Die Omikron-Variante BA.2 könnte die Öffnungsschritte gefährden, etwa wenn sie sich negativ auf die Hospitalisierungen auswirkt.

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Lange wurde BA.2 nur aus der Ferne beobachtet, in Ländern wie Dänemark oder England. Ein weiterer Omikron-Subtyp sei das, glaubte man. Hoffte man. Doch BA.2 scheint sich doch sehr deutlich vom einstweilen noch dominanten Omikron-Typ BA.1 zu unterscheiden, wie detaillierte Labordaten aus Japan jetzt zeigen.

Die Studie ist zwar noch nicht begutachtet, liefert aber wichtige Erkenntnisse zur Einordnung des Omikron-Subtyps. "BA1 und BA2 sind verwandt, beide sind Fluchtvarianten", weiß die Virologin Dorothee von Laer von der Medizinischen Universität Innsbruck. Doch bei BA.2 könnte vieles ganz anders sein, meint Molekularbiologe Ulrich Elling von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: "Die Omikron-Schwestern unterscheiden sich in doppelt so vielen Mutationen wie etwa Delta vom Originalvirus", ordnet er ein. Die Autorinnen und Autoren der japanischen Studie schlagen wohl auch deshalb vor, den Subtyp als eigene Variante einzustufen und mit einem griechischen Buchstaben zu versehen.

Plateau oder erneute Welle?

BA.2 ist in den Modellrechnungen für die Öffnungsschritte bereits berücksichtigt, es bleiben aber Unbekannte. "Wir wissen nicht exakt, wie hoch der Anteil an BA.2-Infektionen aktuell ist", sagt Simulationsforscher Niki Popper. Genau das ist aber eine entscheidende Kennzahl für die Einschätzung des Infektionsgeschehens der nächsten Wochen.

Auf Basis von Abwasseruntersuchungen und der Analyse von PCR-Proben geht man davon aus, dass aktuell mehr als 20 Prozent aller Corona-Infektionen auf BA.2 zurückgehen. Steigt dieser Anteil weiter im gleichen Tempo wie bisher, ist BA.2 kommende Woche die dominierende Variante, so die Prognose.

Wie sich die Infektionszahlen in den kommenden Wochen entwickeln, dafür gibt es unterschiedliche Szenarien: BA.1 und BA.2 könnten gemeinsam ein Plateau bilden, oder aber BA.2 führt zu einem Anstieg. "Je später sich BA.2 auf das Infektionsgeschehen auswirkt, desto eher wird es eine eigene Welle", erklärt Popper.

"Was mir eher Sorge macht, ist, dass wir das Plateau der Infektionszahlen bei den älteren Menschen noch nicht erreicht haben", ist Virologin von Laer besorgt. "Es wirkt fast so, als wäre die Omikron-Welle in dieser Gruppe noch nicht angekommen, und man möchte natürlich auch nicht, dass sie dort ankommt. Tut sie das doch, könnte sich die derzeit gute Situation auf Intensivstationen schnell wieder verschlechtern."

Die Gruppe der Vulnerablen ist auch der Grund, warum Vergleiche mit Ländern wie Dänemark, in denen BA.2 längst die dominierende Variante ist und Maßnahmen großteils fallengelassen wurden, unzulänglich sind. "Dort ist die Impfquote deutlich höher. Hierzulande haben wir eine Impflücke von mehr als 15 Prozent bei den über 60-Jährigen. Mit diesem Wert sind wir mit Deutschland das Schlusslicht in Europa", warnt die Virologin.

Der Impfschutz bei BA.2 scheint übrigens sehr ähnlich zu sein wie bei BA.1: "Dreifach Geimpfte sind nach wie vor gut vor Hospitalisierung geschützt. Am besten geschützt sind jene, die eine Mischimmunität durch Impfung und Infektion haben – egal, in welcher Reihenfolge", betont von Laer.

Krankheitsverläufe entscheidend

Die neuen Daten aus Japan nehme man ernst, sie würden aber nichts an der Ausbreitungsdynamik ändern, glaubt Popper. Möglicherweise aber an den Hospitalisierungsraten: "Der Grund für mildere Verläufe bei BA.1 ist eine geringere Beteiligung der Lunge", erklärt Molekularbiologe Elling. "Dieser Trend dreht sich bei BA.2 wieder um, die Variante bewegt sich eher Richtung Originalvirus."

An Hamstermodellen lässt sich das gut beobachten: Während die Tiere bei BA.1 keine Sauerstoff-Sättigungsprobleme haben, beobachtet man bei BA.2 genau das wieder im Labor. Der Krankheitsverlauf bei Hamstern ist zwar nicht zwingend auf den Menschen übertragbar, es ist aber ein erster wichtiger Hinweis. Bei BA.1 waren die Beobachtungen bei Hamstermodellen nahezu deckungsgleich zu späteren Verläufen beim Menschen.

Nichtsdestotrotz fehlen ausreichend klinische Daten: Wie schwer die Verläufe mit BA.2-Infektion tatsächlich sind, weiß man schlichtweg nicht. "Erste, sehr vorläufige Daten zeigen, dass der Verlauf bei BA.2 vergleichbar ist mit dem einer BA.1-Infektion", formuliert von Laer vorsichtig. Man müsse jedenfalls bereit sein, die Öffnungen nochmal zu verschieben, falls die Zahlen bis dahin nicht passen, findet die Virologin. Das unterstreicht auch Simulationsforscher Popper. Man könne erst lockern, wenn die Zahlen sinken, das habe man der Regierung auch so gesagt. Laut aktuellen Modellrechnungen passiert das zwar im März – aber das ist eben eine Prognose. (Magdalena Pötsch, 18.2.2022)