Zur Belohnung gibt es einen Pandabären.

Foto: APA/Hong

Was für eine Geschichte.

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Peking – Dank Muts zum Risiko und eines perfekten letzten Versuchs ist Snowboarderin Anna Gasser zu ihrem zweiten Olympiagold gesprungen. Mit einem Cab Double Cork 1260, den sie erstmals in einem Bewerb zeigte, fing sie die favorisierte Neuseeländerin Zoi Sadowski Synnott noch ab und kürte sich in Peking so wie 2018 in Pyeongchang zur Olympiasiegerin im Big Air. Mit 185,50 Punkten setzte sich Gasser vor Sadowski Synnott (177,00) und der Japanerin Kokomo Murase (171,50) durch.

"Es ist so unerwartet für mich. Es hat heuer nie hundertprozentig gepasst, und heute nach all den Monaten in denen ich ein bisschen Pech hatte, hat alles zusammengepasst. Das macht es umso schöner. Dieses Mal habe ich gar nicht so an das Ergebnis gedacht. Ich wollte einfach meine Tricks machen und mein Bestes zeigen. Ich wäre auch mit Bronze heute zufrieden gewesen", erklärte Gasser, die nun einer exklusiven Gruppe angehört. Die 30-Jährige ist Österreichs erste Doppelolympiasiegerin, die nicht aus dem Alpinbereich kommt. Das war davor nur Trude Jochum-Beiser, Petra Kronberger und Michaela Dorfmeister gelungen.

Neuer Trick

Die Kärntnerin war vom ersten Sprung an auf Medaillenkurs. Mit einem Frontside Double Cork 1080 holte Gasser 90 Zähler und reihte sich hinter Sadowski Synnott auf Platz zwei ein. Mit einem Backside Double Cork 1080 (86,75 Punkte) behauptete sie Rang zwei und verkürzte den Rückstand auf 0,25 Punkte. Bei ihrem finalen Sprung, vor dem sie Silber schon sicher hatte, packte Gasser erstmals in einem Bewerb den Cab Double Cork 1260. Der Sprung mit dreieinhalb Drehungen, davon zwei über Kopf, gelang ihr perfekt.

Dank 95,50 Punkten, der letztlich höchsten Wertung des Bewerbs, setzte sie Sadowski Synnott unter Druck. Im Unterschied zum Slopestyle, als sich die Neuseeländerin mit ihrem letzten Versuch Gold gesichert hatte, konnte Sadowski Synnott diesmal nicht nachlegen. "Zu sehen, wie Anna den Cab 12 springt und ihre Medaille verteidigt, war ein großartiger Moment und wir freuen uns alle füreinander", erklärte die Silbermedaillengewinnerin neidlos.

Dass vor dem finalen Sprung ein Platz auf dem Podium sicher war, hat Gasser nochmal beflügelt. "Dass ich eine Medaille habe, hat natürlich ein bissi gehoffen. Ich wusste, ich fahre nicht mit leeren Händen heim, habe zwei super Tricks gestanden. Und diesen einen Trick habe ich noch nie im Wettkampf gemacht, aber ich habe ihn so hart trainiert, ich wollte ihn unbedingt im Wettkampf zeigen. Ich habe mir gedacht: Ich hätte es mir verdient, dass ich den lande. Wegen diesem Trick bin ich hergefahren. Ich habe ihn in keinem Training gemacht, aber ich habe innerlich gewusst: Ich könnte nicht besser vorbereitet sein", sagte Gasser über ihren gelungenen Premierensprung.

Sorgen und Freude

Den hatte sie eigentlich schon früher im Bewerb geplant gehabt. "Ich wollte eigentlich mit dem Cab Double 1260 starten, aber es war minimaler Uphill-Wind. Ich habe mein Programm umgestellt, weil ich mir gedacht habe: Ich habe nicht den Speed, dass ich den verkehrt anfahre. Dabei habe ich mir extra was Enges heute angezogen. Es war heute wirkliches Freestyle-Snowboarden, weil alles sehr spontan entschieden worden ist", erzählte die Kärntnerin.

Zu wenig Speed war auch schon im Vorfeld eine Sorge, dazu kam die Verletzung ihres Lebensgefährten. "Eigentlich war die Vorbereitung für den Wettkampf extrem schwer", sagte sie im Hinblick auf Clemens Millauer, der sich im Training den Knöchel gebrochen hatte.

"Ich war nicht gut drauf nach den Trainings. Ich habe damit gehadert, dass ich den Trick trainiert habe und es daran scheitert, dass ich im Anlauf zu langsam bin. Als er sich wehgetan hat, habe ich gar nicht mehr so an den Bewerb gedacht, meine Perspektive hat sich ziemlich verändert. Man denkt sich dann, dass es wichtigere Sachen als die Medaille gibt. Der Clemens ist so eine wichtige Person für mich, eine Stütze. Ich wusste im ersten Moment nicht, wie ich das schaffen soll. In Korea war er die Person, die mir geholfen hat und mich beruhigt hat. Aber ich habe mit ihm vor dem letzten Sprung telefoniert. Irgendwie ist er doch heute mitgefahren", erzählte Gasser.

Letztlich hat es aber geklappt, und Gasser sorgte für die 16. Medaille des ÖOC-Teams in Peking (6 Gold, 6 Silber, 4 Bronze) und die vierte für die ÖSV-Snowboarder nach Gold für Benjamin Karl und Alessandro Hämmerle sowie Silber durch Daniela Ulbing. (APA, 15.2.2022)

Snowboard, Big Air Frauen:

1. Anna Gasser (AUT) 185,50 Pkt.
2. Zoi Sadowski Synnott (NZL) 177,00
3. Kokomo Murase (JPN) 171,50
4. Reira Iwabuchi (JPN) 166,0
5. Rong Ge (CHN) 160,00
6. Melissa Peperkamp (NED) 141,75

Anna Gasser (Doppelolympiasiegerin, via ORF): "Ich kann es gar nicht glauben. Ich hätte heute wirklich nicht damit gerechnet. Ich hätte mir nicht gedacht, dass ich heute Favoritin bin. Dass es so gut gelaufen ist, dass ich den letzten Sprung zeigen habe können, den habe ich so hart trainiert, da bin ich einfach überglücklich. Ich muss sagen, ich war gar nicht so nervös für den Bewerb. Ich habe gewusst, ich muss mein Bestes zeigen. Ich wollte mein Bestes zeigen. Ich wäre glücklich gewesen mit einem dritten oder zweiten Platz. Wenn ich Vierte geworden wäre, wäre es natürlich bitter gewesen, aber ich hätte auch damit leben können. Dass das mit einem Sieg belohnt wird, ist der Wahnsinn – ich freue mich so."

Karl Stoss (ÖOC-Präsident, via ORF): "Mit sechs Goldenen sind wir super unterwegs. Ich freu mich vor allem für die Anna. Diese drei souverän gestandenen Sprünge, das ist wirklich toll. 16 Medaillen ist ein großartiges Ergebnis für Österreich. Ich hoffe, dass wir an diesem Tag noch einige mehr machen. Ich habe Österreich irgendwo zwischen 14 und 17 eingeschätzt, nun sind wir jetzt schon so gut. Das freut mich als Österreicher und Präsident des ÖOC ganz besonders. Besonders freut mich, dass wir so breit aufgestellt sind. Wir können überall mit vorne dabei sein."

Roswitha Stadlober (ÖSV-Präsidentin): "Ich habe eine große Freude. Ich habe gewusst, dass sie es bringen kann. Sie war ja vornehm zurückhaltend in ihren Aussagen, für sich selbst wird sie gewusst haben, dass sie abliefern kann. Doppelolympiasiegerin muss man erst einmal werden. Sie hat ja auch erwähnt, dass die Jungen nachdrängen, sie ist ja immer noch jung, aber zählt im Big Air schon zu den Älteren, das ist ihr jetzt hoch anzurechnen, dass sie sich auf so einem Level gehalten hat. Dazu kommt die schwere Verletzung von Clemens, das war für sie sicher nicht leicht, trotzdem ist sie konzentriert geblieben. Anna Gasser ist eine wirkliche Persönlichkeit, sie hat am Höhepunkt ihre beste Leistung abgeliefert."

Clemens Millauer (Lebensgefährte von Gasser): "Ich habe vor dem Fernseher die Daumen gedrückt und gejubelt. Dass sie den letzten Sprung, der von Anfang an geplant war, dass sie den so gut reinbekommt, war das Nervenaufreibendste. Dass es hingehaut hat, war natürlich sehr schön. Sie hat, ohne an sich zu zweifeln, ihre Tricks perfekt gemacht. Es hat mich am meisten gefreut, dass sie wieder an einem so wichtigen Tag all das perfekt hervorholt, was sie in den letzten Jahren trainiert hat. Sie ist heute wirklich ihr bestes Snowboarden gefahren. Für mich ist es wegen der Verletzung bitter, aber es ist einfach cool, dass es sich für die Anna ausgezahlt hat."

Patrick Cinca (ÖSV-Snowboard-Freestyle-Headcoach): "Anna macht aus, dass sie jeden Tag konzentriert ist, dass sie einen genauen Plan im Kopf hat, den sie sich selbst zurechtgelegt hat. Sie hört nicht auf zu trainieren, bevor sie zufrieden ist. Sie hat so eine Hingabe für den Sport, dass sie alles andere vernachlässigt, es geht nur ums Snowboarden. Sie findet jeden Tag aufs Neue die Motivation, alles zu geben. Sie nützt alles aus, um das Maximum herauszuholen. Heute ist sie definitiv auch für Clemens gefahren, er ist immer bei ihr, stützt sie in jeder Lebenslage, in Höhen und Tiefen. Wir haben beide gedacht, dass sie das heute schaffen kann."

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