Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), NHM-Generaldirektorin Katrin Vohland und US-Botschafterin Victoria Reggie Kennedy mit der Delegation des Office of Hawaiian Affairs. (v.l.n.r.)

Foto: APA/K. Juhasz

Menschliche Überreste gehen in der Debatte um die Rückgabe kolonialen Raubguts oft unter. Dabei sind die Millionen vor allem im 19. Jahrhundert aus aller Welt nach Europa verbrachten Gebeine ethisch noch fragwürdiger zu sehen als Kulturobjekte: Anders als diese dienten menschliche Überreste nämlich keiner wissenschaftlichen Erkenntnis, die heute anerkannt wäre, sondern hauptsächlich der Untermauerung pseudowissenschaftlicher Rassentheorien.

Rückgaben, man spricht hier würdevoller von Repatriierung, gab es bislang nur wenige. In Wien gab 2015 das Weltmuseum u. a. einen tätowierten Maori-Schädel an Vertreter aus Neuseeland zurück. Gestern, Montag, repatriierte das Naturhistorische Museum Wien (NHM), dessen anthropologische Sammlung mit den völkerkundlichen Beständen des Bundes historisch zusammenhängt, ebenfalls zwei menschliche Schädel, diesmal an die indigenen Hui Iwi Kuamo’o aus Hawaii (USA).

Kritischer Erwerbskontext

Die Übergabe fand in einer feierlichen Zeremonie samt Gebet statt. Die Republik war durch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) vertreten, entgegengenommen wurden die Schädel einer Frau und eines Mannes von einer Delegation des Office of Hawaiian Affairs, das sich seit 2017 für Repatriierungen einsetzt.

Davor reiste die Delegation bereits nach Bremen, Göttingen, Jena und Berlin und nahm dort größere Konvolute an Repatriierungen entgegen, insgesamt wird man mit 58 Gebeinen nach Hawaii zurückkehren. Das Office of Hawaiian Affairs hat in 30 Jahren bereits 120 Repatriierungsfälle angestoßen, großteils werden die Gebeine rückbestattet.

Neben dem Sammeln von menschlichen Überresten und Kulturgütern war im 19. Jahrhundert auch die Darstellung von Menschentypen weit verbreitet. Ein Gemälde aus dem Saal XVI im NHM von Ludwig Hans Fischer (1848–1915). James Cook "entdeckte" 1778 das heutige Hawaii, deren Inseln er damals Sandwichinseln nannte.
Foto: Naturhistorisches Museum Wien

Im deutschen Fall handelt es sich um Konvolute, die der Forschungsreisende Otto Finsch 1879 auf einem Gräberfeld in Hawaii zusammenraubte. Am NHM ist die Sache verwickelter: Beide Köpfe wurden nach der Plünderung von Grabstätten auf der Insel O’ahu um 1850 durch den englischen Geologen und Händler William Lowthian Green erworben. Über den englischen Arzt Joseph Barnard Davis gelangten sie wahrscheinlich an den österreichischen Arzt und Schädelforscher Augustin Weisbach (1837–1914). Und Teile seiner Sammlung wurden damals an das NHM Wien übergeben.

Zu kolonial belasteten Beständen läuft aktuell im NHM ein Forschungsprojekt. Direktorin Katrin Vohland ist zudem Teil einer neuen Kommission, die Regeln für Kolonialrestitution erarbeiten soll. (Stefan Weiss, 14.2.2022)