Im Gastblog blickt die Historikerin Daniela Angetter-Pfeiffer auf die letzte Pandemie in Europa zurück – und auf ihr Ende.

Rund drei Jahre lang tobte die Spanische Grippe. Zwischen 1918 und 1920 war nach heutiger Schätzung von Expertinnen und Experten rund ein Drittel der Weltbevölkerung infiziert, jeder 25. Mensch weltweit verstarb daran. Erste umfassende Medienberichte über diese neue, "geheimnisvolle Epidemie", wie sie im "Neuen Wiener Tagblatt" im Mai 1918 bezeichnet wurde, stammten aus Spanien, wo sich König Alfons XIII. infiziert hatte. Damit hatte die Krankheit ihren Namen, wenngleich sie vermutlich ihren Anfang in einem Militärcamp im US-amerikanischen Bundesstaat Kansas genommen hatte.

Vor allem Kinder und jüngere Menschen betroffen

In Österreich trat sie in drei Wellen auf, zunächst im Frühjahr/Sommer 1918 in einer recht glimpflichen Form. Die zweite Welle erreichte Wien im September. Damals war das Virus in einer mutierten Variante weit aggressiver und forderte eine hohe Sterblichkeit. Voll erwischt wurde Österreich, als die Habsburgermonarchie kurz vor dem Zusammenbruch stand. Dazu kam, dass aufgrund der Kriegssituation viele Menschen unterernährt, erschöpft, deprimiert, traumatisiert und schon allein dadurch infektionsanfälliger waren. Ärzte fehlten, weil sie noch im Fronteinsatz standen, und Spitalskapazitäten waren rasch ausgelastet.

Betroffen von einer Ansteckung waren in Österreich vor allem jüngere Menschen im Alter zwischen 15 und 40 Jahren sowie Kinder. Dies erwies sich als äußerst fatal, da gerade ein Großteil dieser Altersgruppe für die Familienversorgung verantwortlich zeichnete. Mediziner vermuteten, dass ältere Personen bereits in früheren Jahren eine Influenza, wie etwa die ab 1889 grassierende Russische Grippe, durchgemacht hatten und somit gegen den Erreger der Spanischen Grippe besser geschützt waren.

1919 und 1920 waren besonders Gebiete rund um Österreich betroffen, in Südtirol wütete die Spanische Grippe genauso wie in Ungarn, wo aus Budapest beispielsweise am 31. Jänner 1920 756 Neuerkrankungen und 39 Todesfälle gemeldet wurden. Aber bereits im Februar schien sich die Lage etwas zu entspannen und man hoffte auf wärmeres Wetter, das die Weiterverbreitung der Epidemie verlangsamen sollte.

Kampf gegen Fake News und Arzneimittelfälscher

In behördlichen Kreisen erregte die Nachricht, dass gewisse Personen aus der Pandemie Kapital zu schlagen versuchten, größtes Missfallen. So wurden nämlich seit dem Wiederauftreten der Pandemie 1920 zum Beispiel in der Zeitung "Pester Lloyd" in hochtönenden Worten sicher wirkende Heilmittel gegen die Spanische Grippe angepriesen und Patientinnen und Patienten bezahlten horrende Summen für die Erfinder und ihre "unübertrefflichen" Mittel, die medizinisch völlig unerprobt waren.

Und auch Arzneimittelfälscher machten gute Geschäfte ebenso wie Aspirin-Händler. Für eine Tablette Aspirin zahlte man in Wien 1918 am Schwarzmarkt eine Krone, etwa so viel wie für eineinhalb Kilo Erdäpfel.

Rotkreuzstation während der Grippepandemie 1918.
Foto: Gemeinfrei

Herdenimmunität machte Spanische Grippe harmloser

Doch weder das wärmere Wetter noch irgendwelche selbst kreierten und gemixten Heilmittel sollten die Spanische Grippe bezwingen. Da es weder Impfungen noch wirksame Medikamente gab, war es letztlich die sich einstellende Herdenimmunität, die half. Die Menschen waren infolge der durchgemachten Erkrankung mit ausreichend Antikörpern geschützt, sodass sich die Viren nicht mehr so rasant weiterverbreiten konnten. Durch die breite Immunität mutierte das Virus zu einer harmloseren Form. Der Preis für die Herdenimmunität war aber hoch. Konservative Schätzungen der WHO gehen von bis zu 50 Millionen Toten aus, bei einer Weltbevölkerung von nur etwa 1,8 Milliarden Menschen.

Wie Untergruppen zeigten, die die Asiatische, die Hongkong- oder die Schweinegrippe im späteren 20. bzw. 21. Jahrhundert ausgelöst haben, ist das Virus nach wie vor vorhanden, aber längst nicht mehr so virulent und mit den heutigen pharmazeutischen Möglichkeiten in vielen Fällen gut therapierbar. Aber auch bei diesen Pandemien zeigte sich, dass so bald eine gewisse Herdenimmunität vorhanden war, die Fallzahlen zurückgingen. Insbesondere war der Verlauf der Hongkong-Grippe, die zwischen 1968 und 1970 ausgebrochen war, ein milderer, da viele Menschen infolge der Asiatischen Grippe, die 1957 grassierte, noch Antikörper hatten und dadurch weniger Infekt anfällig waren.

Außerdem gab es ab 1952 Impfstoffe gegen die Grippe. Insbesondere die Hongkong-Grippe wurde in Österreich zum Anlass genommen, Impfstoffe mit Antigenen von zwei Typ-A- und einem Typ-B-Virus zu entwickeln. Aber eines ist klar, Influenzaviren existieren nach wie vor weltweit, am gefährlichsten dabei ist das Influenza-A-Virus. Die Viren verändern sich ständig, was es schwierig macht, sie zu bekämpfen und jährlich die Produktion eines neuen angepassten Impfstoffs erfordert. (Daniela Angetter-Pfeiffer, 22.2.2022)