In Burkina Faso ist nun Offizier Paul-Henri Damiba an der Macht.

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Weniger afrikanische Staatschefs als beim gegenwärtigen Gipfeltreffen der Afrikanischen Union (AU) und der EU in Brüssel waren zu diesem Anlass noch nie geladen – obwohl die AU mit 55 Mitgliedern derzeit so groß wie noch nie ist. Der Grund für den Rückgang: In Mali, Burkina Faso, Guinea und im Sudan fanden in den vergangenen Monaten militärische Umstürze statt: Deren AU-Mitgliedschaft ist deshalb ausgesetzt.

Zum Glück der Europäer wurden die Afrikaner in diesen Fällen selbst aktiv: Zu Beginn des eigentlich alle drei Jahre stattfindenden Gipfels war es über die Liste der Einladungen noch jedes Mal zum Streit gekommen. Bereits das zweite, für 2003 geplante Treffen fiel ganz ins Wasser, weil die EU darauf bestand, dass der damalige simbabwische Präsident Robert Mugabe nicht nach Lissabon reisen konnte.

Die Europäer hatten den Autokraten kurz zuvor mit Reisesanktionen belegt. Für die AU war Mugabe hingegen kein Fall für einen Ausschluss: Schließlich hatte dieser immer wieder Wahlen veranstaltet – egal wie manipuliert und von Gewaltorgien der Sicherheitskräfte begleitet diese waren.

Neben Mugabes Fall überschattete auch der des sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir, den der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag des Völkermords angeklagt hatte, zwei weitere Gipfel – bis Brüssel schließlich vom Beharren auf gute Regierungsführung als Voraussetzung für eine Einladung abrückte. Man würde sonst auf eine Chance verzichten, auf undemokratische Starrköpfe einzuwirken, wurde vor allem in Lissabon und Paris argumentiert.

Umstrittene Präsidenten

Mit demselben Argument müssten aktuell dann aber auch die neuen Militärmachthaber eingeladen werden: ein Zeichen für die herrschende Heuchelei. Eigentlich dürfte auch der Tschad, wo der Sohn des ermordeten Präsidenten Idriss Déby im vergangenen Jahr verfassungswidrig zum Nachfolger erkoren wurde, nicht nach Brüssel eingeladen werden.

Genau wie Tunesiens umstrittener Präsident Kais Saied, der die Verfassung zumindest teilweise außer Kraft gesetzt hat – oder wie so mancher andere afrikanische Staatschef, der wie Félix Tshisekedi im Kongo durch offensichtlich gefälschte Wahlen an die Macht kam. Von Mswati III., König von Eswatini und letzter absolutistischer Herrscher des Kontinents, ganz zu schweigen.

Westafrikas jüngste Putschwelle hat vor Augen geführt, wie labil die demokratischen Strukturen in Afrika tatsächlich sind. Die Gründe dafür sind vielfältig: Sie reichen von der kolonialen Geschichte über die künstliche Staatenbildung bis zu den korrupten Eliten und der gegenwärtigen Bedrohung durch den islamischen Extremismus. In Staaten wie Mali haben sich alle diese Einflüsse zu einem toxischen Cocktail vermengt, weswegen die am Donnerstag bekanntgegebene Entscheidung Frankreichs, seine Truppen von dort abzuziehen, nur zu verständlich ist.

Mit derselben Begründung könnte allerdings auch der Gipfel in Brüssel infrage gestellt werden. Wie kann man mit Präsidenten verhandeln, deren demokratische Legitimation zumindest zweifelhaft ist und die sich keinen Deut um das Wohl ihrer Bevölkerung kümmern? Sollte über EU-Entwicklungshilfe, die alleine in diesem Jahr 150 Milliarden Euro ausmachen wird, nicht lieber mit Gruppen der Zivilgesellschaft verhandelt werden? Dieser Forderung suchen die Europäer wenigstens teilweise Rechnung zu tragen, indem sie zivilgesellschaftliche Organisationen zumindest am Rande an den Gipfeln beteiligen.

Wettrennen um Afrika

Wichtiger ist auch für sie allerdings das realpolitische Kalkül. Inzwischen veranstaltet jeder Staat, der etwas auf sich hält, seinen Afrika-Gipfel: ob es sich um die USA, China, Russland, Indien oder gar die Türkei handelt. Den meisten der Gastgeber ist egal, mit welcher demokratischen Legitimation ihre Gäste auf der Einladungsliste zu stehen kommen: Ihnen kommt es auf Afrika als Rohstofflieferanten sowie auf den wachsenden und noch weitgehend unerschlossenen Markt des Erdteils an. Wer wollte sich bei diesem Rennen mit Prinzipien belasten? (Johannes Dieterich, 17.2.2022)