Der 13-jährige Husein S. war Nachwuchs-Tischtennisspieler in Salzburg. Am Dienstag wurde er nach Aserbaidschan abgeschoben.

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Ein Jahr nach der Einsetzung der Kindeswohlkommission der Bundesregierung ist erneut ein in Österreich verwurzeltes Kind abgeschoben worden. Der 13-jährige Husein S. und seine Eltern lebten seit sechs Jahren in Österreich. Husein ging in die Mittelschule, gilt als guter Nachwuchs-Tischtennisspieler, spricht fließend Deutsch und war bestens integriert. Seine Mutter, die ebenfalls gut Deutsch kann, hatte bereits die Zusage für eine Arbeitsstelle als Putzfrau in einem Hotel und für eine eigene Mietwohnung. Am Dienstag sind Husein S. und seine Eltern über Istanbul nach Baku ausgeflogen worden.

Nach Österreich gekommen war die Familie 2016, nachdem sie Aserbaidschan Hals über Kopf verlassen hatte, weil sie nach eigenen Angaben von einer kriminellen Bande verfolgt wurde. Das Asylverfahren ging bereits durch mehrere Instanzen. Der Asylantrag wurde abgelehnt, die Beschwerde und auch eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht abgewiesen. Auch der Antrag auf humanitäres Bleiberecht wurde abgelehnt.

Tränen im Abschiebezentrum

Walter Windischbauer, der Obmann des Tischtennisvereins UTTC Salzburg, bei dem Husein S. aktiv war und ein Vertrauter der Familie, hat die Mutter am Mittwoch telefonisch erreicht: "Es geht ihnen den Umständen entsprechend gut, aber sie wollen nur eines, nämlich zurück nach Österreich", sagt Windischbauer, der bis zuletzt versucht hatte, die Abschiebung zu verhindern. Nach der Ankunft in Aserbaidschan sei die Familie ein paar Stunden bei einem Bekannten untergekommen und dann weitergefahren nach Lenkoran, wo die Großmutter von Husein lebt.

Der 13-Jährige habe über "unerträgliche Zustände" in dem Abschiebezentrum in Wien berichtet, erzählt Windischbauer. "Sie haben immer nur geschrien mit ihm, er musste viel weinen." Der Wachdienst habe zu ihm gesagt, wenn er nicht aufhöre zu weinen, werde er in den Keller gesperrt und bekomme nichts mehr zu essen, bis der Flieger komme. "Wie man Kinder so behandeln kann, versteh ich nicht. Das ist für mich unerträglich", sagt Windischbauer.

Bub bat um Schulaufgaben

Husein S. habe am Montagabend noch seinen Tischtennistrainer angerufen und sich für die Unterstützung seiner Familie bedankt. "Er hat darum gebeten, dass wir die Schule bitten, seine Aufgaben zu übermitteln", sagt Windischbauer. Er wolle die Schule per Distance-Learning weitermachen.

Der Fall erinnert an die ebenfalls 13-jährige Tina, die im Jänner 2021 in der Nacht nach Georgien abgeschoben worden war. Mittlerweile ist Tina mit einem Schülervisum wieder zurück in Österreich – allerdings ohne ihre Eltern und Geschwister. Nach ihrem Fall ist eine Kindeswohlkommission unter der Leitung von Irmgard Griss eingesetzt worden. Im Juli 2021 hatte die ehemalige Höchstrichterin einen Bericht vorgelegt, wonach die Kinderrechte bei Abschiebungen in der Praxis nur unzureichend gewürdigt würden.

Keine Fortschritte für Einrichtung

Im aktuellen Fall sieht die ehemalige Vorsitzende der Kommission erneut das Kindeswohl als zu wenig berücksichtigt an. "Ich kann mir keine Gründe vorstellen, die es in einem solchen Fall notwendig machen, ein Kind abzuschieben", sagt Irmgard Griss dem STANDARD. "Der ist gut integriert und nicht straffällig geworden, warum macht man das?" Zudem sei eine wesentliche Empfehlung der Kommission verletzt worden, nämlich Schüler nicht während des laufenden Schuljahres abzuschieben. "Er hatte keine Möglichkeit, sich von seinen Freunden zu verabschieden. Das ist unmenschlich", betont Griss.

Die Kommission verlangte bereits im Sommer die Einrichtung einer Institution, die sich um das Monitoring des Kindeswohls in der Vollziehung kümmert, mit entsprechenden Mittel. Es habe zwar Bemühungen gegeben, diese einzuführen, doch bis heute gebe es dabei keine Fortschritte, sagt Griss. Es bestehe dringender Bedarf für eine solche Institution: "Es muss eine Einrichtung geben, an die man sich wenden kann und die auch im Vorfeld die Rechte der Kinder berücksichtigt", betont Griss. Kinderrechtsexperten für die Besetzung einer solchen Stelle gebe es.

Salzburger Politiker setzten sich ein

Auch Salzburger Politiker aller Regierungsparteien haben sich für einen Verbleib des 13-Jährigen ausgesprochen und dafür ohne Erfolg eingesetzt. "Es wurde keine Rücksicht seitens der Behörden auf das Kindeswohl genommen", sagt Jugendlandesrätin Andrea Klambauer (Neos) und fordert, dass die Empfehlungen der Kommission umgesetzt werden. Soziallandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) sieht die Kinderrechte bei Asylverfahren zu wenig berücksichtigt. Und auch Sportlandesrat Stefan Schnöll (ÖVP) will sich bemühen, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, damit Husein S. wieder zurückkommen kann.

Ob Husein S. nun auch ein Schülervisum beantragen werde, ist noch unklar, heißt es von Walter Windischbauer. Er habe noch nicht mit der Mutter darüber gesprochen, "ob sie uns ihr Kind anvertrauen will". (Stefanie Ruep, 17.2.2022)