Dürfen Studierende, die nicht gendergerecht formulieren, schlechter benotet werden? Die Uni Wien muss nun per Bescheid entscheiden.

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Ein Wiener Student der Transkulturellen Kommunikation will rechtlich gegen den "Gender-Zwang" an seiner Fakultät vorgehen. Die Richtlinien des Zentrums für Translationswissenschaften an der Universität Wien gäben "Genderregeln vor, obwohl diese nicht der amtlichen Rechtschreibung entsprechen." Bei Nichtbeachtung drohe "Punkteabzug".

Über seinen Anwalt Gerald Ganzger wird der Student nun einen "Feststellungsantrag" bei der Universität Wien einbringen. Der zuständige Studienprogrammleiter zeigt sich auf Anfrage des STANDARD unbeeindruckt. Rechtliche Schritte seien zwar neu, Beschwerden gebe es aber immer wieder. Dass Studierende schlechter benotet werden, wenn sie sich nicht an die Leitlinien halten, stimme nicht.

"Politische Absichten"

Es sei nicht Aufgabe der Universität, durch eine bestimmte Sprachgestaltung in Studienleistungen zu einer "Veränderung der Welt" beizutragen, wie es in der Leitlinie der Fakultät formuliert sei, argumentiert Ganzger. Der Studiengang solle junge Menschen befähigen, Texte zu übersetzen, "frei von Ideologie und politischen Absichten".

Studenten dazu zu zwingen, den "Inhalt eines Textes weltanschaulich zu verändern", überschreitet laut dem Anwalt die Kompetenzen der Dozenten. Es sei nicht hinnehmbar, dass "Studenten ohne gesetzliche Grundlage eine politisierte Sprache nutzen müssen, um keine negativen Studienauswirkungen befürchten zu müssen." Ganzger betont im STANDARD-Gespräch, dass er selbst offen für gendergerechte Sprache sei, sie aber nicht verpflichtend sein dürfe.

"Stimmt nicht"

Laut Klaus Kaindl, Studienprogrammleiter am Zentrum für Translationswissenschaften, gibt es eine derartige Verpflichtung aber gar nicht. Dass Studierende, die sich nicht an die Leitlinien halten, schlechter benotet werden, sei unrichtig. "Da braucht man keine Angst haben", sagt Kaindl zum STANDARD.

Allerdings könne es in einzelnen Lehrveranstaltungen vorkommen, dass Texte zu Übungszwecken gendergerecht übersetzt werden müssen. Nur in solchen Fällen ist das Gendern laut Kaindl notenrelevant. Schließlich komme es auch in der Praxis vor, dass sich Auftraggeberinnen von einem Dolmetscher eine gendergerechte Übersetzung wünschen. "Das Ganze ist ein emotionales Thema", sagt Kaindl. "Es gibt Studierende, die das als grundsätzlichen Angriff auf ihre Freiheit sehen."

Studienpräses entscheidet

Laut Anwalt Ganzger richtet sich der Feststellungsantrag an den Studienpräses der Universität Wien, der für studienrechtliche Belange zuständig ist. Ziel sei es, einen Bescheid zu erwirken, der garantiert, dass der Verzicht auf gendergerechte Sprache nicht zu einer schlechteren Beurteilung führt. Bei künftigen Prüfungen könnte der Student den Bescheid dann vorlegen. Eine Entscheidung ist laut Ganzger in den nächsten sechs Monaten zu erwarten.

Eine politische Partei oder Studierendenvertretung stecke nicht hinter dem Vorgehen, versichert der Anwalt. "Sonst hätten wir den Fall nicht übernommen." Mitfinanziert wird der Antrag vom Dortmunder "Verein Deutsche Sprache", der gegen gendergerechte Sprache lobbyiert. Auch in Deutschland unterstützt der Verein ähnliche Klagen. (Jakob Pflügl, 18.2.2021)