Um die Verkehrsopfer unter wandernden Kröten gering zu halten, werden häufig Kübel installiert und Amphibien schließlich von Freiwilligen auf die andere Straßenseite transportiert – mit enormem Zeitaufwand.

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Was haben die Marillenblüte und tausende totgefahrene Frösche und Kröten gemeinsam? Nichts, sollte man denken, außer dass beide Ereignisse in den Frühling fallen. Tatsächlich lässt sich diese oberflächlich scheinende Verbindung dazu benützen, die amphibischen Opfer des Straßenverkehrs zu reduzieren, wie österreichische Forschende mithilfe von Citizen Science kürzlich herausgefunden haben.

Erdkröten und Grasfrösche gehören zwar zu den häufigsten Amphibien Europas, weisen aber wie alle anderen Lurche seit Jahren einen Abwärtstrend im Bestand auf: Schuld daran ist neben Lebensraumverlust, Pestiziden und Krankheiten auch der Straßenverkehr. Beide Arten sind sogenannte Explosivlaicher, bei denen sich das gesamte Fortpflanzungsgeschehen einer Population innerhalb weniger Tage abspielt.

Gefährliche Wanderungen

Erdkröten verbringen die kalte Jahreszeit in Winterstarre an frostfreien Orten wie in Kompost- oder Laubhaufen oder unter Baumwurzeln. Gewöhnlich Ende Februar, Anfang März, oft bei Regen und wenn die Temperaturen fünf bis zehn Grad erreichen, verlassen sie ihre Winterquartiere und machen sich auf den Weg zu ihren Laichgewässern. Diese können bis zu zwei Kilometer entfernt sein. Häufig müssen die Tiere dabei Straßen überqueren, wobei sie in großer Zahl dem Verkehr zum Opfer fallen.

Forschungen zeigten einen zeitlichen Zusammenhang der Krötenwanderungen mit der Marillenblüte.
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Ähnliches spielt sich bei Grasfroschpopulationen ab, die an Land überwintern, nur dass die Art schon viel früher in Erscheinung treten kann: Einige Tiere wandern bereits ab Ende Jänner zu den Laichgewässern, der Großteil ist jedoch im März unterwegs und wird dabei auch häufig überfahren.

Der Grasfrosch fällt in Österreich in die Kategorie "gefährdet", die Erdkröte ist unter "Gefährdung droht" gelistet. Es gibt verschiedene Maßnahmen, mit denen die Ausfälle durch den Straßenverkehr reduziert werden sollen: So gibt es entlang einiger Straßen in der Nähe von Laichgewässern Zäune, die die Tiere zu sicheren Unterführungen leiten. Häufiger sind jedoch temporäre Strukturen im Einsatz, bei denen die Amphibien in Kübel fallen und von Freiwilligen auf die andere Straßenseite getragen werden, wenn sie nicht überhaupt einzeln über die Straße transportiert werden.

Warten auf Amphibien

Dass solche Maßnahmen neben einer Menge guten Willens auch viel Zeit erfordern, lässt sich leicht nachvollziehen. Ein Problem dabei ist, dass der Zeitpunkt der Amphibienwanderungen je nach Witterung von Jahr zu Jahr variiert. Dadurch besteht nicht nur die Gefahr, dass die Helfer viele Stunden mit unnötigem Warten zubringen, sondern auch, dass etwa temporäre Zäune zu spät aufgestellt werden.

Die Zeit für den Beginn der Einsätze wird gewöhnlich von erfahrenen Personen geschätzt, ist jedoch kaum verlässlich zu beurteilen. Forschende der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien rückten dieser Unsicherheit nun mit einer auf den ersten Blick ungewöhnlichen Methode erfolgreich zu Leibe.

Blühen die Marillen am 1. März, starten die Amphibien gewöhnlich fünf Tage danach.
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Die Idee war, einen zeitlichen Zusammenhang zwischen den Kröten- und Froschwanderungen und dem Blühbeginn bestimmter Pflanzen zu finden, denn beide – so die Überlegung von Florian Heigl, Daniel Dörler und Johann Zaller vom Institut für Zoologie – werden von denselben Faktoren bestimmt, nämlich vor allem Tageslänge und Temperatur.

Damit eine solche Analyse Aussichten auf Erfolg hat, braucht es allerdings eine gewaltige Menge an Daten – und die Geduld, sie auszuwerten. Letztere brachte Maria Peer im Rahmen ihrer Masterarbeit ein: Sie sichtete und verglich die diesbezüglichen Beobachtungen aus den Citizen-Science-Projekten naturbeobachtung.at des Naturschutzbundes Österreich, Roadkill der Boku, Herpetofauna des Naturhistorischen Museums Wien und Phenowatch der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, einer Forschungseinrichtung des Wissenschaftsministeriums.

Bei all diesen Projekten sind interessierte Laien aufgefordert, Sichtungen von Tieren und Pflanzen zu melden, wobei es bei Phenowatch vor allem darum geht, bestimmte Pflanzen das ganze Jahr über zu dokumentieren – so auch den Zeitpunkt, an dem sie zu blühen beginnen.

Korrelationen im Datenberg

Insgesamt 11.569 Beobachtungen aus den Jahren 2000 bis 2018 standen zur Verfügung, 3751 für die Amphibien und 7818 für die Pflanzen. Peers Aufgabe war es nun, Korrelationen zwischen den Daten zum Beginn der Laichwanderungen und der Blüte von sieben ausgewählten Pflanzenarten, nämlich Lärche, Rosskastanie, Birke, Marille, Salweide, Haselnuss und Schneeglöckchen, zu finden, sofern sich welche feststellen ließen.

Der stärkste zeitliche Zusammenhang ergab sich dabei zwischen der Marillenblüte und den Wanderungen von sowohl Erdkröte als auch Grasfrosch: Blühen die Marillen am 1. März, starten die Amphibien gewöhnlich fünf Tage danach. Je später jedoch die Bäume dran sind, desto näher an dem Termin beginnen die Tiere zu wandern: bei der Blüte am 11. März schon drei Tage danach und am 21. März so gut wie gleichzeitig. In diesem späten Fall, so die Experten, ist es von Vorteil, die Marillenknospen im Auge zu behalten, um mit Schutzmaßnahmen für die Amphibien nicht zu spät zu kommen. In Gegenden, wo keine Marillenbäume wachsen, ist auch die Salweide ein guter Zeitpunktbestimmer.

Die Ergebnisse aus dem Projekt, die kürzlich im Fachjournal "Scientific Reports" publiziert wurden, sollen freiwilligen Helfern in nächster Zeit in Form von Aussendungen zugänglich gemacht werden, wie Maria Peer erklärt. "Wir befinden uns in einer Biodiversitätskrise", gibt die junge Ökologin zu bedenken, "da ist es wichtig, alles auszuschöpfen, um die Schutzmaßnahmen zu verbessern." (Susanne Strnadl, 19.2.2022)