Komponist Johannes Maria Staud bringt seine "Jittering Directions (The Fury of Our Concepts)" zur Uraufführung.

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Wien – Zu Anfang eine frühromantische Kurzreise in märchenhafte Welten, Felix Mendelssohn Bartholdys Konzertouvertüre Die schöne Melusine. Streichelweich und flötenzart kräuselten sich die Wellen, in denen die Titelfigur meerjungfräulich badete. Ein verliebter Ritter näherte sich mit federnder Dynamik, bald wurden die Konditionen stürmischer. Ein feiner Start von Andrés Orozco-Estrada und den Symphonikern am Donnerstagabend im Konzerthaus.

Zum Ende ein spätromantischer Blockbuster zum Thema Philosophie, Also sprach Zarathustra. Bejahung, wollender Wille, fortwährende Erneuerung: Das war Richard Strauss’ Mindset mit Anfang 30. Schopenhauer pfui, Nietzsche hui! Das Konzertlexikon berichtet von der Zerstörung von Ordnungen zugunsten höherer Entwicklungsstufen, das Konzertpublikum hört Streicherseligkeit, brummelnde Kontrabässe, Walzerfreuden und natürlich den markanten Beginn. Orozco-Estrada ist ein Mann, der Vitalität, Beschwingtheit und Innigkeit akkurat zu initiieren versteht. Die auf Kingsize angeschwollenen Symphoniker genossen das Musizieren sichtlich.

Eine Uraufführung für dazwischen

Und dazwischen? Eine Uraufführung! Johannes Maria Staud hat sechs Gedichte des US-amerikanischen Lyrikers William Carlos Williams unter dem Titel Jittering Directions (The Fury of Our Concepts) vertont: sechs Wegweiser, die flatternd in eher düstere Gefilde führten. Mit selbstverständlicher Virtuosität schuf der 47-jährige Komponist prägnante, abwechslungsreiche Stimmungsbilder und nutzte dabei die vielgestaltigen Klangmöglichkeiten des Orchesterapparats so selektiv wie fantasievoll.

Toll, dass Yeree Suh bei der Uraufführung für Andrea Carroll eingesprungen ist; schade, dass ihr limitierter Sopran den Gesangspart im Großen Saal dann aber doch mehr erahnen als hören ließ ... (Stefan Ender, 18.2.2022)