Kinder und Jugendliche leiden psychisch besonders an den Folgen der Pandemie.

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Wien – Mehr als die Hälfte der jungen Menschen in Österreich weise depressive Symptome auf, sechs von zehn leiden an Essstörungen und 16 Prozent kämpfen mit wiederkehrenden Suizidgedanken – die psychischen Folgen der Pandemie für die Jugend Österreichs seien schwerwiegend, sagte Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) am Freitag bei der Pressekonferenz zur Präsentation eines neuen Projekts. Dieses soll ein erster Schritt auf dem Weg zur Hilfe sein und "über die begrenzten Kapazitäten der Regelversorgung hinaus Unterstützungsmöglichkeiten für junge Menschen bieten", sagte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne). Denn die bestehenden Hilfsangebote seien mehr als ausgereizt.

Hilfe telefonisch ansuchen

Das Projekt richtet sich an junge Menschen bis 21 Jahre und soll einen niederschwelligen Zugang zu Behandlungen ermöglichen. Durch den Anruf bei einer speziell eingerichteten Hotline werden die Betroffenen an die richtige Beratungs- und Behandlungsstelle weiterverwiesen. Die Versorgungsangebote orientieren sich dabei an den individuellen Bedürfnissen jedes Anrufenden. Je nach persönlicher Lage sind Einzel- und Gruppenbehandlungen, aber auch Elterngespräche möglich. Die Kinder und Jugendlichen müssten sich weder selbst um einen Therapieplatz noch um die Kostenerstattung kümmern. Der Aufbau des Beratertools habe bereits begonnen und soll bis März komplett sein.

Am Projekt beteiligt sind der Bundesverband für Psychotherapie und der Berufsverband Österreichischer PsychologInnen. Doch auch Schulpsychologen werden stark eingebunden – für Schülerinnen und Schüler sollen sie der erste Ansprechpartner sein. Deswegen sei bei der Schulpsychologie auch schon um 20 Prozent aufgestockt worden, betonte Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) bei der Pressekonferenz. "Alle Schülerinnen und Schüler, die Hilfe benötigen, sollen sie auch bekommen", sagte er.

Förderung von jungen Frauen inkludiert

Das Budget für das Projekt wurde schon letztes Jahr für die psychosoziale Versorgung von Kindern und Jugendlichen zur Bewältigung der psychischen Folgen der Pandemie beschlossen. Von den insgesamt 13 Millionen Euro gehen 12,2 Millionen Euro an das Projekt "Gesund aus der Krise", 800.000 Euro an die Arbeitsgemeinschaft Frauengesundheitszentren. Damit solle die psychologische und psychotherapeutische Behandlung für junge Mädchen und Frauen verbessert werden, erklärte Mückstein.

Vielseitige Belastungen

Dass besonders die psychische Gesundheit junger Menschen unter der Pandemie leide, habe laut Mückstein unterschiedliche Ursachen. Todesfälle im Familien- und Bekanntenkreis, Einschränkungen der persönlichen Freiheiten und häusliche Gewalt nennt er als Gründe. Polaschek betont, dass mit dem Wegfallen von Schulausflügen, Maturabällen und sonstigen Gemeinschaftsprojekten im schulischen Bereich viele Aktivitäten fehlen würden, die das soziale Leben von Schülerinnen und Schülern prägen.

"Erster Schritt in die richtige Richtung"

Beate Wimmer-Puchinger, Präsidentin des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen, äußerte sich erfreut über das gemeinsame Projekt. Es habe noch nie ein derartiges Modell gegeben, das zielgruppenspezifisch organisierte Hilfe für die Menschen anbiete, die unsere Zukunft seien, sagte sie. Rund 7500 Kindern könne mit dem Maßnahmenpaket geholfen werden. Außerdem erhoffe sie sich durch das Projekt eine Entstigmatisierung von psychischen Problemen und dass "Schwäche gesellschaftsfähig wird". Denn niemand könne immer stark sein.

Kritik an Budget

Die Bundesjugendvertretung (BJV) bezeichnet das Maßnahmenpaket in einer Aussendung jedoch als "Tropfen auf dem heißen Stein." Dass mit diesem Projekt mehreren tausend Kindern und Jugendlichen geholfen werden könne, sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, werde aber nicht ausreichen. "Wenn wir uns den akuten Bedarf anschauen, werden davon jetzt lediglich 10 Prozent gedeckt. Die Mittel zur psychischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen müssen jetzt rasch aufgestockt werden", sagte BJV-Vorsitzende Fiona Herzog. Weiters verweist der BJV auf die geplante Impflotterie, für die eine Milliarde Euro geplant war. Ein Teil dieses Geldes könne jetzt in die psychische Gesundheit junger Menschen investiert werden. (Sarah Maria Kirchmayer, 18.2.2022)