Wilde Tastenreise durch die Jahrhunderte: Jacky Terrasson.

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Wien – Könnte Jacky Terrasson eine Band aus historischen Größen zusammenstellen, wünschte er sich an jedem Instrument Saxofonist John Coltrane, einen der zentralen Innovatoren des Jazz. Das wirkt etwas einseitig. Der 1965 in Berlin geborene Pianist meint allerdings Coltranes Musizierhaltung. Terrasson, der seine Karriere startete, indem er den Monk-Wettbewerb (1993) gewann, schätzt die Besessenheit und Konsequenz, mit denen der Kollege Musikideen radikal ausreizte und zu Ende dachte.

Diese Haltung pflegt auch Terrasson, kommt aber natürlich zu anderen Ergebnissen. Der Polyglotte ist klassisch geschult, was man am klangfarblichen Zugang merkt, der an französische Impressionisten (wie Claude Debussy) erinnert. Plötzlich ausbrechende Rasanz rückt Terrasson wiederum in die Nähe des Bebop-Tastenkollegen Bud Powell. Natürlich kann er auch poppig melodiös klingen. Zumeist sind solche Momente jedoch Vorboten einer originellen Dekonstruktion, die sich ins Freitonale begeben kann.

Der alles kann

Kurzum: Der Künstler kennt und kann alles und bündelt die Einflüsse zu einer individuellen improvisatorischen Erzählung. Auch bei der Repertoireauswahl existieren keinerlei Dünkel. Terrasson mixt den Jazzklassiker Body and Soul schon mal mit Michael Jacksons Beat it und fantasiert auch gerne über Chaplins Tränenschlager Smile oder das melancholische Lacrimosa aus Mozarts Requiem. Am Sonntag ist der "unberechenbare" Sohn eines französischen Computerspezialisten und einer amerikanischen Dekorateurin im Trio im Jazzclub Porgy & Bess zu hören. (Ljubisa Tosic, 13.2.2022)