Jubel, Trubel, Goldmedaille.

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Stefan Kraft, Daniel Huber, Jan Hörl und Manuel Fettner haben es möglich gemacht.

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Am Ende hat jeder einen Pandabär.

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Jan Hörl brachte Österreich mit einem Satz auf 137,5 Meter auf Goldkurs.

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Die Skispringer der österreichischen Olympiamannschaft haben geschwindelt. Nach dem Einzelbewerb auf der Großschanze wirkte das Team von Trainer Andreas Widhölzl angeschlagen und verzweifelt – zumindest in der Öffentlichkeit. "Es wird ein extremer Battle werden, wenn wir eine Medaille holen wollen", sagte etwa Manuel Fettner vor dem Teamspringen. Das Wort "Gold" wollte unter ihnen niemand in ein Mikrofon sprechen.

Anders klang das in internen Besprechungen. Widhölzl gab die "Mission Gold" aus, auch wenn nicht alle restlos davon überzeugt waren. Daniel Huber grübelte wegen seiner Leistungen, Stefan Kraft sehnte sich nach seiner ersten Olympiamedaille, kam aber in den Wettkämpfen nicht in Fahrt. Die Herangehensweise an den Teambewerb war daher defensiv. Kraft sagte, er wolle mit dem Team um Medaillen mitspringen, argumentierte aber wie ein Verteidiger vor Gericht: "Du kannst auch gut springen und Vierter werden." Österreich sprang gut. Österreich wurde Erster.

Das Quartett, bestehend aus Kraft, Huber, dem am Montag sensationellen Jan Hörl und Fettner, setzte sich mit 942,7 Punkten vor Slowenien durch, das 8,3 Punkte dahinter landete. Deutschland holte sich mit 19,8 Punkten Rückstand erst im letzten Sprung noch hauchdünn Bronze vor Norwegen.

Aufholjagd

"Im hintersten Hirnkastl dachten wir an Gold", sagte Mario Stecher, Sportdirektor für die nordische Sparte im ÖSV, nach dem überraschenden Triumph, "und das nicht erst seit heuer." Es ist die Goldmedaille schlechthin, auf die die Skisprungnation Österreich vier Jahre hinarbeite, sagte Stecher. Kraft sprang als Erster und brachte sein Team gleich in die Defensive. Er kämpfte bei minus 22 Grad gegen anhaltenden Rückenwind von Zhangjiakou, der für viele Verzögerungen und einen vorerst zähen Wettkampf sorgte. Der Salzburger riss im ersten von acht Springergruppen einen Rückstand von 17 Punkten auf, vor allem Slowenien und Norwegen begannen stark.

Als Zweiter kam Daniel Huber an die Reihe. So schräg das auch klingt, er verteidigte zunächst den Rückstand, ließ die Lücke nicht zu groß werden. Dann änderte Österreich die Taktik, stellte auf Angriff: Hörl gewann seine Sprunggruppe, Fettner hielt mit Leader Slowenien mit.

Als Halbzeitzweiter ging Österreich in den zweiten Durchgang. Der Wind wurde stärker, plötzlich war jener Sprung der beste, der am wenigsten schlecht war. Diese Übung gelang Kraft am besten, nach fünf Sprüngen lag Österreich erstmals auf Platz eins. Huber gab die Führung wieder ab, Hörl sorgte mit seinem zweiten starken Sprung abermals für eine Führung, die Fettner letztlich solide ins Ziel brachte.

Wegen der Verhältnisse gab es große Unterschiede bei den Windpunkten, die den Wettkampf ja eigentlich fairer machen sollen, aber auch einen größeren Korridor in der Windstärke möglich machen. Österreich erwischte mit seinen Sprüngen sicherlich keine unglücklichen Zeitpunkte, auch das gehört zu solch einer Team-Goldmedaille. Stecher: "Wir haben die Gunst der Stunde genutzt."

Ehrlich und offen

In einem Teamspringen kann schon ein schwacher Sprung eine Topplatzierung zunichtemachen. Dass Österreichs vier Athleten ausgerechnet in diesem Bewerb ihre Bestleistungen abriefen, hat zwischenmenschliche Gründe.

Fettner erklärte etwa, in der Vergangenheit in Einzelspringen selten ein gutes Gefühl gehabt zu haben. Im Team fühlte er sich wohler, weil es schön sei, die Last auf viele Schultern zu verteilen. Trainer Widhölzl betonte die "gute Chemie" im Team: "Es ist viel Offenheit und Ehrlichkeit vorhanden." Das helfe in Momenten, in denen es eng wird. So könne man sich gemeinsam aus einem Loch holen.

Im Weltcup gewann Österreich in diesem Winter bereits zwei Teamspringen, dennoch waren andere Teams wie Slowenien, Norwegen und auch die zuletzt schwächelnden Deutschen zu favorisieren. Am Montagabend bildeten letztlich alle drei Teams im Auslauf Menschentrauben. Sie posierten für Gruppenfotos, aus allen Ecken kamen regelmäßig Jubelschreie.

"Ich möchte", sagte Widhölzl noch, "dass wir die beste Mannschaft der Welt sind." Fettner krönte sich zum ältesten Skisprung-Olympioniken, Österreich holte zum dritten Mal nach 2006 und 2010 Teamgold. Widhölzl: "Wir werden nicht lockerlassen." (Lukas Zahrer aus Zhangjiakou, 14.2.2022)

Ergebnis:

1. Österreich (Stefan Kraft 127,5/121,5, Daniel Huber 130,5/129, Jan Hörl 133/137,5, Manuel Fettner 128/128) 942,7

2. Slowenien (Lovro Kos 134/120, Cene Prevc 132/132, Timi Zajc 124/126, Peter Prevc 129/127) 934,4

3. Deutschland (Constantin Schmid 126,5/122, Stephan Leyhe 127,5/129, Markus Eisenbichler 136/139,5, Karl Geiger 121/128) 922,9

4. Norwegen 922,1 – 5. Japan 882,8 – 6. Polen 880,1 – 7. Russland 806,5 – 8. Schweiz 791,5

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Reaktionen

Stefan Kraft: "Ich glaube, das ist der schönste Tag meines Lebens, obwohl ich schon so viel gewonnen habe. Gemeinsam mit dem Team bei einem Großereignis ganz oben zu stehen, Olympiasieger mit den besten Freunden zu werden, das ist unglaublich. Ich wollte unbedingt etwas mit heimnehmen, das hat man gesehen bei meinen ersten Durchgängen, jetzt habe ich es endlich."

Daniel Huber: "Wir waren heute mannschaftlich wirklich verdiente Olympiasieger. Olympiasieger... yeah. Für mich waren es zwei zähe Wochen, ich habe nicht so die Lösung gefunden, aber mich für heute nochmals richtig hingekämpft. Es war mental das Schwierigste meiner Karriere, so viele Hochs und Tiefs. Abnormal, was da heute abgegangen ist."

Manuel Fettner: "Unglaublich geil. Dass wir vier uns Olympiasieger nennen dürfen, ist richtig cool. Wir haben heute alle einen guten Job gemacht. Teamspringen ist immer eine eigene Geschichte, da gewinnt oft nicht der Ausreißer nach oben. Wir haben definitiv keinen nach unten gehabt, das war heute unsere große Stärke. Es war keine grüne Linie da, daher haben sie mir den Moment genommen, dass man drüberfliegt und es gleich realisiert, dass es geklappt hat. Unglaublich, was da alles passiert ist! Mir persönlich bedeutet das extrem viel. Es geht nicht nur um die Medaillen, sondern um den ganzen Wettkampf, dass ich mitfighten konnte. Das ist auch immer ein bisschen eine Glücksgeschichte, aber wir haben gewusst, wir haben die Chance, und dass wir bis zum letzten Mann alles geben müssen. Jetzt werden wir es krachen lassen! Mit WM-Titel kann man es nicht ganz vergleichen. Olympia ist nochmals eine Stufe drüber. Es war richtig schön, als Letzter oben zu stehen. Mir ist es lieber, die Burschen legen mir etwas vor, als ich muss etwas aufholen und mehr machen, als ich draufhabe. Ich bin mega-happy und es war eine sensationelle Erfahrung."

Jan Hörl: "Das ist ein unbeschreibliches Gefühl. Ich konnte meine besten Sprünge zeigen, es macht einfach richtig Freude, mit dem Team ganz oben zu stehen. Das ist ein Gefühlschaos. So eine Medaille wollte ich immer, jetzt habe ich sie mit dem Team und das in Gold, unglaublich! Ich war so nervös, aber es war so kalt und ich musste mich darauf konzentrieren, warm zu bleiben. Jetzt stehen wir mit dem Team ganz oben!"

Andreas Widhölzl: "Sie haben alle vier einen Superjob gemacht, vor allem bei diesen schwierigen Verhältnissen. Sie haben es alle cool gemacht, Fetti hat es heimgebracht. Ein Teambewerb ist immer auch die Leistung der ganzen Mannschaft, der Betreuer, die das ganze Jahr hackeln. Das geht von April weg und wenn man so belohnt wird, ist das umso besser. Ich war lange als Athlet dabei und als Trainer auch schon ein paar Jahre, aber so nervös war ich selten. Ich habe mich versteckt, damit ich nicht zuschauen muss. Aber ich habe volles Vertrauen in die Athleten, sie haben toll gearbeitet an den letzten Tagen. Wir haben einen sehr guten Team-Spirit, ich glaube, wir haben es auch verdient, dass wir gewonnen haben."

Mario Stecher: "Das ist natürlich die Goldmedaille schlechthin, für die man als Skispringernation vier Jahre lang arbeitet. Da müssen alle Trainer und Serviceleute miteingeschlossen werden, an sie geht riesengroßer Dank des Verbandes. Sie haben unglaubliche Arbeit geleistet und heute haben sie den Erfolg einfahren dürfen. Es war extrem knapp, das Team hat einfach gepasst heute, wir haben wahrscheinlich auch die Gunst der Stunde genutzt. Es war einfach schön zum Zuschauen. Bei den Frauen waren die Umstände nicht ganz glücklich, aber wenn man Team-Olympiasieger wird, müssen viele Sachen ganz gut stimmen, jetzt dürfen wir uns einmal freuen. Das ist ein wunderschönes Gefühl, weil alle gemeinsam den Erfolg genießen können. Jetzt können alle gemeinsam richtig feiern."