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Seit Wochen demonstrieren tausende Menschen in Kanada. Mit Lastwägen und anderen Fahrzeugen blockieren sie Teile Ottawas.

Foto: Reuters/BLAIR GABLE

Angesichts der seit Wochen aufgeheizten Proteste in Kanada gegen die Corona-Politik plant Premier Justin Trudeau den erstmaligen Einsatz eines Notstandsgesetzes. Dies bestätigte Trudeau am Montagabend vor Journalisten: "Die Bundesregierung hat sich auf das Notstandsgesetz berufen, um die Kapazitäten der Provinzen und Territorien zur Bewältigung der Blockaden und Besetzungen zu ergänzen".

Der historische Schritt soll den Behörden also kurzzeitig die Macht verleihen, Bürgerrechte zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung außer Kraft zu setzen. Von den Plänen der liberalen Regierung, mit dem erstmaligen Einsatz des Gesetzes seit seiner Erlassung in den 80er-Jahren gegen die Straßenblockaden in Ottawa durchzugreifen, hatte zuvor bereits der öffentliche TV-Sender CBC berichtet. Trudeau war am Wochenende mit seinem Krisenteam zusammengekommen. "Wir werden weiter sicherstellen, dass die zuständigen Behörden auf Stadt-, Provinz- und Landesebene das haben, was sie brauchen, um diese Blockaden zu beenden und die Sicherheit der Bevölkerung zu schützen", hatte er im Anschluss mitgeteilt.

Bereits zuvor hatte Trudeau angesichts der seit rund drei Wochen anhaltenden Trucker-Proteste die gewaltsame Auflösung von Blockaden nicht ausgeschlossen und die Blockaden illegal genannt. Mit Ontario hatte eine der betroffenen Provinzen bereits einen Notstand ausgerufen.

Waffenlager entdeckt

Die kanadische Polizei hat am Montag indes eine schwer bewaffnete Gruppe von Demonstranten festgenommen. Elf Teilnehmer einer Blockade des Grenzübergangs in Coutts im Bundesstaat Alberta seien in Gewahrsam genommen worden, teilte die Polizei mit. Die Beamten hatten nach Hinweisen auf eine "kleine organisierte Gruppe" mit Zugang zu einem Waffenlager drei Lastwagen durchsucht. Dabei wurden nach Polizeiangaben mehrere Gewehre und Handfeuerwaffen sowie Schutzkleidung, eine Machete und "große Mengen Munition" sichergestellt. "Die Gruppe soll bereit gewesen sein, Gewalt gegen die Polizei anzuwenden, falls Versuche unternommen würden, die Blockade zu stören", erklärte die Polizei.

Der Grenzübergang zwischen Coutts und dem US-Bundesstaat Montana wird seit mehreren Tagen von Aktivisten blockiert, die sich mit den Demonstranten in der Provinz Ontario, dem Epizentrum der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen, solidarisieren.

Seit Wochen demonstrieren dort Tausende Menschen gegen Corona-Maßnahmen und Impfvorschriften. Mit Lastwagen und anderen Fahrzeugen blockieren sie unter anderem Teile der Hauptstadt Ottawas und weitere Grenzübergänge zu den USA. Gegenstand der Proteste waren zunächst Impfvorschriften für Lastwagenfahrer und danach die staatlichen Pandemiebeschränkungen insgesamt. Im Jänner trat eine Verordnung in Kraft, nach der auch Lastwagenfahrer, die aus den USA zurückkehren, einen Impfnachweis vorlegen müssen.

Ambassador-Brücke wieder frei

Am Wochenende hatten Einsatzkräfte ein weiteres Zentrum der Proteste geräumt: Nach fast einwöchiger Blockade fließt der Verkehr auf einer wichtigen Grenzbrücke zwischen der Stadt Windsor in Kanada und Detroit in den USA wieder. Nach einer einstweiligen Verfügung eines kanadischen Gerichts hatten die Behörden damit begonnen, die Proteste in der Gegend aufzulösen.

Der Polizei von Windsor zufolge wurden am Wochenende mehr als zwei Dutzend Menschen festgenommen sowie ein Dutzend Fahrzeuge beschlagnahmt oder abgeschleppt. Die Blockade der Ambassador Bridge sowie weiterer Grenzübergänge führte nach Trudeaus Worten zum Stopp der Autoproduktion von sechs Herstellern wegen fehlender Teile. Über die Brücke fließen 25 Prozent des kanadisch-amerikanischen Güterverkehrs – das entspricht pro Tag einem Warenwert von umgerechnet 275 Millionen Euro. Die Region ist wirtschaftlich über die Grenze hinaus eng verwoben.

Proteste fortgesetzt

Andernorts gingen die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen der kanadischen Regierung weiter: In Ottawa harrten Trucker trotz eisiger Kälte weiter aus. Dort habe es am Wochenende ebenfalls zahlreiche Festnahmen gegeben, teilte die Polizei mit. Die Demonstranten hätten teils "aggressives Verhalten" gezeigt und Polizisten "überwältigt".

Weite Teile der Bevölkerung hatten Trudeaus teilweise sehr strikten Anti-Covid-Kurs in den vergangenen zwei Jahren mitgetragen. In jüngsten Studien zeichnet sich allerdings eine mögliche Trendwende ab, auch wenn das Bild noch nicht eindeutig ist. Auch einige Anhänger des 50-Jährigen nahmen der grassierenden Omikron-Variante geschuldete Maßnahmen wie neue Reiseeinschränkungen und von lokalen Regierungen verordnete Schließungen der Innenräume von Bars und Restaurants als übertrieben wahr. (APA, 14.2.2022)