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Die Frachtbahnen werden vom Straßengüterverkehr peu à peu abgehängt. Einspringen müssen die Steuerzahler.

Foto: dpa / Peter Endig

Wien – Trotz anhaltender Beeinträchtigungen durch die Pandemie und teilweise schmerzhafter Abwanderung von Frachtkundschaft zur privaten Güterbahnkonkurrenz scheint der ÖBB-Gütersparte Rail Cargo Austria (RCA) für das Vorjahr ein Rekordergebnis sicher. Geschuldet ist diese erfreuliche Botschaft allerdings nicht so sehr der längst wieder auf Touren laufenden Konjunktur samt anziehendem Transportgeschäft, sondern einer hausinternen Transaktion.

Das erschließt sich aus dem aktuellen Firmenbuchauszug der RCA. Die ÖBB-Güterbahn hat ihren Anteil an der ÖBB-Werkstättentochter Technische Services (TS) von 51 auf 25 Prozent reduziert. Mit dem daraus erzielten Erlös lässt sich die RCA-Bilanz 2021 ordentlich aufpolieren. Auf rund 80 Millionen Euro taxieren mit der Materie vertraute Eisenbahner den aus diesem Titel lukrierten außertourlichen Gewinn.

Schwierige Zeiten

Das Ergebnis des überwiegend mit öffentlichen Verkehrsdienstleistungen betrauten Teilkonzerns ÖBB-Personenverkehr wird sich im selben Ausmaß reduzieren. Denn die ÖBB-Personenverkehr AG hielt bis dahin die zweite Hälfte an TS.

Der Deal kommt für den Personenverkehr eigentlich zur Unzeit. Denn die Schienenpersonenverkehr-Tochter der Staatsbahn ist von der Pandemie nicht minder betroffen als der Güterverkehr. Im Gegenteil, pandemiebedingt bleiben noch immer viele Fahrgäste aus und mit ihnen die Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf, die dank regionaler und österreichweiter Klimatickets auch noch erodierten. Selbstredend, dass auch der touristische Fernreiseverkehr auf Schmalspur unterwegs war und ist.

Hohe Energiekosten

Hinzu kommt die Belastung steigender Energiekosten und des Dieselpreises. Letzterer trifft insbesondere den ÖBB-Postbus, weil die Busverkehre teurer werden.

Höhere Diesel- und Strompreise treffen natürlich auch den ÖBB-Güterverkehr, der darüber hinaus eine ungünstige Kostenstruktur mit sich herumführt. Da kommen die Millionen aus dem Verkauf der mit Reparatur und Instandhaltung des Fuhr- und Wagenparks der Staatsbahn betrauten ÖBB-TS gerade recht. Der Kaufpreis muss zwar einem Drittvergleich standhalten, darf also nicht höher sein als bei einem Verkauf der ÖBB-Werkstättentochter an konzernfremde Investoren, eine Bilanzverschönerung ist er trotzdem.

Wertefluss angepasst

Die Änderung habe nichts mit Gewinnen oder Verlusten zu tun, betont ÖBB-Sprecherin Gabi Zornig. Vielmehr gehe es darum, dass die Leistungen der TS mehrheitlich vom ÖBB-Personenverkehr in Anspruch genommen werden, was wesentliche Investitionen bei TS auslöse. Die Anteilsverhältnisse würden nun "an das tatsächliche Leistungsverhältnis und den Wertefluss angepasst". Mit der Übertragung werde auch eine Optimierung der Steuerung ermöglicht, TS und ihr Mehrheitseigner ÖBB-Personenverkehr würden besser abgestimmt, Ziele rascher und effektiver erreicht.

Der so gelobte hausinterne Verkauf hat freilich eine langfristige unangenehme Nebenwirkung: RCA verliert einen Teil der seitens TS verlässlich geflossenen Dividenden, die überwiegend aus den umfangreichen Services und Reparaturarbeiten des Personenverkehrs resultierten. RCA profitierte also indirekt von den – überwiegend von der öffentlichen Hand finanzierten – Aufträgen des Personenverkehrs an TS.

Niedrigere Schienenmaut

Im Prinzip kommt der hausinterne Verkauf spät, denn geplant war dies bereits 2020. Damals erhielt die RCA allerdings vom Bund eine von der EU-Wettbewerbskommission in Brüssel genehmigte "substanzstärkende" Kapitalspritze. Und: Allen Frachtbahnen in Österreich wurde das Infrastrukturbenützungsentgelt (IBE), also die an Netzbetreiber ÖBB-Infrastruktur zu entrichtende Schienenmaut, drastisch gesenkt. Der RCA brachte dies pro Jahr rund 60 Millionen Euro. Ob diese IBE-Senkung über März hinaus verlängert wird, wird im Verkehrsministerium noch diskutiert.

Illegal sind Bilanzverschönerungen wie der TS-Verkauf übrigens nicht. In der ÖBB gehört das inzwischen schon zur wohlgeübten Praxis. 2013 beispielsweise wurden tausende Güterwagen der RCA in ihre Tochter Rail Cargo Wagon verschoben und zurückgemietet. Das brachte damals 56 Millionen Euro Buchgewinn. 2019 holte man die Güterwagen zurück (die seither zu errichtenden Wagenmieten waren operativ ein Klotz am Bein). Der dabei lukrierte Verschmelzungsgewinn belief sich auf 49,98 Millionen Euro, die zu den Güterwagen gehörigen Darlehen summierten sich auf 171 Millionen Euro.

Konzerninterner Verschub

Damals wurden außerdem die Verschubloks an den Schwesterkonzern ÖBB-Infrastruktur verkauft, was weitere 35 Millionen Euro in die RCA-Kassen spülte – und laufend für Erleichterung sorgt. Denn den Verschub samt Personal finanziert seither der Bund im Wege von Zuschüssen an die ÖBB-Infrastruktur, zuletzt mit rund 120 Millionen Euro, wie der Rechnungshof vorrechnete. Hauptprofiteur: die RCA, die als eine der wenigen Frachtbahnen in Europa noch den unrentablen Einzelwagenverkehr anbietet und damit den Modal Split – wie von der klimabewegten Politik gewünscht – hoch hält.

Stichwort Verschub: Ebenfalls in die Konzernschwester ÖBB-Infrastruktur verschoben wurden damals diverse Terminals, Logistikcenter und Verladestellen. Das entlastete RCA insbesondere bei den Personalkosten, denn mit den Terminals wurden 220 (Alt-)Eisenbahner mitverschoben. (Luise Ungerboeck, 16.2.2022)