Förderungen sind in der EU an Auflagen gebunden. Forschung und Entwicklung haben beste Chancen auf öffentliches Geld.

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Wien – Die Rettung der Pharmaproduktion des zum schweizerischen Novartis-Konzern gehörenden Generikaherstellers Sandoz im Tiroler Kundl zieht sich wie ein Strudelteig. Wohl wurde die Sicherung der letzten Penicillin-Herstellung in Europa auf dem Höhepunkt der ersten Covid-19-Welle 2020 von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) und ihrem Parteikollegen, dem Tiroler Landeshauptmann Günther Platter, wortreich verkündet.

In der Praxis sind mehr als eineinhalb Jahre später aber noch immer keine Pflöcke für die vollmundig auf zehn Jahre verkündete Standortgarantie eingeschlagen. In formaler Hinsicht befinde sich das Verfahren bei der Europäischen Kommission "noch im Stadium der Pränotifikation", räumte Schramböcks Ministerium auf parlamentarische Anfrage von Neos im Jänner ein.

Nach Ansicht der involvierten österreichischen Behörden wurden der Europäischen Kommission am 23. Juli 2021 aber bereits "Informationen in einem Umfang und einer Tiefe zur Verfügung gestellt, wie sie zur Vorbereitung einer förmlichen Entscheidung ausreichen müssten". Über das Voranmeldeverfahren im Beihilfenverfahren kam man damit aber (noch) nicht hinaus.

Abhängig von Fernost

Die Hoffnungen ruhen offenbar auf der mit Ausbruch der Pandemie gewonnenen Erkenntnis, dass sich Europa mit der Abwanderung der Pharmaproduktionen bei der Medikamentenherstellung zu abhängig gemacht hat von Herstellern in Fernost. Die Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Schutzmasken in den ersten Monaten der Corona-Krise stecken noch in den Knochen.

Die von Neos-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker gestellten Fragen beziehungsweise die Antworten darauf nähren nun Zweifel am Pakt mit Novartis. Denn im Oktober 2021 hatte Novartis-Österreich-Chef Michael Kocher wohl eine Absichtserklärung gegeben, die Zusage einer Standortgarantie aber nicht bekräftigt. Im Gegenteil, die Herstellung von Generika, also Nachbaumedikamenten, sei enorm unter Kostendruck. Werde die Ende März auslaufende "Preisbandregelung" nicht verlängert, könnte das Preisniveau weiter sinken und "eine kostendeckende Produktion am Tiroler Standort Kundl nicht mehr möglich sein", so die am 24. Oktober via Aussendung verbreitete Botschaft.

Früher Jubel

Die Gesundheitskasse kämen Generika dann zwar billiger, aber ein Teil der 4500 Arbeitsplätze in Kundl würde dann wohl wackeln – und mit ihnen der von Platter und Schramböck gemeinsam mit dem damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz am 18. Mai 2018 gefeierte "Startschuss" für den Ausbau des Standorts Kundl. "Bund, Land Tirol und Novartis investieren in Summe 150 Millionen Euro in die Sicherung und den Ausbau des Produktionsstandorts Tirol", lautete die Jubelmeldung.

Ein Drittel dieser Summe kommt demnach von der Republik, wobei Tirol zu den 50 Millionen Euro fünf beisteuert. Viel frisches Geld scheint darin übrigens nicht enthalten. Denn Forschungsprämie und Investitionsprämie bekommt jedes Unternehmen, das die Förderkriterien erfüllt. Um darüber hinaus von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG begünstigt zu werden, braucht es keine Produktionslinien, sondern Innovation, also Aktivität in Forschung und Entwicklung.

Garantie für zehn Jahre

Im Ministerium betonte man am Freitag auf Anfrage einmal mehr: "Durch die staatliche Unterstützung kann eine wirtschaftliche und konkurrenzfähige Wirkstoffproduktion am Standort Kundl für mindestens zehn Jahre sichergestellt werden. Seitens des Unternehmens wurde eine Standortgarantie für zehn Jahre gegeben."

Konkrete Angaben zur Zusammensetzung des Förderpakets gab es einmal mehr nicht. Es geht um die Investitionsprämie der staatlichen Förderbank AWS (für 50 Millionen Euro an Investitionen) und FFG-Förderungen, die allerdings an experimentelle Entwicklung gebunden und mit drei Millionen Euro pro Jahr begrenzt sind.

Bauarbeiten im Gang

Auch Novartis sucht Bedenken zu zerstreuen: "Allein in Zusammenhang mit der in Umsetzung befindlichen Modernisierung der Antibiotikaproduktion investieren wir mehr als hundert Millionen Euro, die Bauarbeiten sind seit 2020 in Gang", die neue Anlage gehe nächstes Jahr in Betrieb. Kundl werde zum globalen Novartis-Nukleinsäure-Kompetenzzentrum ausgebaut (Nukleinsäure, RNA, mRNA für Impfstoffe, Therapeutika, Plasmide für Novartis-Zell- und Gentherapien), heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Seit 2010 investierte Novartis nach eigenen Angaben in Kundl/Schaftenau, dem größten Produktionsstandort von Novartis weltweit, rund 900 Millionen Euro. Vorangetrieben werde weiters die Inbetriebnahme von "BioFuture" in Schaftenau (die nach Eigenangaben weltweit modernste und hochinnovative Anlage zur Herstellung therapeutischer Proteine mit einem Investitionsvolumen von 160 Millionen Euro.

Hoffnung auf frische Förderungen

Auf der sich dahinschleppenden Förderseite gibt es übrigens Hoffnung. Ein größeres Life-Science-Förderpaket soll geschnürt werden, das in Regierungskreisen auf 40 bis 50 Millionen Euro taxiert wird, verlautet aus mit Forschungsförderung vertrauten Kreisen. Das stehe dann zwar auch allen Interessenten offen, aber es könnte für die Novartis-Standortsicherung essenziell sein.

Wichtige Projekte

Nicht zu verwechseln ist das mit den hundert Millionen Euro, die als Teil des EU-Green-Deals für "Important Projects of Common European Interest" im Bereich Life-Sciences reserviert sind. Über das Niveau einer Interessenbekundung gehe das Engagement da aber noch nicht hinaus, merkt ein Insider kritisch an.

"Wieder einmal glänzt die Regierung mit Showpolitik und Intransparenz", ätzt Neos-Mandatar Loacker. Mit der großen Ankündigung, die bis jetzt noch nicht in trockenen Tüchern sei, habe man die Öffentlichkeit hinters Licht geführt. (Luise Ungerboeck, 19.2.2022)