Bezüglich Sprachqualität bei Anrufen müssen sich die Linkbuds nicht verstecken.

Foto: Sony

Wer In-Ear-Kopfhörer trägt, kombiniert diese gerne mit Noise-Cancelling, also dem gezielten Aussperren von Umgebungsgeräuschen, um sich besser auf die Lieblingsmusik konzentrieren zu können. Beliebte Vertreter sind etwa die Apple Airpods Pro oder auch Sonys WF-1000X M4, die vergangenes Jahr im STANDARD-Test äußerst gut abgeschnitten haben.

Doch was, wenn man die Außenwelt nicht aussperren, sondern bewusst wahrnehmen möchte? Um zum Beispiel Autos im Straßenverkehr oder ein schreiendes Kind im Nebenzimmer rechtzeitig zu hören? Apple löst das bei den Airpods Pro mit einem Transparenzmodus, der auf Wunsch Außengeräusche mit den eingebauten Mikrofonen einspielt. Das Problem dabei: Man kann nur zwischen komplett abgeschottet und dem geräuschdurchlässigen Modus wählen.

Linkbuds lassen Geräusche durch – eine gute Sache?

Die Innovationsabteilung von Sony ging einen völlig anderen Weg und entwickelte mit den Linkbuds Kopfhörer, die immer und ganz bewusst Umgebungsgeräusche ins Ohr lassen. Möglich ist dies durch eine Hardware-Neuerung, die getrost als Ei des Kolumbus bezeichnet werden kann – denn anstatt eines herkömmlichen Knubbels steckt man sich bei den Linkbuds einen Ring ins Ohr, durch dessen Loch die Umgebungsgeräusche durchgelassen werden. Die Lieder und Podcasts werden wiederum durch die Ringe selbst ins Ohr gespielt und per Bluetooth vom Handy übertragen.

Im Test des STANDARD zeigt sich: Das Konzept geht auf. Die Kopfhörer machen, was sie sollen, und lassen Geräusche der Umgebung durch, während man gleichzeitig Musik und Podcasts lauscht. Ob das aber wirklich eine gute Lösung ist, hängt von der jeweiligen Situation ab.

Ein Ring mit Loch: die Linkbuds als Ei des Kolumbus.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

So erhöhen die Kopfhörer für Fußgänger die Sicherheit im Straßenverkehr, indem man herannahende Autos hört. Und auch bei kurzen Alltagskonversationen erweisen sich die Kopfhörer als äußerst praktisch: Während ich eine Bestellung in der Bäckerei aufgab, konnte ich einfach parallel dazu weiter meinem Lieblingspodcast lauschen; nach der Rückkehr in die Wohnung plauderte ich kurz mit meiner Frau, während gleichzeitig Musik lief – das lästige An- und Ausschalten und Herausnehmen von Kopfhörern entfällt somit. Ebenso könnte man mit diesen Kopfhörern wohl Hausarbeit erledigen und dabei Musik hören, aber trotzdem rechtzeitig reagieren, wenn ein im Nebenzimmer schlafendes Baby aufwacht und schreit.

In anderen Situationen wiederum ist es äußerst unpassend, dass Umgebungsgeräusche ins Ohr dringe – beim Pendeln mit der U-Bahn etwa. Hier war das Rattern des Wagons so laut, dass es auch bei voller Lautstärke den gewünschten Podcast übertönte – ich verstand kein Wort und war entsprechend frustriert. Ebenso wenig eignen sich die Linkbuds zum akustischen Abkoppeln von lautstarken Kollegen bzw. Familienmitgliedern in der Arbeit – auf der anderen Seiten bedeutet dies aber auch, dass man nichts Wichtiges verpasst.

Es kommt auf die Größe an – und auf die Form

Insgesamt sind die Linkbuds deutlich kleiner und leichter als Sonys hauseigenes Referenzprodukt mit dem unaussprechlichen Namen WF-1000X M4. So sind die neuen Kopfhörer um 51 Prozent kleiner und um 44 Prozent leichter, sie wiegen lediglich 4,1 Gramm. Auch das Charging-Case ist um 26 Prozent kleiner und wiegt mit 34 Gramm um 17 Prozent weniger als jenes der WF-1000X M4.

Direkter Vergleich: die Linkbuds und die WF-1000X M4.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Diese Leichtigkeit macht sich auch im Alltag bemerkbar. So habe ich öfters mal das Case beim Verlassen der Wohnung gesucht, weil ich nicht wusste, in welcher Hosentasche ich es platziert hatte. Die Kopfhörer selbst sind so leicht, dass man sie beim Tragen kaum spürt.

Leider hat sich die ungewöhnliche Form aber auch in der Passgenauigkeit bemerkbar gemacht. So habe ich relativ normale Ohren, in denen diverse In-Ear-Kopfhörer gut sitzen, die Linkbuds habe ich jedoch mehrmals verloren, wenn ich mich etwa hinunterbeugte oder zu ruckartig bewegte. Schade, denn das disqualifiziert die Kopfhörer unter anderem für Mountainbike-Fahrer, die von dem Durchlassen der Umgebungsgeräusche sonst profitieren würden.

Klangqualität beim Telefonieren

Eine gute Klangqualität zeigen die Linkbuds beim Telefonieren. So meldeten Gesprächspartner bei Videocalls innerhalb der Wohnung, dass die Gesprächsqualität besser sei als über das interne Mikrofon des Smartphones, ein iPhone 13 Pro Max. Und auch außerhalb der Wohnung können die Kopfhörer punkten.

So habe ich mich selbst bei leichtem Wind an einer stark befahrenen Straße und in einer ruhigeren Wohngegend aufgenommen. In keiner dieser Situationen konnten auf der Aufnahme Umgebungsgeräusche gehört werden – weder das Rauschen des Windes noch die vorbeirauschenden Autos und auch nicht meine eigenen Schritte. Dies sollte sich vor allem bei Telefonaten auf der anderen Seite der Leitung angenehm bemerkbar machen.

Unfreiwillig einen Vogel zeigen

Neu ist bei den kleineren Linkbuds auch, dass man diese nicht antippen muss, um diverse Funktionen – wie etwa das Pausieren der Wiedergabe – zu aktivieren. Es soll viel mehr genügen, dass man lediglich auf eine Stelle am Kopf tippt, die sich in der Nähe der Kopfhörer befindet. Im Test funktionierte das manchmal, aber längst nicht immer – was zum Ergebnis führte, dass ich teilweise auf offener Straße wild an meinem Kopf herumgetippt habe. Eine eher unangenehme Situation, die je nach Wohngegend auch zu unangenehmen Missverständnissen führen kann.

Die Linkbuds liegen leicht im Ohr.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

In der begleitenden Headphones-App lassen sich den beiden Kopfhörern jeweils Funktionen zuordnen, also neben der Steuerung der Wiedergabe zum Beispiel die Aktivierung eines Smart Assistant. Schlechte Nachricht für alle Apple-Fans: Der Google Assistant lässt sich mit dem Sony-Kopfhörer nicht auf dem iPhone steuern – man ist also auf Siri angewiesen.

Sonstiges: Akku, IPX4 und Multipairing

Die Akkulaufzeit wird von Sony insgesamt mit 17,5 Stunden angegeben, wovon 5,5 Stunden auf die Kopfhörer und zwölf Stunden auf das Charging-Case entfallen. Für mich hat das im Test bedeutet, dass ich bei halbwegs normaler Nutzung in etwa eine Woche ausgekommen bin. Per Quick Charging lassen sich die Kopfhörer so weit aufladen, dass sie sich nach zehn Minuten Ladezeit 1,5 Stunden verwenden lassen. Das reicht locker für jede Pendelstrecke. Geladen wird via USB-C, Wireless Charging wird nicht unterstützt.

Die Linkbuds werden via USB-C geladen, Wireless Charging wird nicht unterstützt.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Weiters heißt es laut Sony, dass die Kopfhörer nach IPX4 wassergeschützt sind – was auf Deutsch heißt: Man kann damit nicht schwimmen gehen, aber Schweiß und Spritzwasser sollten den Linkbuds nichts anhaben.

Und um schließlich auch eine Frage aufzugreifen, die bei einem vorherigen Test im STANDARD-Forum aufgekommen war: Nein, Multipairing wird nach wie vor nicht unterstützt. Wer die Linkbuds also auf einem Gerät gekoppelt und verwendet hat, der muss sie zuerst entkoppeln, bevor er sie mit einem anderen Gerät verwendet.

Fazit: Netter Versuch

Die Linkbuds sind ab sofort in den Farben Grau und Weiß zu einem Preis von 179 Euro erhältlich. Für wen lohnt sich diese Anschaffung? Das ist eine durchaus interessante Frage. Denn man könnte zwar süffisant anmerken, dass sich hier eine Lösung auf die Suche nach einem Problem gemacht hat – generell ist aber zu begrüßen, dass Initiativen für mehr Sicherheit im Straßenverkehr gesetzt werden. Ein guter Versuch ist es also allemal.

Gleichzeitig wirkt es aber so, als sei die Technologie noch nicht ganz ausgereift. Dass man morgens beim Pendeln die Nachrichten nicht hören kann, ist leider schlichtweg ein No-Go. Zumindest ich würde mit meiner Ohrform diese Kopfhörer nicht beim Sport tragen. Und die Steuerung über die Vogel-Zeig-Geste läuft auch noch nicht immer so, wie sie sollte.

Das Fazit lautet daher: Wer einen entsprechenden Use-Case mit hohem Leidensdruck hat und auf der Suche nach einer Lösung ist, die erschwinglich ist, der kann sich auf diesen Versuch einlassen. Alle anderen sollten besser abwarten, wie sich die Technologie entwickelt, beziehungsweise bestehende Lösungen mit Transparenzmodus ins Auge fassen, die sich bereits bewährt haben. (Stefan Mey, 19.2.2022)

Update, 7.11.2022: Die Kopfhörer WF-1000XM4 und die Linkbuds werden nach einem Softwareupdate im November 2022 Multipoint-Bluetooth-Verbindungen ermöglichen, über die sich die Kopfhörer mit zwei Geräten gleichzeitig verbinden lassen. Wenn Nutzer beispielsweise gerade Musik vom PC hören und ein Anruf auf dem Smartphone eingeht, wechseln die Linkbuds automatisch zum Anruf. Dies ermöglicht Telefonieren, ohne dass ein neuer Bluetooth-Verbindungsvorgang durchlaufen werden muss.