehörde lagen im Dauerclinch mit Fuchs und Pilnacek, der durch die mittlerweile berühmt-berüchtigte Dienstbesprechung vom 1. April 2019 zur Causa Eurofighter weithin bekannt wurde. Die Besprechung, in der Pilnacek riet, Teile des "Scheißakts" zu "derschlagen", war aufgenommen worden; das Transkript davon gelangte später an die Medien. Gegenseitige Anzeigen waren die Folge, Ermittlungen wurden aber nicht aufgenommen. Stattdessen versuchte der damalige Justizminister Josef Moser, die Missstimmung mit einer Mediation zu bewältigen. Auch von dieser erzählte Poppenwimmer, die selbst im Eurofighter-Team der WKStA im Einsatz war.

Die Kanzlei Ainedter & Ainedter: Linda Poppenwimmer, Manfred und Klaus Ainedter und Judith Pürrer (v. li.).
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"Herzlichen Dank auch dafür, dass Du auch das ‘Umfeld’ zu unserem Verfahren so aufmerksam beobachtest", schrieb ihr Fuchs in der wilden Zeit im Mai 2019. Die von ihm erhoffte "Ruhe" wollte sich so bald nicht einstellen, "leider reden die schon wieder von neuen Vorwürfen", erfuhr der OStA-Chef von Poppenwimmer. Diese allerdings wusste, dass es "eigentlich nur um Befindlichkeiten" gehe, das zeige "die Beschwerde über den GS (Generalsekretär Pilnacek, Anm.) wegen der Grimassen".

Monatelang hielt sie Fuchs über diverse Wendungen in diversen Causen auf dem Laufenden und spekulierte mit ihm zum Beispiel über "WKStA-Insider", die Informationen nach außen spielten. "Bei nächster Gelegenheit kann ich dir noch ein paar interessante Dinge zu Leaks und politischen Motiven in der WKStA erzählen (...) Da tun sich Abgründe auf", informierte sie Fuchs dann im Dezember 2019. Dem OStA-Chef machte sie ein "Kompliment" für seine "Ruhe und Souveränität, zwischendurch habe ich mich schon für einen Teil der Kollegenschaft geniert". Fuchs bedankte sich für "die Blumen" und ließ sie wissen, dass ihre "konstruktive Wortmeldung" auch von Sektionschef Pilnacek "positiv registriert" worden sei.

"DANKESCHÖN"

So ging es hin und her. "Ich bin jedenfalls froh, eine OStA zu haben, die sich – manchen Unkenrufen zum Trotz – so um ihre Leute kümmert DANKESCHÖN", streute Poppenwimmer dem OStA-Chef im März 2020 erneut Rosen. "... und die OStA ist froh, so leistungsstarke und mitdenkende Mitarbeiter*innen zu haben, daher das Dankeschön gerne auch retour", erwiderte dieser. Die mitdenkende Mitarbeiterin hatte damals offenbar einen konkreten Karrieresprung vor Augen. Ende Februar 2020 ließ sie ihren Chatfreund wissen, dass ihr ein hoher Justizbeamter sein "Okay für die nächste Genprok-Zuteilung (Generalprokuratur, Anm.) gegeben hat. Jetzt müssen wir nur mehr die Behördenleiterin (der WKSTA, Anm.) überzeugen". Fuchs sagte ihr zu, "die Zuteilungsfrage" in der nächsten Woche anzusprechen.

Der Wechsel zur Generalprokuratur dürfte auch geklappt haben: Jedenfalls war Poppenwimmer dort sechs Monate lang dienstzugeteilt , bevor sie die Justiz Richtung Ainedter & Ainedter verließ. Wobei das kein Abschied auf ewig sein muss, denn: Poppenwimmer wurde von der OStA Wien für ein Jahr karenziert, um ihre Erfahrungen in der Anwaltei machen zu können.

Mit dieser Karenzierung will Fuchs nichts zu tun gehabt haben: Er habe seit 16. März 2021 sämtliche dienstrechtlichen und fachaufsichtsbehördlichen Angelegenheiten betreffend die WKStA abgegeben, erklärte er auf Anfrage. Und was sagt er zur regen Kommunikation mit Poppenwimmer? In seiner Funktion als Leiter der Dienstbehörde sei ihm "eine offene Kommunikation zu allen Kolleg:innen im Sprengel ein großes Anliegen". An konkrete Nachrichteninhalte könne er sich nicht mehr erinnern.

Intensiv ausgetauscht hat sich Fuchs auch mit Sektionschef Pilnacek, wie am Freitag der Falter berichtete. Die beiden überlegten im Sommer 2019, wie sie eine "undichte Stelle" bei der WKStA finden könnten. "Ich stelle mir Observation vor", sagte Pilnacek. Man müsse "scharf eingreifen", denn "die Truppe ist das Letzte". (Renate Graber, Oliver Das Gupta, Fabian Schmid, 11.2.2022)