Es ist kein Zufall, dass bei Demos gegen Covid-Maßnahmen und Impfungen Rechtsextreme und Neonazis an vorderster Front marschieren. Sie treten seit jeher weltweit immer dann auf den Plan, wenn sie bei Krisen die Chance wittern, Demokratien zu destabilisieren, um faschistische Regime zu installieren. Seien es Flüchtlingskrisen, der Klimawandel oder eben eine Pandemie. Die Themen sind zweitrangig. Für jene, die ihre Teilnahme an diesen Demos damit rechtfertigen, nur über die Regierung verärgert zu sein, aber nichts mit Nazis gemein zu haben, lohnt sich ein genauer Blick auf die Symbole, unter denen sie mitmarschieren.


Die Fotografin Marie E. Mark begleitet die Corona-Demos seit November 2021 jeden Samstag und hat die immer wiederkehrenden Flaggen und Symbole dokumentiert. STANDARD-Redakteurin Colette M. Schmidt hat sie analysiert.

Auch der Verschwörungsmythos vom Großen Austausch der Bevölkerung, den Identitäre und der Attentäter von Christchurch seit Jahren bedienen, findet sich auf Corona-Demos.
Foto: Markus Sulzbacher
Auf den ersten Blick erkennen viele vielleicht einfach nur die österreichische Flagge. Dass sie Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Covid-Demos verkehrt herum aufgezogen haben, ist kein Zufall, sondern ein unter Staatsverweigerern gängiger Code. Staatsverweigerer haben sich schon Jahre vor der Corona-Pandemie als demokratiefeindliche, oft rechtsextreme Bewegung, die den Staat und seine Rechtssprechung nicht anerkennen, formiert. Nach mehreren Prozessen gegen Anhängerinnen und Anhänger in Österreich war es leiser um sie geworden. Nun tauchen sie teils auf Demos der Corona- und Impfgegnerinnen wieder auf.
Foto: Marie E. Mark
Oft führt der Block mit dem Banner der "Querfront" ganze Demozüge an. Hinter dem Namen steht einer der bekanntesten Rechtsradikalen Österreichs: Gottfried Küssel. Der bekennende und mehrmals verurteilte Neonazi marschiert auch selbst regelmäßig bei den Kundgebungen mit. In seinem Dunstkreis finden sich auch die "fluiden Milieus" der Tanzbrigade, der Kampfsportgruppe Noricum oder Fußballhooligans der großen Wiener Klubs, so der Journalist und Extremismusexperte Michael Bonvalot. Teils firmieren sie weiter unter "Alpen Donau" – wie Küssels vom Netz genommene Neonazi-Website. Auf den Demos rekrutieren sie Personal.
Foto: Marie E. Mark
"Deus vult", Lateinisch für "Gott will es", war Wahlspruch des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem, unter dem blutige Kreuzzüge geführt wurden. Es ist auch eine Rechtfertigung für den Einsatz von Gewalt, um vorgeblich höhere Ziele zu erreichen. Heute ist es ein Slogan in der rechtsextremen Szene, der auch von der Identitären Bewegung (IB) verwendet wurde, die sich als eine Art moderne Reconquista darstellt, die Europa "zurückerobern" will. Seit die Symbole der IB in Österreich verboten wurden, schwenken sie auch Österreichs Flagge und wechselnde Slogans wie "An uns bricht eure Nadel".
Foto: Marie E. Mark
Eine Handvoll Männer und Frauen, die sich Freie Linke nennen, wurde auf Corona-Demos gesichtet. Sie tauchten zuerst auf den "Querdenker"-Demos in Deutschland auf, nun gibt es sie auch in Österreich. Was genau an ihnen – außer ihr Name – links sein soll, bleibt ein Mysterium, denn in der linken Szene kennt sie niemand, und sie sind mit dieser auch nicht vernetzt. Da sie erstmals auf Demos auftauchten, nachdem der Vorwurf laut wurde, dass dort Neonazis führend und organisatorisch zugange sind, könnte der Name eine irreführende False-Flag-Aktion sein.
Foto: Marie E. Mark
Die Gadsden-Flagge stammt ursprünglich aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus der Zeit der Amerikanischen Revolution. Benannt wurde sie nach dem Politiker und Offizier Christopher Gadsden. Heute wird sie in den USA von der extremen Rechten verwendet. Die Schlange auf schwarzem oder oft auch gelbem Grund wird häufig vom Schriftzug "Don’t tread on me" (Tritt nicht auf mich) begleitet. Auch diese Flagge ist durch die Corona-Aufmärsche in Österreich und Deutschland zu einem bekannten Symbol geworden, das zumindest ein Sympathisieren mit rechtsextremen Ideologien signalisiert.
Foto: Marie E. Mark
Auf den Corona-Demos werden immer wieder Vergleiche angestellt, die nicht nur geschmacklos, sondern auch strafbar sind. Wer die heutige Demokratie mit der NS-Diktatur vergleicht, verharmlost den Holocaust genauso wie jemand, der sich einen Davidstern auf die Brust heftet und sich zu den "neuen Juden", also Opfern des Holocausts, zählt. Es sind gerade Neofaschisten, die sich seit Jahren nicht nur Slogans und Ästhetik ihrer politischen Gegner aneignen, sondern sich auch noch mit Opfern ihrer Ideologien vergleichen. Andere imitieren das unreflektiert. Auch Vergleiche mit dem Austrofaschismus sah man auf den Demos.
Foto: Marie E. Mark
Die schwarz-weiß-rote Reichsflagge oder auch die zusätzlich mit einem Kreuz ausgestattete Reichskriegsflagge (hier mittig im Bild) sind einschlägige Symbole der Rechtsextremen in Deutschland und Österreich. Beide werden immer wieder gut sichtbar auf den Corona-Demos in Österreich mitgetragen. Unpolitische Menschen, die "nur gegen die Maßnahmen sind", haben sie eher nicht zu Hause im Schrank. Sie war Ende des 19. Jahrhunderts die Flagge der kaiserlichen Marine. Spätere Versionen dieser Flagge wurden aber auch noch in den frühen Jahren der nationalsozialistischen Diktatur als Reichskriegsflagge verwendet.
Foto: Marie E. Mark
Im antisemitischen Verschwörungsmythos der Neuen Weltordnung oder New World Order geht es darum, dass geheime Eliten versuchen, eine autoritäre Weltherrschaft zu errichten. An Fahrt nahm der Mythos in den USA der frühen 1990er-Jahre auf, nachdem der Gründer eines christlich-konservativen Vereins ein gleichnamiges Buch geschrieben hatte. Heute finden sich die meisten Fans dieser Erzählung in der extremen Rechten. Teilnehmer der Demos warnen auf Schildern und Transparenten vor den angeblich autoritären Geheimgesellschaften – während sie mit Anhängern autoritärer Ideologien Seite an Seite gehen.
Foto: Marie E. Mark
Wo Rechtsextreme marschieren, sind Burschenschafter oft nicht weit. Auch die Flagge der Jenaer Urburschenschaft sieht man vermehrt auf den Demos der sogenannten Maßnahmengegner und Impfgegnerinnen. Die sogenannte Urburschenschaft wurde am 12. Juni 1815 in einem Wirtshaus in Jena gegründet, nachdem sich mehrere Landsmannschaften aufgelöst hatten. Für Verbindungsmänner ein hoher Feiertag. Die Fahne der Urburschenschaft besteht aus zwei waagrechten roten Streifen und einem schwarzen Streifen in der Mitte, auf dem das in der Heraldik häufige, goldene Eichenlaub liegt.
Foto: Marie E. Mark
Die aus den USA stammende, stark antisemitische Verschwörungsideologie QAnon hat es während der Corona-Pandemie auch nach Europa geschafft. Sie ist ein aus einer Internetspielplattform stammendes Sammelbecken aus abstrusesten Verschwörungsmythen, deren Anhängerinnen und Anhänger in allen möglichen Ereignissen "Zeichen" von einem ominösen Q sehen. Auf Demos in Österreich tauchte wiederholt das Q in den Farben der US-Flagge oder auch als flammendes Q auf dunklem Grund auf. Auch die Abkürzung "WWG1WGA" für "Where we go one, we go all" ist QAnon zuzuordnen. (cms, 12.02.2022)
Foto: Marie E. Mark