"Ich hatte alles verloren", erzählt Frau P. Die betriebliche Sozialberatung habe ihr geholfen, ihr Leben zu ändern.

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Was tun, wenn man als personalverantwortliche Person eines Unternehmens mit existenziellen Problemen der Mitarbeitenden konfrontiert wird? Um diese oft komplexen Probleme privater und betrieblicher Natur zu lösen, bietet die Caritas der Erzdiözese Wien Hilfe in Form von Betrieblicher Sozialberatung an. Eine Klientin erzählt dem STANDARD, wie dieses Programm ihr Leben veränderte.

"Ich hatte alles verloren – mein Selbstbewusstsein, meinen Glauben an mich selbst und die Hoffnung, dass ich meine Situation ändern könnte. Ich war eine Person, die sich nichts mehr getraut hat", sagt Frau P. Ihre Caritas-Beraterin Frau S. sitzt neben ihr. Sie strahlt Kraft und Zuversicht aus. Man spürt das starke Band zwischen den beiden Frauen. Ihre gemeinsame Reise begann vor zwei Jahren.

Unternehmen können bei der Caritas gegen Bezahlung Sozialberatungsleistungen erwerben. Diese können dann von den Mitarbeitenden der Unternehmen anonym und kostenfrei in Anspruch genommen werden. Liest man die Themenliste der Hilfestellungen, ahnt man, dass diese lebensrettend sein können: Partnergewalt, drohende Wohnungslosigkeit, Schulden, Behördengänge, psychische und körperliche Probleme.

Umfassende Hilfe

Frau P. berichtet, ihr wurde von ihrem Partner Gewalt angetan, sie stand vor den Trümmern ihres Lebens und wusste nicht mehr weiter. "Ich habe mich für meine Probleme geschämt", erzählt sie. Eine Freundin spricht ihr Mut zu und begleitet sie zur ersten Stunde: ein Schlüsselmoment in ihrem Leben.

Das Team der Betrieblichen Sozialberatung der Caritas Wien betreut derzeit rund 10.000 Personen in 17 Unternehmen. Ziel ist es, die Krankenstände zu senken, Fluktuationen zu verringern und die betriebliche Arbeitssituation zu verbessern. Sabine Kaufmann, Leiterin dieses Caritas-Programms, macht klar, was das Charakteristische ihrer Leistung ist: "Wir kümmern uns um alle Belange und Probleme unserer Klientinnen und Klienten. Wir bieten psychosoziale Betreuung an, klären Ansprüche auf Sozialleistungen, unterstützen und begleiten beim Gang durch den Behördendschungel, suchen Wohnungen, kümmern uns um Aufenthaltsbewilligungen und vieles mehr."

Prävention

"Ich habe erlebt, wie es Schritt für Schritt weitergeht. Meine Beraterin sagte, ich könnte mich bei jeder Kleinigkeit melden, und sie hielt auch ihr Wort", erinnert sich Frau P.

Alexander Heider, Leiter der Abteilung Sicherheit, Gesundheit und Arbeit der Arbeiterkammer Wien, drängt darauf, dass Unternehmen auch präventiv in die mentale und körperliche Gesundheit ihrer Mitarbeiter investieren sollten.

"Ich hätte mir niemals erträumt, so viel zu erreichen", sagt Frau P., "wieder eigenständig zu sein und auch Vertrauen in mich selbst zu haben: Ich fühle mich wie ein neuer Mensch."

Sie trennte sich von ihrem Partner, hat inzwischen eine eigene Wohnung, und der Streit um die Alimente der Kinder wurde gelöst. Ein Finanzplan soll helfen, die Schulden abzubauen, und der Job im Einzelhandel geht ihr nun auch leichter von der Hand. (Natascha Ickert, 16.2.2022)