Bild nicht mehr verfügbar.

Regisseurin Kurdwin Ayub wurde auf der Berlinale für das beste Debüt prämiert.

Foto: Ronny Hartmann/Pool via AP

Ausgerechnet Losing My Religion von R.E.M. ist die Musiknummer, zu der die drei jungen Frauen ihr selbst gebasteltes Video drehen. Alle tragen einen Hijab und wackeln mit den Hüften, aber nur eine von ihnen ist muslimischen Glaubens. Der Kurzfilm geht schnell viral. Er provoziert und wird über die Community hin aus gefeiert. Es geht um Selbstbestimmung, ohne dabei die kulturellen Wurzeln zu kappen – und darum, als junge Frau seine Lust am Leben zu de monstrieren.

Das Video ist Teil der Erzählung von Kurdwin Ayubs Spielfilm Sonne, der auf der Berlinale am Mittwochabend mit dem Preis für das beste Debüt ausgezeichnet wurde. Das ist ein großer internationaler Erfolg für die 31-jährige Wienerin, die darin ihre eigenen Erfahrungen als Tochter aus dem Irak stammender Kurden zu einem sehr zeitgenössischen Teenagerfilm verdichtet.

Yasmin, die zentrale Figur des Films, trägt Konflikte aus, die Ayub selbst gut kennt – etwa jenen, zwischen zwei Kulturen zu stehen und nirgendwo ganz dazuzugehören. Das wird aber nicht als Problemfilm erzählt, sondern offener, verspielter. Rollen sind nicht festgezurrt, sondern in Bewegung. Die Sprache ist authentisch, also gern ein bisschen derb.

Schnoddrig, hinterfragend

Die Eltern in Sonne hat Ayub mit ihren eigenen besetzt. Sie sind Ärzte, während des ersten Golfkriegs über die Türkei nach Österreich geflohen und am Rande von Wien ansässig geworden. In ihrem Dokumentarfilm Paradies, Paradies (2017) kehrt Ayub mit ihrem Vater in das Herkunftsland zurück, weil er dort eine Wohnung kaufen will. Ihre charakteristisch schnoddrige, nie um einen Kommentar verlegene Art kann man schon darin erleben. Ironisch werden Geschlechterrollen, Patriotismus und Familienkonstellationen hinterfragt.

Von ihrem Vater hat Ayub, die sich schon als Zwölfjährige einen Hollywoodfilm ausdachte, ihre erste Videokamera erhalten. Beworben hat sie sich dann in einem ersten Schritt an der Angewandten in Wien, wo sie Performancefilme drehte, die sie schneller als andere ihres Jahrgangs bekanntmachten. Sie ist darin selbst als Darstellerin zu sehen, die sich hintersinnig in Rollenspielen und Posen erprobt, dabei oft humorvoll Weiblichkeitsbilder hinterfragt.

Mit dem von Ulrich Seidl produzierten Sonne feiert Ayub, die sich auch im Regieverband engagiert, nun ähnlich rasant im Kinofilm ihren Einstand. Anfang April wird der Film auch die Diagonale in Graz eröffnen. (Dominik Kamalzadeh, 17.2.2022)