Alles, was männlich, weiß und 50 plus ist, wird sofort gekeult, und dann ab in die Gasthausküche.

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"Allgemeine Begriffe und großer Dünkel sind immer auf dem Wege, entsetzliches Unglück anzurichten", schrieb der Herr Geheimrat Goethe, und man kann nur hoffen, dass er unrecht hat, sonst stünden uns entsetzlich unglückliche Zeiten bevor. So dünkelhaft wie heute wurde nämlich noch selten mit allgemeinen Begriffen – meist Importartikel aus den amerikanischen Unis, dem Epizentrum aller Beleidigten und Erniedrigten – herumgefuhrwerkt.

Eine Kolumne ist nicht geräumig genug, um alle Aufzählgelegenheiten zu nutzen, die sich hier anböten: von der "kulturellen Appropriation" und dem "Privileg" über die "Mikroaggression" bis zum geisterhaft-inhaltsleeren "konstruieren". Die Omnipräsenz dieses Verbs wird bei Historisierenden kommender Generationen einmal den Eindruck erwecken, im ersten Viertel des 21. Jahrhunderts hätten alle Leute Tag und Nacht damit zugebracht, eigene und fremde Identitäten zu "konstruieren". Stimmt nicht. Ich selbst weiß mir besseren Zeitvertreib und kenne Leute genug, denen es ebenso geht.

Prall gefüllte Pauschalienkiste

Ah ja, der weiße alte Mann gehört natürlich auch noch in die prall gefüllte Pauschalienkiste. Der Begriff ist so weitläufig, dass er auf einen selbstlosen, sozial engagierten Menschenfreund ebenso zutreffen kann wie auf einen Serienmörder, der schon ein halbes Dutzend Leute gemetzgert hat. Aber das ist ja gerade das Schöne an allgemeinen Begriffen: Man kann sie jedem, der einem in den "sozialen Netzwerken" in die Quere kommt, problemlos ohne Argument über den Schädel ziehen.

Als Frage bleibt nur, ob man alte weiße Männer nicht besser abstrafen könnte als ihnen nur auf Twitter oder Facebook den Tod zu wünschen. Der irische Schriftsteller Jonathan Swift hat 1729 mit dem "bescheidenen Vorschlag" aufhorchen lassen, die Kinder der Armen zu schlachten und zu Lebensmitteln zu verarbeiten, damit sie der Gesellschaft nicht auf der Tasche liegen und zudem zu etwas nütze sind. Politisch leicht unkorrekt, und nicht ganz ernst gemeint.

Swifts Anregung ließe sich, zeitgemäß modifiziert, gut auf die Gegenwart übertragen. Alles, was männlich, weiß und 50 plus ist, wird sofort gekeult, und dann ab in die Gasthausküche. Typische Bestellung im Restaurant der Zukunft: "Herr Ober, was gibt’s denn heute für einen Seniorenteller?" "Den gegrillten Greisenschenkel kann ich sehr empfehlen." (Christoph Winder, 20.2.2022)