Die Juristin Patricia Hofmann klärt im Gastblog auf, wann zunehmende Kontaktaufnahmen strafbar sind und wo Opfer Unterstützung finden.

Stalking: ein Wort, das mittlerweile fast jedem ein Begriff ist. Aber was bedeutet Stalking eigentlich, und ab wann müssen sich auch die Strafgerichte damit auseinandersetzen?

In Österreich ist der Straftatbestand des besagten Stalking erst im Jahr 2006 geschaffen worden, um gegen das gezielte Belästigen und Nachstellen von Personen vorgehen zu können. Nach den Erkenntnissen aus dem amerikanischen Raum haben damals vermehrt europäische Staaten erkannt, dass es notwendig ist, Opfern von Stalking Schutz durch entsprechende Gesetze zu bieten.

Stalking: Was ist das?

Das Strafgesetzbuch kennt das sogenannte Stalking unter dem Begriff Beharrliche Verfolgung (§ 107a StGB). Die gesetzlich normierten und damit strafbaren Verhaltensweisen reichen vom Aufsuchen der räumlichen Nähe über das Herstellen von Kontakt bis hin zur Veröffentlichung von Bildern des höchstpersönlichen Lebensbereichs. In der Praxis geht es dabei zumeist um Handlungen wie Vor-dem-Haus-Stehen, Auflauern bei der Arbeit, zahlreichen unerwünschte Telefonanrufen, SMS oder Briefen.

Aber auch das Bestellen von "Geschenken" unter dem Namen und Verwendung der Daten des Opfers und die Kontaktaufnahme durch Paketsendungen mit Nachrichten oder das Hinterlassen von Zetteln an der Windschutzscheibe zählen zu den im Gesetz erfassten Verhaltensweisen. Die Spannweite der Handlungen, mit denen sich Gerichte bereits beschäftigt haben, ist groß, und die "Kreativität" der Täter und Täterinnen nimmt – nach eigenen Erfahrungen in der Vertretung von Opfern – leider nicht ab.

Hartnäckig trotz "Misserfolgs"

Unabhängig davon, welche der im Gesetz aufgezählten Begehungsweisen der Täter oder die Täterin wählt, das Verhalten muss widerrechtlich beharrlich erfolgen, um strafrechtlich relevant zu sein. Von einer Beharrlichkeit ist dann die Rede, wenn der Täter oder die Täterin sein oder ihr Verhalten hartnäckig betreibt. Es ist also die Rede von einer längeren Zeitspanne, in welcher der Täter, die Täterin ein wiederholtes Handeln setzt, und das, obwohl es vielleicht bereits zu "Rückschlägen" oder "Misserfolgen" gekommen ist. Eine Mindestdauer gibt es dabei nicht.

So sind die Handlungen in einer einzelfallbezogenen Gesamtschau zu betrachten und die Anzahl, Dauer und Art der Tathandlung in Relation zu setzen. Das soll Opfer aber keinesfalls davon abhalten, eine Anzeige zu erstatten, wenn eine Grenze überschritten wird. Denn bei der beharrlichen Verfolgung kommt auch ein strafbarer Versuch in Betracht. Das liegt beispielsweise vor, wenn der Täter, die Täterin durch seine, ihre getätigten Handlungen zwar die Schwelle der notwendigen längeren Zeitdauer der Handlungen noch nicht erreicht hat, aber weitere Stalkinghandlungen setzen wollte.

Zum Stalking gehört nicht nur das ständige Auflauern, sondern auch wiederholte Anrufe und Nachrichten.
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Angst vor dem Griff zum Telefon

Darüber hinaus ist es für die Strafbarkeit erforderlich, dass das beharrliche Verhalten geeignet ist, das Opfer in dessen Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen. Nicht notwendig ist also, dass das Opfer tatsächlich beeinträchtigt wird – was in den meisten Fällen allerdings ohnedies der Fall ist. Eine Beeinträchtigung liegt beispielsweise vor, wenn das Opfer sich nicht mehr traut, das Telefon abzuheben oder das Haus allein zu verlassen. Vor allem das Ändern von Telefonnummer oder E-Mail-Adressen ist in der Praxis ein häufiges Vorgehen von Opfern, um den Handlungen des Täters oder der Täterin zu entfliehen. Beim vorab genannten Bestellen von "Geschenken" ist das Opfer oftmals damit belastet, dass es zur Zahlung der bestellten Ware aufgefordert wird oder kontinuierlich unangebrachte Artikel, beispielsweise Sexartikel, geliefert bekommt.

Zusätzlicher Schutz durch eine einstweilige Verfügung

Unabhängig von einer strafrechtlichen Anzeige besteht für Opfer von beharrlicher Verfolgung auch die Möglichkeit, eine einstweilige Verfügung beim Zivilgericht zu beantragen. Dadurch soll ein zusätzlicher Schutz vor dem Eingriff in die Privatsphäre durch weitere Handlungen des Täters, der Täterin gewährt werden (§ 382d EO). Das Gericht kann dabei unter anderem Verbote zur persönlichen oder telefonischen Kontaktaufnahme oder ein Aufenthaltsverbot an bestimmten Orten aussprechen.

Darüber hinaus kann im strafrechtlichen Verfahren bei Verurteilung des Täters, der Täterin auch eine Weisung ausgesprochen werden, die diesem, dieser den Kontakt zum Opfer untersagt. Beim Zuwiderhandeln hat der Täter, die Täterin bei beiden Varianten mit weiteren Konsequenzen zu rechnen und kann dadurch oftmals von zukünftigen Handlungen abgehalten werden.

Wo finden Opfer Unterstützung?

Jeder Person, die Opfer von beharrlicher Verfolgung wurde, ist auf ihr Verlangen nicht nur psychosoziale, sondern auch juristische Prozessbegleitung zu gewähren, soweit dies zur Wahrung ihrer prozessualen Rechte und unter Bedachtnahme auf ihre persönliche Betroffenheit erforderlich ist. Nach einer Anzeige bei der Polizei werden Opfer über die Möglichkeit, sich an eine Beratungsstelle (Gewaltschutzzentren, Interventionsstellen, Gewaltschutzstellen) zu wenden, informiert. Opfer von Stalking können aber auch jederzeit unmittelbar mit den Gewaltschutzeinrichtungen Kontakt aufnehmen.

Die Mitarbeiter der Beratungsstellen unterstützen beispielsweise bei der Erstellung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und beraten zu Schutz und Sicherheit. Alle Schritte beruhen auf der freien Entscheidung des Opfers; die Beratungsstellen drängen niemanden zu einer bestimmten Vorgehensweise. Sie sind vielmehr dafür da, die verschiedenen Möglichkeiten aufzuzeigen, um aus der Situation auszubrechen. Da die Gewaltschutzzentren in der Regel bereits mit Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen zusammenarbeiten, die juristische Prozessbegleitungen übernehmen, müssen sich die Opfer meist auch nicht selbst auf die Suche nach einer Rechtsvertretung machen.

Nicht selten kippt das anfangs unerschütterliche Verhalten in Gewalt um. Erfolgt die Kontaktaufnahme verbunden mit einer Drohung, wie etwa dem Androhen von Faustschlägen, so kann dadurch bereits ein zusätzlicher beziehungsweise anderer Tatbestand, nämlich die gefährliche Drohung, erfüllt sein. Sich früh Hilfe und Unterstützung zu suchen erfordert Mut. Für den Schutz der betroffenen Personen ist dies aber besonders wichtig. (Patricia Hofmann, 23.2.2022)