Lange als fehleranfällig beschrieben, ist Manuel Feller mittlerweile Österreichs konstant Schnellster in den Technikbewerben.

Foto: AFP/TIZIANA FABI

Es heißt ja immer, dem Sport fehlen echte Typen. Alle zu sehr Profi, zu sehr bedacht darauf, was sie sagen und tun. Der Auftritt in den sozialen Medien ist ein erwartbarer Mix aus Training, Sponsorendank und Motivationsbildchen. Und doch tauchen sie dann immer wieder auf, jene Männer und Frauen, die sich eine Fangemeinde aufbauen, weil sie sich eben nicht verstellen, authentisch sind. BVB-Star Erling Haaland ist so einer. Oder Tennisprofi Nick Kyrgios. Manuel Feller zählt auch dazu.

In Flachau witzelte er einmal über die Piste, nannte sie eine "Märchenwiese" und gewann dann just da sein erstes Weltcuprennen. Beim Siegerinterview erklärte er, dass er noch nie so die Hosen voll hatte, gleich beim ersten Tor einzufädeln. Ein typisches Feller-Wochenende.

Wenn er grantig ist auf seine Leistung, dann lässt er es auch mal ORF-Reporter Rainer Pariasek spüren. Und freilich zipfen Feller hin und wieder auch große Entwicklungen in der Gesellschaft an – vom laschen Rauchverbot bis hin zu aufdringlichen Fans. Anstatt sich zurückzunehmen, haut er dann einen Spruch raus, oder gleich einen Rap. "Felli speaks his mind", nennt er das dann. Als ihn Ex-Rennläufer Christian Mayer für seine Fahrweise kritisierte, sagte er: "Deswegen lass ich es auch nicht, nur weil ein paar meinen, ich fahre scheiße."

Profi für den Körper

Es wirkt, als würde es ihm leichter fallen, mit ein paar negativen Reaktionen umzugehen, als den Ballast mit sich zu schleppen und "die Goschn zu halten", wie es der 29-Jährige formulieren würde. Das Feedback ist aber ohnehin überwiegend positiv. Das Mediale ist das eine, das Sportliche das andere.

Fellers Körper zwingt den Fieberbrunner, ein disziplinierter Vollprofi zu sein. Früh schon plagten ihn seine Bandscheiben, 2014 war deshalb überhaupt seine Karriere in Gefahr. Schmerzfreies Rennfahren ist nur möglich, wenn er eisern trainiert und Physiotherapie macht.

Selbst wenn er alles investiert, lässt der Rücken manchmal keine Spitzenleistung zu. Als der Technikspezialist heuer sein Heimrennen am Ganslernhang in Kitzbühel wegen einer Coronainfektion versäumte, schmerzte ihn der Bewegungsmangel in der Isolation mehr als der verpasste Slalom.

Der erste Lauf beim Schladminger Nightrace, quasi frisch aus der Quarantäne heraus, war dann von fehlender Spannung geprägt. Dass es mit Platz 28 noch gerade so für Lauf zwei reichen sollte, ärgerte ihn zunächst fast, weil er noch einmal fahren musste. Nur um im zweiten Durchgang aus den letzten Kraftreserven einen Traumlauf herauszuzaubern. Am Ende wurde er Dritter. "Je härter der Kampf, umso süßer der Erfolg", lautet sein Motto.

Der Glaube an seine Fähigkeiten hat ihn stets durch schwierige Phasen gebracht. Seine schmale Skiführung gilt als zu riskant, seine enge Linienwahl als anfällig für Einfädler. Früher fuhr er mit wilden Auf-und-ab-Bewegungen, heute wirkt er so stabil wie die Wetterlage in Yanqing.

Inzwischen gilt nicht nur Fellers Slalom- , sondern auch sein Riesenslalomschwung als einer der absolut schnellsten. Fünfmal fuhr er in dieser Saison aufs Podest. Beim olympischen Riesentorlauf am Sonntag (3.15/6.45 Uhr) ist er Medaillenfavorit, obwohl er nach seiner Anreise als Kontaktperson eingestuft wurde und isoliert trainieren musste.

Kritik, wo es sein muss

Feller machte vor seiner Abreise keinen Hehl aus seiner Kritik an Winterspielen in China, dort, "wo es zwar kalt ist, aber in der Regel kein Schnee fällt". Seiner Sorge um die Umwelt und der mangelnden Nachhaltigkeit des Wintersports entspringen auch immer wieder mutige Ideen: In Monaten ohne r soll es eine Pflichtpause geben und nicht trainiert werden dürfen. Feller schlug auch einmal einen Ausbaustopp für neue Liftanlagen vor. Er sieht sich als Naturbursch, zeltelt gerne in den Bergen oder am See und fischt sich dann auch schon mal selbst sein Essen. Er betreibt Yoga, hört gern Reggae und Dancehall.

Dass Feller bei Großereignissen abliefert, hat er mit WM-Silber in St. Moritz 2017 und Team-Silber bei Olympia 2018 bewiesen. Dass er Erfolge mit seinen engen Freunden, "seinen Mandern", feiern kann, ebenso. In nichtpandemischen Jahren erholt er sich mit ihnen von harten Wintern auf Jamaika. Die Geburt seiner Kinder habe ihn nicht zwangsläufig ruhiger werden, aber anders auf Dinge blicken lassen. Er will unterhalten, sagt er.

Sportler seien privilegiert, das betont er immer wieder, weil sie auch in der Pandemie ihren Beruf ausüben dürfen. Dass er Skiprofi wird, war für Feller früh klar. Er besuchte die Skihauptschule Neustift und später das Skigymnasium in Stams. Bei der Junioren-WM 2013 holte er Gold im Slalom. Dabei war Feller nicht nur von Siegen verwöhnt. In den starken Tiroler Nachwuchskadern musste er um Stockerlplätze kämpfen. Er lag dennoch immer klar vor einem der Autoren dieser Zeilen, wie alte Ergebnislisten beweisen. Feller musste also ein Guter werden. Ein echter Typ eben. (Fabian Sommavilla, Lukas Zahrer, 12.2.2022)

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