Die FPÖ-Politiker Hans-Jörg Jenewein (links) und Herbert Kickl bei einer Pressekonferenz über den BVT-U-Ausschuss 2019. Ehemalige Beamte sollen ihnen zugeliefert haben.

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Der Verdacht der Ermittler vom Bundeskriminalamt wog schwer: Der FPÖ-Politiker Hans-Jörg Jenewein soll mit Beamten des Innenministeriums eine "kriminelle Vereinigung" gebildet haben, schrieben sie im Mai 2021 in einem Anfallsbericht an die Staatsanwaltschaft Wien. Die Gruppe um Jenewein soll "fortlaufend Amtsdelikte" gesetzt haben, vor allem in Form von "Beischaffung teils sensibler Informationen". Wie das gelaufen sein soll: Der frühere Verfassungsschützer Egisto Ott soll diese Infos selbst und von anderen Beamten herbeigeschafft und teils gegen Geld weitergegeben haben.

Die Beschuldigten bestreiten das freilich – und laut Jeneweins Anwalt Christoph Völk werde gegen seinen Mandanten zwar wegen Amtsdelikten und Verletzungen des Datenschutzgesetzes ermittelt, nicht aber wegen Bestechung und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Unbestritten ist, dass Ott und Jenewein viel miteinander zu tun hatten. Den Ermittlern liegen offenbar Chatverläufe ab August 2018 vor. Damals war Jenewein Nationalratsabgeordneter und blauer Fraktionsführer im BVT-U-Ausschuss. Teile seines Wissens dürfte er eben Ott verdankt haben. Aus dem Bericht geht hervor, dass das Wissen geradezu live verwertet wurde: "Wenn du eine Frage an ihn hast, nur zu", schrieb Jenewein etwa während der Befragung einer Auskunftsperson.

U-Ausschuss-Vermeidung

Einer anderen Auskunftsperson, die bereits einmal ausgesagt hatte, wollte Jenewein mit Tipps eine weitere Befragung ersparen. Die Frau, die eine zentrale Rolle in der BVT-Affäre gespielt hat, solle doch "HEUTE noch", bevor die Opposition ihre Ladung beschließe, einen Urlaub für die Zeit der nächsten Ausschusstermine buchen, riet er Ott.

Auch im nächsten U-Ausschuss, dem zum Ibiza-Video, sollen die beiden noch kommuniziert haben. Jenewein war damals zwar nicht mehr Abgeordneter, aber als Referent tätig. Ott soll ihm "Informationen zur Schwester" von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) weitergereicht haben. Sie ist Polizistin, die FPÖ spekulierte später über Verbindungen zu laufenden Ermittlungen.

Ausgetauscht wurden auch "höchstpersönliche" Informationen über Mitglieder der Soko Tape rund ums Ibiza-Video, was im Juli 2021 auch Konsequenzen hatte: Drei davon betroffene Ermittler erklärten sich unter anderem für das Verfahren gegen Ott und Jenewein für befangen. Die Leitung der sogenannten AG Fama, die sich mit Ott und Co beschäftigt, wanderte vom Bundeskriminalamt ans Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK).

Eine der beschuldigten Beamtinnen arbeitet bereits seit den späten 1970er-Jahren im Innenministerium und ist delikaterweise auch Mitglied eines Disziplinarsenats, der Bundesdisziplinarbehörde und in der Personalvertretung tätig – für die Fraktion christlicher Gewerkschafter (FCG). Das Pikante daran: Sie gehört nicht nur "zu uns", wie Ott über sie schrieb, sondern sie hatte laut Bericht auch "umfangreiches Wissen" zu den Ermittlungen gegen Ott und dessen Umfeld.

Infos über ÖVP-Politiker

Die genannte Beamtin soll zum Beispiel Daten über den ÖVP-Abgeordneten Wolfgang Gerstl, der Fraktionsführer im Ibiza-Ausschuss war und im Innenministerium tätig ist, nach außen gespielt haben. Zwei weitere Beschuldigte waren in der IT-Abteilung des BVT beschäftigt. Einer davon schrieb in einer E-Mail an Ott von einer "Munitionskiste", in die Infos kämen; der andere IT-Experte soll Daten aus Smartphones hochrangiger Beamter abgesaugt haben. Das "Kompromat", wie die Ermittler die gesammelten Informationen im KGB-Sprech nennen, landete großteils bei der FPÖ. Aus Chats geht hervor, dass die involvierten Beamten mit Karrieresprüngen im damals blauen Innenministerium bedacht werden sollten, etwa im Zuge der damals geplanten BVT-Umstrukturierung. "Wir werden für alle, die da mitgeholfen haben, eine gute Lösung finden!", schrieb Jenewein in dem Konnex an Ott. Die Ermittler vermuten "umfangreiche Geldflüsse" zwischen den beiden – zumindest seien solche veranschlagt gewesen. Jenewein bestreitet das mit Nachdruck.

Aber auch mit dem einstigen Grünen-Politiker Peter Pilz, mittlerweile Herausgeber von Zackzack, und mit dem heutigen Neos-Abgeordneten Helmut Brandstätter hat sich Ott unterhalten, etwa über die Mitglieder der Soko Tape. Brandstätter erklärt auf Anfrage, dass er sich zweimal auf dessen Betreiben mit Ott getroffen habe. Dieser habe ihn über Missstände informieren wollen, aber, so Brandstätter, "keine konkreten Informationen gehabt". Notabene: Gegen Brandstätter und Pilz wird nicht ermittelt. (Renate Graber, Fabian Schmid, 18.2.2022)