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Jaissles Bestellung war wegen seiner Jugend nicht kritiklos. Der Erfolg gibt Sportdirektor Christoph Freund recht.

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Matthias Jaissle hat geschafft, woran Adi Hütter, Marco Rose und Jesse Marsch gescheitert sind: Er hat RB Salzburg ins Achtelfinale der Champions League gebracht. In der Bundesliga hat der 33-Jährige 15 von 19 Spielen gewonnen. Die Generalprobe für das Heimspiel gegen den FC Bayern am Mittwoch (21 Uhr) ist mit einem 2:1 gegen Rapid gelungen, die Bayern hinterfragten nach dem 2:4 gegen Bochum ihre Mentalität.

STANDARD: Wie viele Tage haben Sie seit dem Ende der Herbstsaison verbracht, ohne an Fußball zu denken?

Jaissle: Es waren nicht all zu viele. Ich habe natürlich versucht, auch mal abzuschalten, das ist mir am besten gelungen, als ich auf den Ski stand. So richtig loslassen ist als Cheftrainer von Red Bull Salzburg schwierig.

STANDARD: Man bekommt von außen den Eindruck, dass Sie den Fußball sehr intensiv leben. Ist das heutzutage ein Muss auf diesem Niveau?

Jaissle: Es gibt nach wie vor sehr viele unterschiedliche Trainercharaktere. Ich bin einer, der das Ganze mitlebt, das passt einfach zu mir. Grundsätzlich ist es wichtig, dass jeder den Job authentisch lebt. Dann führen unterschiedliche Führungsstile zum Erfolg.

STANDARD: Wie hätte der Spieler Matthias Jaissle den Trainer beschrieben – und wie gut hätte er mit ihm können?

Jaissle: Ich glaube, er hätte ganz gut mit ihm können. Ich hatte ja den einen oder anderen Lehrmeister, von dem ich etwas mitgenommen habe. Ich versuche als Trainer immer wieder, mich in die Spieler reinzudenken, was ihnen jetzt wichtig ist. Und ich versuche, sowohl auf dem Platz als auch außerhalb eine klare Linie zu haben. Auf dem Platz arbeiten wir viel mit Prinzipien; wenn es um die Führung der Mannschaft geht, lege ich großes Augenmerk auf Werte. Von dem her weiß man bei mir schnell, woran man ist, Kommunikation ist mir im Umgang mit den Jungs wichtig. Das habe ich als Spieler auch geschätzt.

Matthias Jaissle anno 2008: Aus der großen Spielerkarriere, die ihm viele prophezeiten, wurde wegen Verletzungen nichts. Es blieb bei 31 Bundesligaspielen und je einem U20- und U21-Länderspiel.
Foto: imago sportfotodienst

STANDARD: Welche Werte sind da noch zentral?

Jaissle: Respekt, eine hohe Leistungsbereitschaft in jeglicher Hinsicht, sowohl von den Spielern als auch von meinem Staff. Es gilt ja nicht nur, 30 Spieler zu führen – du hast auch 30 Staff-Mitglieder. Da sind Leistungsbereitschaft, Respekt, Kommunikation und Vertrauen im Umgang miteinander sehr wichtig.

STANDARD: Als Sie Co-Trainer waren, haben Sie immer mit Trainern gearbeitet, die stark mit diesen Rangnick-Prinzipien – Gegenpressing, Umschalten – gearbeitet haben (Jaissle war Co von Sebastian Hoeneß und Alexander Zorniger, Anm.). Waren Sie jemals in Versuchung, sich einmal einen ganz anderen Trainer anzuschauen?

Jaissle: Ich bin aufgrund meiner Herkunft als Spieler einfach total überzeugt von dieser Art und Weise des Fußballs. Da habe ich gespürt, welche Dynamik und Energie sie mitbringt. Das ging in Fleisch und Blut über. Natürlich versucht man sich als Trainer permanent weiterzuentwickeln, aber die Basis bleibt. Ich glaube, man hat im Herbst schon eine eigene Handschrift gesehen. Ich hole mir aber schon auch neue Impulse von Trainern, die nicht zwingend für diese Art des Fußballs stehen.

STANDARD: Wer ist von außerhalb dieses Kosmos der spannendste Trainer?

Jaissle: Es gibt sehr viele. Julian Nagelsmann hat bewiesen, was für ein guter Trainer er ist, da lässt man sich schon mal inspirieren. Thomas Tuchel, der im Nachwuchs bei Stuttgart mein Trainer war, Pep Guardiola, Jürgen Klopp … Man versucht, spezielle Merkmale rauszunehmen.

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Rollkragenpulli, Sakko, Stecktuch, je nach Wetter Mantel: Matthias Jaissles modische Outfits veranlassen Salzburg-Fans in Onlineforen zu Witzen über regelmäßige Dates nach dem Spiel.
Foto: REUTERS/Cathrin Mueller

STANDARD: Was war das Wichtigste, das Sie neu in die Mannschaft bringen wollten?

Jaissle: Es galt, die hier seit Jahren erfolgreich gelebte Basis weiterzuentwickeln. Neue Lösungen mit dem Ball, klarere Abläufe gegen den Ball, verschiedene Varianten, was die Pressinghöhe betrifft, gerade auch international. Man muss genau analysieren, welche der vielen Prinzipien für dieses Spiel hervorzuheben sind, da waren wir sehr im Detail unterwegs. Das war auch eines der Puzzleteile, die uns den Einzug ins Achtelfinale ermöglicht haben.

STANDARD: Sie mussten in der Defensive wegen Ausfällen viel improvisieren, trotzdem hat es meist sehr gut funktioniert. Haben Sie etwas so verändert, dass es weniger Eingespieltheit gebraucht hat?

Jaissle: Schwer zu sagen. Wir arbeiten eben sehr im Detail mit Prinzipien und versuchen, den Jungs Werkzeuge an die Hand zu geben. Sie wissen in jeder Situation ganz genau, was sie machen müssen. Ich bin überzeugt, dass es den Jungs hilft, auch im Kollektiv bestmöglich zu spielen, weil jeder weiß, was der andere zu tun hat.

STANDARD: Auf das Achtelfinale hat der ganze Verein mehr als ein Jahrzehnt hingearbeitet. Erzählen Sie mir bitte nicht, dass die Vorbereitung die gleiche ist wie immer.

Jaissle: Das erzähle ich Ihnen tatsächlich nicht, weil zwischen Auslosung und Partie sehr viel Zeit war, speziell auch im Urlaub. Deswegen gab es den einen oder anderen Tag, wo ich mich mit den Bayern beschäftigt habe. Aber Sie dürfen mir glauben: Unmittelbar vor den Spielen gegen den LASK und Rapid war Bayern kein Thema. Aber die spielfreie Zeit, da bin ich ehrlich, ist sehr stark auf die Vorbereitung der Champions-League-Spiele gefallen.

STANDARD: Ich nehme an, Sie werden mir den Matchplan nicht verraten.

Jaissle: Den Matchplan erfährt wahrscheinlich nicht mal mein bester Kumpel.

STANDARD: Deswegen frage ich etwas anderes. Ist der Matchplan für Ihr Team recht bald offensichtlich, oder überlegt man wochenlang zwischen verschiedenen Ansätzen hin und her?

Jaissle: Das ist eigentlich so, wie es in den letzten Spielen immer war. Aus einer Vielzahl von Überlegungen findest du immer mehr deinen Plan, die Jungs hören und sehen ihn am Samstag zum ersten Mal. Da ist der Plan dann in Stein gemeißelt. Der beinhaltet immer noch weitere Optionen und Lösungen, wir haben immer noch einen Plan B und C.

STANDARD: Nimmt man zur Vorbereitung die Matches gegen Bayern der Vorsaison her? Es hat sich ja viel geändert.

Jaissle: Genau. Natürlich hat man da auch mal reingeschaut, aber speziell schaut man sich die Spiele der aktuellen Bayern-Mannschaft an, sowohl was die Spieler als auch den Trainer betrifft.

Jaissle sammelte unter anderem als Co-Trainer von Alexander Zorniger in Bröndby Erfahrung.
Foto: imago/Aleksandar Djorovic

STANDARD: Robert Lewandowski hat 82 CL-Tore geschossen, grob – und wahrscheinlich schlecht – geschätzt hat der ganze Salzburg-Kader etwa so viele CL-Spiele. Macht das was – oder überschätzt man den Faktor Erfahrung?

Jaissle: Auch das ist schwierig zu beantworten. Wir haben unseren Weg, mit jungen Talenten zu arbeiten, von dem her stellt sich die Frage nicht. Im Sommer hatten wir gemeint, dass mit der jungen Truppe und diesem Riesenumbruch dieses Jahr wenig möglich ist. Wir haben es trotzdem geschafft, ins Achtelfinale einzuziehen, und Historisches erreicht. Ich halte wenig von der Erfahrungsgeschichte, es geht um die Qualität auf dem Platz. Die ist bei Bayern überragend, aber wir wissen auch, was wir können. Natürlich sind wir der klare Außenseiter. Aber wir wollen wieder mutig, frech und selbstbewusst auftreten und für einen geilen Champions-League-Abend sorgen.

STANDARD: Braucht es diesen einen Quotenroutinier wie Andreas Ulmer? Wenn nicht auf dem Platz, dann zumindest in der Kabine?

Jaissle: Andi ist natürlich sehr wichtig für uns. Aber ich mache das generell gar nicht vom Alter abhängig. Es gibt auch junge Spieler, die diese Führungspersönlichkeit auf dem Platz leben.

STANDARD: Wer wäre das?

Jaissle: Da können wir einige aufzählen, ich will da gar nicht groß auf Einzelne eingehen. Wir entwickeln ja nicht nur Technik und Taktik, sondern versuchen auch die Persönlichkeit mitzuentwickeln. Ich würde gern von Ihnen wissen, von wem Sie das denn glauben?

STANDARD: Ich tue mir da schwer, es fühlt sich auf dem Platz nach einer sehr flachen Hierarchie an. Ich persönlich gehe dann immer von Innenverteidigern und Sechsern aus ...

Jaissle: Aufgrund der Achse, ja. Ich gebe Ihnen recht, aufgrund der fast homogenen Altersstruktur, weil außer Andi alle jung sind, ist es recht flach. Aber wenn ich schon einen hervorhebe, dann vielleicht einen Jungspund wie Nici Seiwald. Der hat auf dem Platz solche Führungsaufgaben übernommen. Ebenso wie beispielsweise Max Wöber oder Rasmus Kristensen, um nur mal zwei weitere zu nennen.

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Nach einem Jahr als Cheftrainer des FC Liefering wurde Jaissle auf den Trainerposten beim Bundesliga-Serienmeister befördert.
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STANDARD: Überlegt man sich bewusst, auf welchem Gebiet man einen Spieler jetzt am meisten weiterbringen will?

Jaissle: Ja, es ist die Aufgabe des Trainerteams, dass man erkennt: Welches Potenzial hat die Mannschaft? Welches Potenzial hat der einzelne Spieler? Das ist schon sehr unterschiedlich. Es gibt welche, die haben ganz banale Themen wie Verbesserung von Abwehrkopfball, es gibt Spieler, die Fortschritte machen müssen, was die Positionierung angeht, Laufwege. Das ist ja das Schöne, dass es so vielfältig ist. Es ist mittlerweile ein sehr komplexer Beruf.

STANDARD: Ich würde das zum Abschluss gerne angreifbar machen. Ich sage Ihnen vier Namen, und Sie sagen mir, in welchem Bereich Sie diesen Spieler aktuell am meisten verbessern wollen. Nummer eins: Karim Adeyemi.

Jaissle: Ich glaube, dass er für die Schnelligkeit, die er hat, sogar noch torgefährlicher werden kann.

STANDARD: Rasmus Kristensen? So einen Leistungssprung, wie der im Sommer gemacht hat, habe ich überhaupt noch nie gesehen.

Jaissle: Ja, Rasmus hat sich enorm entwickelt, hat aber trotzdem noch Potenzial im Spiel mit dem Ball.

STANDARD: Andi Ulmer?

Jaissle: Andi Ulmer darf sich gerne noch steigern, was seine Quote der Tore und Vorlagen angeht.

STANDARD: Und zum Abschluss Matthias Jaissle. Was soll der verbessern?

Jaissle: Geile Frage. Das müssen Sie meine Spieler oder den Sportdirektor fragen. (Martin Schauhuber, 14.2.2022)