Alleine schon die Menge der wissenschaftlichen Studien über Hunde und ihr Verhältnis zu uns Menschen verrät uns, wie eng die Existenzen von Zwei- und Vierbeinern miteinander verwoben sind. Auf dem Papier handelt es sich beim Haushund nur um eine Unterart des Wolfes: Canis lupus familiaris. Und tatsächlich: Obwohl wir ihnen in einer jahrtausendelangen Zuchtgeschichte viel ihres Raubtiererbes ausgetrieben haben, zeigen selbst die rein äußerlich "unwölfischsten" Hunderassen wichtige Verhaltensweisen, die sie mit den Wölfen teilen.

Gerade wenn es um das soziale Lernen geht, lässt sich kaum zwischen Hunden und Wölfen unterscheiden, wie nun ein Team von der Vetmed-Uni Wien im Fachjournal "Trends in Cognitive Sciences" berichtet. Bei der Untersuchung zeigte sich auch, dass Hunde im Schnitt nicht weniger aggressiv sind als Wölfe. Und doch gibt es einen wichtigen Unterschied: Unsere Fellnasen haben gelernt, es gar nicht erst zu Konflikten kommen zu lassen.

Nicht nur äußerlich haben dieser Akita-Welpe und ...
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Konfliktvermeider und Regeleinhalter

Die Gruppe um Friederike Range und Sarah Marshall-Pescini zog ihre Schlüsse aus einer umfassenden Auswertung bisheriger Studien und Untersuchungen über Wolfs- und Hundeverhalten. "Die von uns zusammengefassten Ergebnisse zeigen, dass Hunde keine erhöhten soziokognitiven Fähigkeiten aufweisen und verglichen mit Wölfen auch nicht weniger aggressiv sind. Vielmehr suchen Hunde im Vergleich zu Wölfen, Konflikte mit höherrangigen Artgenossen und Menschen gezielt zu vermeiden, und weisen eine erhöhte Bereitschaft zur Einhaltung von Regeln auf, was sie zu umgänglichen Sozialpartnern macht", sagt Range vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung.

Es scheint also, als wäre die Domestizierung der Hunde eine Anpassung an eine neue, vom Menschen dominierte Umwelt gewesen, begleitet von vielfachem selektivem Druck für bestimmte Merkmale durch den Menschen. Auf Fragen der Menschwerdung geben diese Ergebnisse aber keine befriedigenden Antworten. Koautorin Marshall-Pescini betont, dass ihre Studie "die Eignung der Domestizierung von Hunden als Modell für die soziale Evolution des Menschen vielmehr infrage stellen".

... dieses Polarwolfmädchen eine Menge gemein: Auch beim sozialen Lernen gibt es viele Parallelen.
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Von der menschlichen Selbstdomestizierung

Die Hypothese von der "humanen Selbstdomestizierung" schlägt vor, dass Menschen einem Selbstdomestizierungsprozess unterlagen, der vor etwa 300.000 Jahren begann. Laut dieser "Human Self-Domestication Hypothesis" (HSD) beinhaltet der wichtigste selektive Druck, der den modernen Menschen formte, eine Verringerung der Aggression. Diese Verringerung der Aggression war die Voraussetzung für die Entwicklung höherer kognitiver Fähigkeiten und verbesserte Kooperation.

Die HSD-Hypothese legt ferner nahe, dass der Selektionsdruck während der menschlichen Evolution dem ähnlich ist, der die Merkmale anderer domestizierter Arten formte. Die Domestizierung von Hunden wurde als "Proof of Concept" für den Zusammenhang zwischen der Selektion auf verringerte Aggression, höhere Geselligkeit und Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten verwendet. (red, 18.2.2022)