Haben Sie schon einmal ohne neue Stelle in Aussicht gekündigt – und würden Sie es wieder machen? Das wollten wir von unseren Leserinnen und Lesern wissen und haben einen Social-Media-Aufruf gestartet.

Die Rückmeldungen zeigen: Wer den Job verlässt, hat diese Entscheidung nicht leichtfertig getroffen. Sieben ausgewählte Geschichten über Konflikte mit Vorgesetzten, ungezählte Überstunden und die Suche nach Erfüllung im Arbeitsleben.

Sophie K.*, 23: "Es gibt immer eine Alternative"

Lange Zeit habe ich mit mir gerungen. Ich wollte mehrmals kündigen, aber wegen Corona haben mir viele in meinem Umfeld davon abgeraten. Ich würde sonst keinen neuen Job mehr finden. Außerdem müsse man zumindest ein Jahr in einer Firma bleiben, weil es sonst im Lebenslauf nicht gut aussieht. Im Sommer 2019 habe ich mein Studium abgeschlossen und bin danach meinen ersten Vollzeitjob im Online-Marketing angetreten. Anfangs war ich total motiviert, meine Arbeit hat mir Spaß gemacht, und ich habe mich mit allen im Team gut verstanden.

Mit der Zeit hat sich dann aber immer deutlicher gezeigt, dass ich mit meiner Chefin nicht zurechtkomme. Ich hatte das Gefühl, dass ich es ihr nie Recht machen konnte. Ich musste jedes Social-Media-Posting von ihr freigeben lassen, und immer stimmte etwas damit nicht und wurde vor versammeltem Team kritisiert. Außerdem wurde von mir erwartet, auch abends oder am Wochenende Kommentare zu beantworten, obwohl ich frei hatte. Im Homeoffice habe ich mich nicht mal getraut, aufs Klo zu gehen, aus Angst, sie könnte anrufen und dann denken, ich würde nicht arbeiten.

Bereits nach wenigen Wochen habe ich fast jeden Tag nach der Arbeit geweint, weil ich mich so unter Druck gesetzt gefühlt habe. Ich hatte immer mehr Angst vor der Arbeit, war müde und erschöpft. Nach elf Monaten habe ich an meinem Geburtstag gekündigt. Und nur wenige Tage später einen neuen Job gefunden, in dem ich nun seit eineinhalb Jahren glücklich bin. Doch auch wenn es anders gekommen wäre, würde ich es wieder machen. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass es immer eine Alternative gibt – auch wenn man sie in dem Moment noch nicht kennt.

Maximilian Brandl, 40: "Jetzt habe ich einen Job, der mich erfüllt"

Die innere Kündigung war schon länger da, die Motivation im Keller. Der eigentliche Satz "Ich kündige" fiel dann sehr spontan in einem Meeting. Das war vor gut zehn Jahren. Damals habe ich meinen Job in der Bank- und Finanzbranche gekündigt, ohne genau zu wissen, wie es danach weitergeht. Insgesamt zwölf Jahre habe ich in diesem Bereich gearbeitet, zuletzt im Projekt- und Prozessmanagement.

Die ersten Jahre im Job haben mir wirklich Spaß gemacht. Rückblickend weiß ich, dass das vor allem an den großartigen Leuten in meinem Team gelegen hat. Denn da war trotzdem diese gewisse Unzufriedenheit. Mit jedem Filial- oder Bankwechsel habe ich versucht, neue Bereiche kennenzulernen, um dort glücklich zu werden. Dass mich die Arbeit an sich nicht erfüllt, habe ich erst spät gemerkt. Nachdem ich gekündigt hatte, war ich in einer – von mir selbst organisierten – Umschulungsphase. Ich habe meine eigene Behinderung als hochgradig schwerhörige Person als Asset genutzt und Gebärdensprache in einem Intensivkurs gelernt, um im sozialen Bereich mit gehörlosen Menschen zu arbeiten.

Die Reaktionen aus meinem Umfeld waren durchaus gemischt. Der Großteil meiner ehemaligen Kolleg:innen konnte die Entscheidung nicht nachvollziehen. Wobei im persönlichen Gespräch öfter ein wenig Bewunderung aufkam. In meinem privaten Umfeld gab es deutlich mehr Zuspruch. Meine damalige Lebensgefährtin hatte einen gutbezahlten Job, und wir hatten auch noch keine Kinder. Da fällt ein Wechsel natürlich leichter. Trotzdem würde ich jeder und jedem zu diesem Schritt raten, wenn der Job nicht glücklich macht.

Sarah B.*, 31: "Ich würde es sofort wieder machen"

Für mich war das Kündigen ein großer Schritt, für den ich mich bewusst entscheiden wollte. Ich war sieben Jahre lang bei einer kleinen Consultant-Firma beschäftigt. Dort hatte ich bereits neben dem Studium angefangen und bin nach dem Abschluss direkt geblieben. Ich habe meinen Job mit viel Leidenschaft und Freude gemacht. Letztes Jahr hat mir mein Körper aber starke Signale gegeben, dass ich so nicht weitermachen kann. Ich bin nach einiger Zeit in Krankenstand gegangen, weil ich keine Energie mehr hatte. Mit der dadurch gewonnenen Distanz wurde mir klar, dass ich in dieser Firma "anstehe".

Im Sommer habe ich dann gekündigt, ohne eine neue Stelle in Aussicht zu haben. Und ich würde es sofort wieder machen! Erst danach hatte ich den Kopf frei, um mir über den nächsten Schritt Gedanken zu machen, und konnte nach einem Job suchen, den ich wirklich möchte, statt irgendetwas anzunehmen, nur damit ich nicht mit leeren Händen dastehe.

Außerdem habe ich die Zeit zwischen den Jobs gebraucht, um mich körperlich zu erholen, von Altem Abschied zu nehmen und mich auf etwas Neues vorzubereiten. Ich habe die fünf Monate mit Krankenstand bzw. Reha, sehr viel Resturlaub und einem Monat Arbeitslosigkeit überbrückt. Direkt in die Arbeitslosigkeit zu gehen, wäre mir sicher schwergefallen. Nach dieser Erfahrung würde ich das Risiko aber trotzdem eingehen. Seit November bin ich in meinem neuen Job und arbeite wieder in der Beratung. Ich habe das Thema mentale Gesundheit in den Vorstellungsgesprächen thematisiert und darauf geachtet, dass mein neuer Arbeitgeber ebenfalls Wert darauf legt.

Bild nicht mehr verfügbar.

Nichts wie weg? Unsere Leserinnen und Leser berichten, warum sie ohne neuen Job in Aussicht gekündigt haben.
Foto: Getty Images

Thomas W.*, 59: "Das war der größte Fehler meines Lebens"

Genau 30 Jahre ist es her, dass ich meinen gut bezahlten Management-Job ohne eine neue Stelle in Aussicht gekündigt habe. Rückblickend würde ich sagen: Das war der größte Fehler meines Lebens. Die Kündigung hat mich viel Geld gekostet, und es hat lange gedauert, bis ich meinen Platz in der Arbeitswelt gefunden habe. Mein Selbstbewusstsein hat sehr darunter gelitten. Außerdem war der Zeitpunkt denkbar ungünstig, weil meine Frau gerade schwanger war.

Gekündigt habe ich wegen meines damaligen Vorgesetzten. Beinahe täglich hat er mir meine Arbeit hintertrieben. Das hat mich so zur Verzweiflung gebracht, dass ich aus Trotz einfach gegangen bin. Ich habe 1981 meine Lehre als Reisebüroassistent abgeschlossen und war bis zu meiner Kündigung bei einer amerikanischen Fluglinie tätig. Ursprünglich wollte ich in den Strukturvertrieb wechseln und in einem neuen Bereich Fuß fassen, das hat aber nicht geklappt. Jobhopping war in den 90ern gang und gäbe. Man ist von einer Tür hinaus und bei der nächsten hinein. Ich habe auch immer wieder neue Arbeit gefunden, aber wirklich zufrieden war ich mit meinen Jobs danach nicht.

Außerdem wurde nur kurze Zeit nach meiner Kündigung der Betrieb der Fluglinie eingestellt, und meine ehemaligen Kolleginnen und Kollegen habe hohe Abfindungen erhalten oder hatten die Möglichkeit, in die Zentrale in London zu wechseln. Mit vielen stehe ich übrigens bis heute noch in Kontakt, weil wir ein super Team waren. Etwa zehn Jahre später bin ich durch Zufall im EDV- und Trainingsbereich gelandet. Seitdem arbeite ich in der Personalentwicklung und habe gemerkt, dass dieser Job wirklich zu mir passt.

Anna H.*, 29: "Ich war dann einfach mal weg"

Nach zwei Jahren als Teamleitung in der mobilen Pflege habe ich aufgrund von völliger Erschöpfung und Missachtung des Arbeitsrechts gekündigt. Ich war damals Anfang 20 und bei einer großen Organisation tätig. Dort kam es regelmäßig zu einer Überbelastung, und zu meiner normalen Tätigkeit kamen immer mehr Aufgaben hinzu. Außerdem wurde von mir erwartet, jedes Wochenende Rufbereitschaft zu machen und einzuspringen, wenn jemand ausfällt. Nebenbei habe ich auch noch einen Uni-Lehrgang in Pflegemanagement absolviert. So wurde aus einer 40-Stunden-Woche eine 70-Stunden-Woche. Meine Arbeitszeiten wurden von den Zuständigen jedoch nie so dokumentiert, wie sie tatsächlich stattgefunden haben.

Ich konnte so einfach nicht mehr weitermachen. Nach meiner Kündigung habe ich mir meinen Traum von einer langen Reise erfüllt und war dann einfach mal weg. Als ich von meiner Auszeit zurückkam, war für mich das Thema Pflege erledigt. Die Jobsuche danach war anstrengend und langwierig. Denn ich wollte raus aus dem Bereich, aber wusste nicht wohin. Ich kam nach etwa sechs Monaten zufällig in den Sozialbereich. Dort ging mir dann das Licht – und das Herz – auf. Heute arbeite ich Teilzeit in einer Obdachloseneinrichtung und studiere berufsbegleitend Soziale Arbeit.

Rückblickend weiß ich, dass ich vor ein paar Jahren noch zu jung und unerfahren war. Ich würde zwar vieles, worauf ich mich damals eingelassen habe, auf keinen Fall mehr machen. Aber ich bereue nichts. Die Erfahrungen waren so prägend, dass ich heute meine eigenen Grenzen sowie meine Rechte und Pflichten umso besser kenne.

Michael Löwenherz, 37: "Es war Zeit für den nächsten Schritt"

Monatelange bin ich meinen Freunden und Verwandten in den Ohren gelegen. Ich habe immer wieder darüber gesprochen, dass mir meine Arbeit keinen Spaß mehr macht und mir die Perspektive im Job fehlt. Ich bin Digital Product Designer mit Fokus auf UX/UI & Brand Design und war damals, 2015, drei Jahre bei einem Start-up tätig. Irgendwann haben ein paar gute Freunde gemeint, dass ich zwei Optionen habe: Entweder ich nehme die Situation so zur Kenntnis und versuche, etwas in meiner Firma zu verändern. Oder ich suche mir etwas Neues. Einen Tag vor meinem jährlichen Mitarbeitergespräch habe ich dann einen Entschluss gefasst.

Am Tag darauf habe ich gekündigt. Der ganze Frust, der sich angestaut hatte, ist plötzlich von mir abgefallen, und ich habe mich einfach nur erleichtert gefühlt. Über mein Netzwerk habe ich dann schnell eine neue Stelle gefunden. Im Frühjahr 2020 war ich dann mehr oder weniger auf der anderen Seite: Aufgrund der Pandemie und daraus resultierenden Umstrukturierungen habe ich meinen Job verloren. Das war erstmal ein riesen Schock für mich. Danach habe ich begonnen, als Freelancer zu arbeiten, und bin dann zusätzlich eine Teilzeitstelle in einem Unternehmen angetreten.

Erst Ende 2021 habe ich meinen aktuellen Job gekündigt, um mich künftig vollständig in die Selbstständigkeit zu begeben. Obwohl ich bereits Kunden habe, fühlt sich dieser Schritt sogar noch riskanter an als meine Kündigung vor rund sieben Jahren. Aber so wie damals habe ich großes Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten – und ich denke, dass das auch wichtig ist, um solche Entscheidungen zu treffen.

Omar M.*, 45: "Die Jobsuche danach war nicht leicht"

Vor ein paar Jahren habe ich gekündigt, ohne eine sichere Zusage für einen neuen Job zu haben. Damals hatte ich bereits ein Vorstellungsgespräch hinter mir, das positiv verlaufen war. Die zweite Runde für den Job stand jedoch noch bevor. Ich bin Arzt, komme aus dem Ausland und habe damals in einem Krankenhaus gearbeitet. Die Zusammenarbeit mit den anderen Beschäftigten hat aber überhaupt nicht geklappt. Viele haben mich von oben herab behandelt, und auch die Abläufe in der täglichen Arbeit haben nicht gut funktioniert.

Das zweite Interview lief anfangs sehr gut. Bis ich gefragt wurde, ob ich mir für den Termin freigenommen hätte. Als ich sagte, dass ich bereits vor einer Woche gekündigt hatte, kippte die Stimmung plötzlich. Das Gespräch endete schnell, und mir wurde gesagt, dass sie sich bei mir melden würden. Kurz darauf kam eine Absage, da sie sich für jemand anderen entschieden hätten. Ich kann es natürlich nur vermuten, aber ich hatte schon das Gefühl, dass es daran lag, dass ich bereits gekündigt hatte. Wahrscheinlich haben sie gedacht, dass ich nicht gut mit dem Stress im Arbeitsalltag umgehen könnte oder Ähnliches. Eine Chance, meine Situation zu erklären, bekam ich nicht.

Ich war ein halbes Jahr zu Hause, ging von einem Vorstellungsgespräch zum nächsten. Es war mir immer ein Anliegen zu erklären, warum ich gekündigt hatte. Das Thema schien mich zu jedem Termin zu begleiten. Als ich endlich eine neue Stelle gefunden hatte, war ich erleichtert. Es ist zwar nun vieles besser, aber ich würde nicht nochmal ohne Job in Aussicht kündigen, sondern versuchen, es solange auszuhalten, bis ich etwas gefunden habe. (Anika Dang, 20.2.2022)